Kapitel 41

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Heute war Weihnachten.

Der gestrige Tag war genauso schön und magisch wie der erste gewesen – gut, Oscar Wilde hatte ich nicht mehr getroffen, und so langsam fragte ich mich ob ich mir nicht alles eingebildet hatte. Aber darüber sprechen wollte ich nicht, denn dann fühlte sich das, was man sagte, so viel realer an und ich würde wirklich glauben, dass ich mir alles ausgedacht hatte.
Wir hatten uns Versailles angeschaut, den Garten und den Spiegelsaal und hatten ziemlich viel Zeit dort verbracht. Es war wunderschön gewesen und wir hatten nicht widerstehen können, immer wieder Romeo und Julia zu zitieren. Ansonsten hatten wir das Musee D'Orsay besucht in dem van Goghs Bilder ausgestellt waren und waren abends in einem ganz normalen Restaurant gewesen. Da hatte ich mich wenigstens nicht hoffnungslos fehl am Platz gefühlt und lecker war es trotzdem gewesen.
Wir waren heute morgen schon etwas unterwegs, ein bisschen shopping und nun spazierten wir die Champs Elysee entlang. Die Bäume waren mit hunderten Lichterketten geschmückt, die in einem weißlichen blauen Licht strahlten. Hinter uns lag der Arc de Triumph, den wir natürlich auch besucht hatten, und vor uns leuchtete das Riesenrad.

„Das ist sooo schön", murmelte ich und hob die Hand um durch die niedrigen Äste der Bäume zu fahren. Ein paar Lampen streiften meine Fingerspitzen. Sie waren warm, aber nicht heiß. „Ein bisschen kitschig oder nicht?", fragte er. „Doch schon", lachte ich, „Aber ich liebe es."
Ich lehnte mich leicht gegen seinen Arm. „Ich weiß, Rapunzel." „Man ist nie zu alt für Disney", konterte ich. Ich konnte ja auch nichts dafür, dass ich Rapunzel so sehr liebte, aber es hatte mich einfach im Herzen berührt und konnte nicht anders als diesen Film zu lieben.
„Also ich bin zu alt für Disney", erwiderte Aidan, aber da war eine glatte Lüge. „Ach ja? Hast du nicht letztens noch unbedingt Mulan gucken wollen?" „Wollte ich nicht, du hast den Film ausgesucht", protestierte Aidan sofort. Ich schaute zu ihm hoch, ein grinsen im Gesicht.
„Ja und dann kam da auch noch so ein Alienfilm mit Brad Pitt und den wolltest du nicht gucken." „Niemand will sowas gucken." „Und was war mit Girl on train? Sowas guckst du normalerweise immer."
Aidan sah mich einen Moment an und suchte nach einer passenden Antwort, aber dann lächelte er und sagte: „Naja, Mulan gucke ich manchmal halt schon gerne." Ich nickte, zufrieden mit der Antwort, denn ich mochte es so viel mehr wenn er ehrlich war anstatt beweisen zu wollen wie männlich er war. Schließlich war die Definition von männlich auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Ich lächelte und wir gingen schweigend weiter. Denn man brauchte nicht immer Worte und man musste nicht zwingend miteinander reden damit man glücklich ist. Manchmal musste man den anderen einfach nur bei sich haben und man spürte, dass alles perfekt war, so wie es war.

Bald kamen wir auf den Place de la Concorde, auf dem nicht nur das Riesenrad stand sondern auch ein großer Weihnachtsmarkt lag.
„Ich hab Hunger, lass uns was kaufen", schlug Aidan vor und ich nickte. „Ich will was süßes", sagte ich und hielt auf den Süßigkeitenstand zu. „Ich aber nicht", rief Aidan aber er folgte mir trotzdem. „Du sollst das ja auch nicht essen, sondern ich", grinste ich und bestellte eine Packung gebrannte Mandeln. Sie waren noch warm, als der ältere Herr sie mir in die Hand drückte und ich begann sie sofort zu verspeisen.
Ich folgte Aidan zu dem nächsten Stand, wo er sich Pommes holte und gemeinsam setzten wir uns auf eine Bank die unter einem beleuchtetem Baum stand. Ohne ihn zu fragen nahm ich mir einen Pommes und biss hinein.
„Klau mir nicht meine Pommes, du hast selbst essen", rief Aidan, aber er meinte es nicht wirklich so. Das sah ich an seinen Augen. „Ich wollte nur einen", sagte ich trotzdem. „Kannst auch zwei haben." „Dann nehme ich drei." Und ich nahm mir drei.
„Du kannst eine gebrannte Mandel haben, willst du?", fragte ich, als er seine Pommes schneller leer gegessen hatte als ich meine Mandeln, und mit der Plastikgabel den restlichen Ketschup zusammen kratzte.
„Ich will drei", erwiderte er. „Okay, wenn du die hier mit edm Mund fängst, kriegt du drei." „Ich hab dir Pommes ohne Bedingungen gegeben", murmelte er. „Pech. Ich will dafür was sehen, das ist lustiger", grinste ich. Er seufzte aber dann machte er eine auffordernde Bewegung. „Na los, werf."
„Also gut." Grinsend setzte ich mich aufrechter hin und peilte seinen Mund an. Ich warf, Aidan warf sich halb nach vorne und fing die Mandel gerade so zwischen seinen Lippen. Grinsend zerkaute Aidan seine Mandel und ich gab ihm seinen verdienten Lohn.
Wir liefen noch etwas über den Weihnachtsmarkt und wir holten uns eine heiße Schokili. Die meisten Stände waren nicht viel anders als in London zuhause. Dafür gab es ein paar Karussells für Kinder und eine Rutsche. Trotzdem liebte ich diesen Weihnachtsmarkt denn die Atmosphere war irgendwie anders.
„Wenn wir pünktlich im Hotel sein wollen, müssen wir jetzt los", sagte Aidan irgendwann. Ich hatte völlig vergessen auf die Uhr zu schauen, aber er hatte recht.

Smoke and Roses (Aidan Turner)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt