Es war einer dieser für London typischen regnerischen Tage. Es regnete nicht aus Strömen, aber es war auch mehr als dieser feine Sprühregen. Und es wollte nicht aufhören. Alles schien grau, wenn auch ein helles, freundliches grau, sodass man hinter den Wolken noch die Sonne als hellen Fleck erkennen konnte.
Aber vielleicht sah das auch nur für mich so aus und zwar aus zwei Gründen. Ich liebte Regen. Ich mochte das Gefühl der Regentropfen auf meiner Haut, den Geruch in der Luft und manchmal reichte es mir auch auf dem Bett zu liegen und zu wissen, dass es draußen regnete. Und zweitens, heute war ich ausnahmsweise gut gelaunt, denn heute würde ich meinen neuen Job beginnen.
Jetzt gerade lief ich in schnellen Schritten über da nasse Pflaster, hielt meinen coolen Captain America Schirm überm Kopf und genoss das Prasseln des Regens um mich herum. Die meisten Menschen hetzten so schnell sie konnten durch die Stadt, wenn gleich es nicht sehr viele waren, da es schon den ganzen Tag regnete. Und da verkrochen sich die meisten in ihren Häusern und Wohnungen. Aber ich nicht. Ich genoss jeden Schritt, als ich über die Millennium Bridge lief. Ein dunkelhäutiger Mann lief an mir vorbei und fluchte lauthals, weil der Regen seinen hell beigen Anzug ruinierte. Ich unterdrückte ein Lachen. Ich fragte mich immer, wie so ein bisschen Wasser die Menschen so sehr stören konnte.
Der Regen prasselte in die Themse und ich fand schon immer, dass das wunderschön aussah. Von hier aus konnte ich das Globe Theatre am anderen Ufer bereits sehen und meine Vorfreude stieg an. Für die nächsten Monate würde es mein Arbeitsplatz sein. Im Globe wurden bekanntlich immer wieder Stücke von Shakespeare aufgeführt und ich hatte die Gelegenheit in einem mitzuspielen. Ich blieb vor dem Eingang stehen. Schon oft war ich hier gewesen und hatte mir verschiedene Stücke von Shakespeare angesehen. Was das betraf, war ich wohl einfach altmodisch.
Aber heute würde ich nicht durch den Haupteingang gehen. Ich ging stattdessen um das Gebäude herum und durch die Hintertür. Hier sah das Theater schon ganz anders aus. Nicht wie der Rest, der im Stil des 14. Jahrhunderts gehalten war. Nein, es gab weiße Wände, wenngleich die schon an einigen Stellen grau waren und Flecken aufwiesen, und Glasfenster.
Ich war keine fünf Meter gelaufen, als mir einfiel, dass ich keine Ahnunf hatte, wo ich eigentlich hingehen musste. Gestern hatte ich mich offiziell gemeldet, aber heute würden alle Schauspieler eintreffen und wir sollten „Durch die Hintertür in den Bühnenraum" kommen. Wie gut, dass ich nicht wusste, wo der war. Ziellos ging ich durch den schmucklosen Gang und schaute in die offenen Türen rein. Ein Raum war definitiv für den Maskenbildner, der auch schon auf einem Tisch stand und nach irgendetwas in den oberen Regalen suchte. Er trug enge Desingerjeans und auffällige rote Schuhe. Ich klopfte gegen die offen stehende Tür, um auf mich aufmerksam zu machen.
„Entschuldigung?" Der Mann drehte sich zu mir um. „Ich spiele in Romeo und Julia. Heute soll ein Treffen der Schauspieler stattfinden. Können sie mir vielleicht sagen, wohin ich gehen muss?", fragte ich freundlich.
„Ohh, ein neues Gesicht, wie schön. Darf ich raten, wen du spielst?" Er trug links einen glitzernden Ohrring, der einen schönen Kontrast zu seiner Karamellfarbenen Haut gab und hatte seine Haare blind gefärbt.
„Überraschen sie mich", antwortet ich nur. „Du bist Julia." Ich nickte. Da hatte er mich tatsächlich überrascht. „Woher haben sie das erkannt?"
„Dein Gesicht sieht aus wie das einer Julia und mit Gesichtern kenne ich mich aus", sagte er grinsend und drehte einen Pinsel in seiner Hand. „Wenn sie das sagen. Aber könnten sie mir vielleicht...?" „Oh, natürlich, ich Dummerchen plaudere hier mit dir, wenn du zu tun hast. Geh einfach den Gang weiter bis er eine Biegung macht, weiter gerade aus und den nächsten Gang rechts und dann sollten sie in einen großen Raum kommen. Ist auch beschriftet."
„Danke schön", sagte ich und wollte mich schon rumdrehen und gehen. „Ich bin übrigens Jon. Wir werden uns demnächst wahrscheinlich öfters sehen." Ich lächelte. „Ich bin Lively."Wie Jon gesagt hatte, machte der Gang bald einen Knick, dann ging ich rechts und vor mir lagen zwei weite offene Türen, die den Blick auf einen hohen Raum warfen, der von einigen Stehlampen beleuchtet wurde. Es war ein eher schiefer Stuhlkreis gestellt worden, in dem schon fast alle Stühle belegt waren. Schnell strich ich mir durch die Haare und rückte meine Jacke zurecht, bevor ich in den Raum trat.
Einige Köpfe drehten sich um und ein Mann sprang sofort auf. Er hatte braune längere Haare, die er in einem Pferdeschwanz trug und unter seinem schwarzen AC/DC T-shirt lugte ein Tattoo hervor. „Miss Campell, Willkommen, schön, dass sie es auch geschafft haben", rief er enthusiastisch und schüttelte mir die Hand. Sie war seltsam warm. „Äh ja, die Freude ist ganz meinerseits", würgte ich hervor und lächelte. „Ich bin Roy, wie sie ja bereits wissen, sie können mich natürlich duzen", sagte er weiter und schob mich in den Stuhlkreis, „Wir werden ja nun viel Zeit zusammen verbringen. Setzen sie sich, setzen sie sich, los." Brav zog ich meine Jacke aus, legte meine Tasche ab und hockte ich mich auf den Stuhl, den er mir anbot.
Ich hatte Roy vorher schon getroffen, aber an ihn gewöhnt hatte ich mich noch nicht. Er war einfach ein komsicher Vogel.
Ich sah mir die anderen an. Die meisten sahen sehr ordentlich aus. Jeans, Blusen und Hemden, Lackschuhe oder moderne Sneakers. Roy schien der Einzige, der sich nicht darum geschert hatte, gut auszusehen, aber er war auch der Regisseur. Sowas wie der Boss. Der konnte wohl rumlaufen, wie er wollte.
„Jetzt haben wir fast alle zusammen", sagte Roy und setzte sich auf seinen Stuhl, wobei er ein Bein über das andere Schlug, „Mal sehen ob die Anderen pünktlich sind, es sind noch genau 2 Minuten Zeit. Nicht, dass mich das stören würde, wenn mal jemand zu spät kommt", Er grinste in die Runde, „solange man dann auch sein Bestes gibt und das wieder wett macht. Oder einen extra starken Kaffee mitbringt. Ah, da kommt ja schon der nächste."
Ich hob den Kopf und sah einen Mann herein kommen. Er hatte dunkle braune Locken und markante Augenbrauen. Passend dazu trug er ein weißes T-Shirt und eine olivgrüne Jacke. Er wirkte sehr sympathisch. „Mister Turner, kommen sie herein, kommen sie, es ist schön sie zu sehen. Und sie können mich duzen, wie jeder hier. Also los, da vorne neben der hübschen Dame in Blau", sagte Roy und zeigte auf mich. Ich lächelte vorsichtig und Turner ging zielstrebig zu dem Stuhl neben mir. „Hi", sagte er leise. Von nahem war er noch gutaussehender. Er hatte warme, schokoladenbraune Augen und ein charmantes Lächeln.
„Und da ist ja auch Misses Ward, damit wären wir vollzählig", sagte Roy und wies eine mittelalte blonde Frau auf den letzten Platz. Roy blieb in der Mitte stehen und rieb seine Hände aneinander. „Sehr schön, dann können wir beginnen. Ich denke, am besten wir stellen uns einander vor. Das wird sie wahrscheinlich an die Schulzeit erinnern, aber ich denke es ist doch immer nützlich, hm? Man macht sowas ja ständig in Theaterkursen, das kommt schon nicht von irgendwo her. Also los, los, fangen wir bei unseren Hauptpersonen, Romeo und Julia an, ja?" Er drehte sich zu mir und Turner um und machte eine ausladende Handbewegung.
„Tja also ich weiß ja nicht, was sie jetzt hören wollen, aber ich bin Aidan Turner und ich spiele den Romeo. Es ist mir eine Freude sie kennen zu lernen und freue mich auf gute Zusammenarbeit." Da hatte er sich ja ganz hervorragend vorgestellt. Aidan warf mir einen auffordernden Blick zu. „Mein Name ist Lively Campell und ich bin Julia, wie sie sich sicher denken konnten. Ehrlich gesagt, ist das meine erste Hauptrolle und ich freue mich sehr darauf. Aber ich bin immer für Tipps oder Vorschläge offen." Roy nickte und lächelte.
„Dann mache ich mal weiter", sagte ein großer dunkelhaariger Mann, „Lukas Erin, ich spiele den Mercutio." Kurz und bündig. „Mein Name ist Selina Shaw. Ich bin Mrs Capulet, also Julias Mutter", sagte die Frau von eben und lächelte mir zu, „Es freut mich sehr, dieses Stück gemeinsam mit ihnen zu inszenieren". Sie hatte ebenso blondes Haar wie ich und ich mochte sie auf Anhieb. Ich konnte sie mir sehr gut als meine Mutter vorstellen.
Es ging weiter und einer nach dem anderen stellte sich vor. Insgesamt schien Roy eine sehr gut Wahl getroffen zu haben. Von dem was ich mitbekam, passten die meisten ausgezeichnet zu ihrer Rolle. Das Aussehen war zwar nicht immer so, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber man merkte schnell, dass die Person zu der Rolle passte. Vor allem Aidan, wie ich fand. Romeo musste von einem hübschen, aber dennoch verwegen Mann gespielt werden. Ein bisschen wie ein Prinz. Und Aidan hatte das.
Roy erzählte uns noch vieles mehr über dies und das. Probezeiten, unser Zeitlimit und all das, was von Nöten war. Heute würden wir nichts spielen. Wir sollten stattdessen in Schneiderei unsere Maße geben und beim Maskenbildner Fotos von unseren Gesichtern machen lassen. Und vorher wollte Roy uns durch das Gebäude führen.
„Also los", rief er, „auf, auf. Sie können ihre Sachen mitnehmen, wir kommen sofort in den Raum für die Schauspieler", sagte er. Sofort standen alle nacheinander auf und ich nahm meine Sachen. Dabei fiel mir auf, dass Aidan auch eine schwarze Umhängetasche mitführte. Ich unterdrückte ein Lachen und konzentrierte mich lieber auf meine Sachen.
Als erstes führte er uns in einen Aufenthaltsraum. Auf der Tür stand ein Fettes for actors only, was wohl hieß, dass wir den Raum für uns hatten. Es gab eine kleine Küche hinter dem Raum, sowie Toiletten. Und in dem Raum gab es neben einem Tisch mit Stühlen auch zwei zerschlissene Sofas und einen Fernseher. An einer Wand waren Spinde. Kein Luxus, aber nicht schlecht.
„Einige von ihnen wissen ja, wie das hier abläuft. Aber für die anderen auch einmal. Wenn sie irgendetwas brauchen, sagen sie einfach Bescheid, wir besorgen das für sie. Sie können sich eines der Schließfächer nehmen, aber sie können versichert sein, dass hier nichts verschwindet, auch wenn sie es unbeaufsichtigt hier liegen lassen. Mikrowelle, Kaffeemaschine, Kühlschrank können sie alles benutzen. Bedienen sie sich ruhig. Sie können auch gleich ihre Sachen hier lassen. Aber", er hob dramatisch einen Zeigefinger, „Bitte spülen sie, was sie benutzt haben. Man ist jedens Mal erstaunt, wie viele Leute ihre Sachen ungespült herumliegen lassen. Also dann."
Gesagt, getan. Ich holte mir gleich ein Schließfach, man konnte ja nie wissen, ob nicht doch jemand neugierig wurde. Und dann scheuchte Roy uns auch gleich schon weiter, nachdem er einen Blick auf seine digitale Armbanduhr warf. Ich war froh, dass an jeder Tür Schilder hingen, denn ich konnte mir all die Räume unmöglich merken. Es gab einfach zu viele Räumlichkeiten. Als letztes führte Roy uns zur Schneiderei und verabschiedete sich mit einem „Ich bin in meinem Büro, wenn sie weitere Fragen haben, sonst sehen wir uns morgen früh. Haben sie noch einen schönen Tag und ja nicht beim Körpergewicht schummeln." Und das war es dann.
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Smoke and Roses (Aidan Turner)
FanfictionLively hat es endlich geschafft. Sie hat die Hauptrolle in dem Stück Romeo und Julia ergattert, was sie schon immer inspiriert hat. Jetzt hat sie die Chance, sich zu beweisen. Dazu kommt, dass sie ihren ganz eigenen Romeo kennen lernt. Ihren Romeo...