Die Zwinger, zu denen mich das kleine Rumpelstilzchen nun bringt, befinden sich hinter dem Haus. Es sind einfach mehrere Käfige aneinandergereiht, in denen diese dämlichen, dreckigen Flohschleudern vor sich hin vegetieren. Ein paar von ihnen kommen sogleich schwanzwedelnd und bellend ans Gitter gerannt, als sie uns bemerken.
Mir fällt sofort auf, dass die Meisten mehrere Verletzungen aufweisen, die allmählich verheilen. Hätte ich die Möglichkeit dazu gehabt, ich hätte diese lästigen Viecher auch gequält und anschließend ersäuft. Das Einzige, was sie wirklich können, ist stinken und den Menschen untertänig in den Arsch kriechen. Einfach nur erbärmlich. Aber das darf ich Amely natürlich nicht wissen lassen. Daher verkünde ich:
"Die sind aber toll! Schau nur, wie sie sich freuen mich zu sehen."
"Freu dich nicht zu früh. Du bist im Moment einfach ein potentieller Essenslieferant für sie. Wenn sie aber herausfinden, dass es bei dir nichts zu holen gibt, werden sie dich anfallen und zerfleischen. Mögen tun sie dich nämlich garantiert nicht", spottet das kleine Rumpelstilzchen und bleibt schließlich vor einem der Zwinger stehen, der im Vergleich zu den anderen ziemlich geräumig ist, "hier. Da wären wir. Darf ich vorstellen, das ist Jesse. Mein Liebling. Er wohnt schon seit geraumer Zeit bei uns."
Ich spähe durch die Gitterstäbe ins Innere des Zwingers. Zuerst kann ich überhaupt nichts erkennen, was auf einen Bewohner dieses Käfigs hingedeutet hätte. Alles ist friedlich und ruhig. Nichts regt sich. Gerade will ich daher fragen, ob sie mich eigentlich verarschen will und absichtlich zu einem leeren Zwinger geführt hat, als sich ein dunkler Schemen aus den Schatten löst.
Es ist ein großer, schlanker Köter mit riesigen Ohren, die ihn wie eine viel zu groß geratene Fledermaus aussehen lassen. Sein Fell ist braun-schwarz gescheckt und ziemlich struppig, aber trotzdem gepflegt. An der rechten Flanke hat er mehrere, tiefe Narben, die wie eine Art Kriegsbemalung seinen Körper zieren. Außerdem hat er ein lahmes Hinterbein, weshalb er etwas hinkt.
Och neeee! Jetzt will mir dieses Miststück also auch noch einen verweichlichten Krüppel andrehen? Reicht es nicht, dass ich mich mit einem dieser Biester herumschlagen muss? Wenn der Köter hier wenigstens irgendwie Stil hätte. Aber nein. Das Vieh passt nur zu perfekt zu dem kleinen Rumpelstilzchen. Es ist ebenso hässlich und langweilig, wie sie. Wie sagt man so schön? Hundebesitzer gleichen ihren Hunden mit der Zeit. Da ist auf jeden Fall etwas dran.
In diesem Moment schleicht sich plötzlich ein hinterhältiges Funkeln in die Augen des Fledermaushundes, das mir ganz und gar nicht gefällt. Als er jedoch Amely ins Visier nimmt, verschwindet dieses sofort wieder. Er fängt an freudig vor der Tür auf und ab zu gehen und wild mit dem Schwanz zu wedeln. Es fehlt nur noch, dass er vor Freude ein paar Luftsprünge vollführt.
"Jaaaaaaa. Mein Guter. Ich bin wieder da", säuselt diese gedehnt, was mich genervt die Augen verdrehen lässt. Okay. Wenn es das ist, was das kleine Rumpelstilzchen will, dann werde ich mich eben anpassen. Kann ja nicht allzu schwer sein diese überdimensionale, verkrüppelte Fledermaus für sich zu gewinnen.
"Ooooooh! Der ist ja ein ganz Lieber. Ich denke wir werden sicherlich bald Freunde sein", imitiere ich Amelys Stimme und gehe näher an das Gitter heran.
Ein Fehler, wie ich gleich darauf feststelle. War die Haltung des Fledermaushundes bis gerade eben noch entspannt gewesen, so steht er nun plötzlich von der Schnauze bis zur Schwanzspitze unter Strom. Es ist, als hätte er sich in ein komplett anderes Wesen verwandelt. Sein Fell ist gesträubt, die Lefzen hat er gebleckt, sodass man seine scharfen Zähne deutlich erkennen kann und in seinen Augen blitzt es gefährlich. Ein lautes, tiefes Knurren dringt aus seiner Kehle hervor. Ich stolpere erschrocken einen Schritt zurück, als sich der Fledermaushund mit voller Wucht gegen das Gitter wirft, das zum Glück zwischen uns ist. Was läuft denn bei dem falsch?
Ein leises Glucksen dringt an mein Ohr, das mich ganz rasend macht. Wütend fahre ich zu der Verursacherin dieses Geräusches herum und sehe Amely, die sich die Hand vor den Mund hält, um nicht laut loszuprusten.
"Was hast du getan? Spinnst du? Willst du mich umbringen?", fahre ich sie heftig an, auch wenn das nur so eine Redewendung ist. Natürlich kann mich ein hässlicher Köter nicht umbringen. Vielleicht verletzen, aber auch das ist eher unwahrscheinlich.
"Ich habe gar nichts getan", lacht diese amüsiert auf, "auch wenn ich nichts dagegen hätte, wenn er dir in deinen Arsch beißt."
Empört will ich etwas erwidern, als sich eine Stimme hinter uns einmischt:
"Was tun Sie hier?"
Wir drehen uns gleichzeitig um und ich sehe mich einem großen, gut gebauten Mann gegenüber, der ebenfalls ein T-Shirt mit dem Logo des Hundehimmels trägt.
"Das hier ist ein Freund von mir", erklärt Amely, noch bevor ich etwas antworten und das kleine Rumpelstilzchen so richtig zur Schnecke machen kann, "er ist ein Hundeliebhaber, genau wie ich und hat sich sofort in Jesse verliebt. Er möchte sich in der nächsten Zeit zusammen mit mir um ihn kümmern."
Ein skeptischer Ausdruck erscheint auf dem Gesicht des Mannes und er mustert mich genauer. Hoffentlich sieht er in mir keinen alten Opa oder ein kleines Kind. Sonst habe ich nämlich jetzt tatsächlich ein kleines Problem. Wobei das Starren wahrscheinlich eher von der Tatsache kommt, dass irgendjemand so blöd ist und sich mit diesem gestörten Fledermaushund freiwillig auseinandersetzen will. Das ist nämlich tatsächlich komplett verrückt.
"Bist du dir sicher, Amely? Du weißt, dass er ein ziemlich schwerer Fall ist und sich bis jetzt nur von dir hat streicheln und füttern lassen", gibt der Mann zu bedenken. Er fährt sich unschlüssig durch sein schütteres Haar, das bereits langsam ergraut.
"Ach, keine Angst. Das packt er schon. Und wäre es nicht schön, wenn Jesse endlich ein Zuhause finden würde?", winkt Amely ab. Diese miese, kleine Ratte! Sie hat von Anfang an gewusst, dass mich dieser Hund hier hassen wird. Ich hatte überhaupt keine Chance.
"Klar wäre das schön. Naja, dann hoffen wir das Beste. Wir haften aber nicht für Verletzungen, nur dass das klar ist", zuckt er mit den Schultern, "viel Erfolg bei eurem Vorhaben."
Mit diesen Worten dreht er sich um und verschwindet in einem Seiteneingang. Ich schaue dem Pfleger hinterher, bis er nicht mehr zu sehen ist. Dann drehe ich mich wütend zu Amely um und fahre sie heftig an:
"Du hast gewusst, dass Jesse mich nicht mögen wird! Er mag niemanden, außer dir. Das ist unfair! Wie soll ich also jemals etwas mit ihm anfangen können?"
Amely zuckt nur mit den Schultern:
"Das ist nicht mein Problem. Abgemacht ist abgemacht. Oder gibst du etwa schon auf? Das könnte ich durchaus verstehen. So ein Weichei, wie du eines bist, hat eben nichts drauf."
Ich verschrenke empört meine Hände vor der Brust und schnaube verächtlich auf:
"Das hättest du wohl gerne. Niemals. Das, was du kannst, schaffe ich schon lange. Ich werde diesen Krüp... äh... Jesse schon davon überzeugen, dass ich nicht so übel bin."
"Dann ist doch alles geklärt. Ich wünsche euch Zwei noch viel Spaß. Gefüttert habe ich ihn schon. Hier ist die Leine, falls du sie brauchst und der Schlüssel, sodass du in den Zwinger gehen kannst. Ich bezweifle ja stark, dass das je der Fall sein wird, aber ich lasse mich auch gerne überraschen."
Verdattert nehme ich den besagten Schlüssel und die Leine entgegen und ehe ich Bitch sagen kann, bin ich auch schon wieder allein. Und nun? Unschlüssig wende ich mich dem Käfig zu, in dem Jesse mich noch immer böse anknurrt. Na super! Das kann ja noch spaßig werden. So habe ich mir das Ganze eindeutig nicht vorgestellt. Das habe ich ja toll hinbekommen.
Wäre ich spirituell angehaucht gewesen, hätte ich nun angenommen, dass das die Rache für meine vielen Verbrechen sei. Scheiß Karma! Aber da ich nicht an so einen Schwachsinn glaube, muss es wohl einfach eine vorübergehend schwierige Phase sein, die mit dem kleinen Rumpelstilzchen zusammenhängt. Ja, das kommt schon eher hin. Alles hängt mit dieser kleinen, hinterhältigen Zicke zusammen. Ich muss sie so schnell wie möglich eliminieren, sonst drehe ich hier noch durch. Dieses Biest und ihr Köter haben sie doch nicht mehr alle.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...