Act 1 Scene 5

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 „Ja, das ist es", rief Roy begeistert und sprang auf, wobei er seine Teetasse umschmiss. Scheppernd fiel sie zu Boden und zerbrach. Roy sah sie kurz an und lachte dann. „Da war ich wohl etwas zu enthusiastisch."
Ich tauschte einen kurzen Blick mit Aidan und machte schon Anstalten, Roy zur Hilfe zu kommen, aber der winkte ab. „Nein, nein, macht ihr das einfach noch mal. Und ich kümmere mich hierum." hierum kümmern bedeutete in dem Fall, dass er seine knallroten Sweatjacke die vom Reading Festival - Ein Rock Festival nicht weit von London dass es seit einer gefühlten Ewigkeit gab - stammte auszog um damit den Kaffee aufzufrischen und die Scherben einzusammeln. „Jetzt guckt nicht so, die muss sowieso in die Wäsche", sagte Roy, als Aidan und ich unschlüssig da standen und ihm dabei zusahen, wie er sauber machte. „Auf, auf, ich will das ganze nochmal sehen, genau so wie eben." „Okay." Aidan straffte seine Schultern und begann.
Dieses Mal probten wir die Szene auf dem Ball der Capulets, an dem Romeo und Julia sich das erste Mal sahen und ohne zu wissen wer der andere ist, verliebten. Wobei verlieben heißt, dass sie circa 2 Seiten miteinander Sprachen. Naja, in einem Theaterstück muss man die Dinge eben etwas beschleunigen.
saints do not move, though great for prayer's sake", sagte ich vorsichtig. „Then move not, while my prayer's effect I take", sagte Aidan und beugte sich leicht vor um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Eigentlich küsst Romeo Julia richtig. Aber das konnte bis zur Aufführung warten. „Thus from my lips the sin that they have took", sagte Aidan und strich über meine Wange. Das wohl seltsamste in diesem Moment war, dass er die Worte so laut sprach, als wäre ich schwerhörig, damit sie bei Roy ankamen, und eigentlich eher geflüsterten Worten entsprachen. Dadurch fiel es mir irgendwie schwer die Stimmung der Szene zu spüren.
Then have my lips the sin that they have took", fragte ich spöttisch. "Sin from thy lips? O trespass sweetly urged! Give me my sin again." Noch einmal gab Aidan mir einen Kuss auf die Wange. „you kiss by th'book", sagte ich leise die letzte Zeile für heute.
„Großartig! Das war wirklich großartig! Anfangs dachte ich ja ehrlich ihr kriegt das nicht hin, aber ich muss mich korrigieren. Sehr gut, wirklich. Macht das morgen genauso und ich bin ein glücklicher Mann", sagte Roy und lachte zufrieden.
„Natürlich kriegen wir das hin", lachte Aidan. „Ich glaube, für heute machen wir Schluss", schlug Roy vor. Wir hatten ohnehin schon eine halbe Stunde überzogen. „Oh, sehr gut", sagte ich erleichtert und holte gleich meine Sachen. Ich musste eigentlich pünktlich sein und war schon eine halbe Stunde in Verzug. „Jetzt hab ich aber echt Hunger", fügte Aidan hinzu. „Du hast immer Hunger", lachte ich nur. Aidan grinste und zuckte mit den Schultern.

Wenig später verließen wir das Theater, was gerade hektisch im Betrieb war, wegen der derzeitigen Aufführung. Ich war froh, als wir draußen waren, aber dort erwartete mich eine klirrende Kälte. Okay, das war das falsche Wort. Eine überraschende Kälte, wenn man beachtete, dass wir Ende August hatten.
„Wow, seit wann ist es so klar geworden?", fragte ich und schlang meine Arme um meinen Körper. „Weiß nicht. Ich find's nicht kalt", sagte Aidan und zuckte mit den Schultern. Aber er hatte ja auch eine lange Jeans an, während ich ein knielanges dünnes Kleid trug. Seit ich den Job hatte, hatte ich auch irgendwie das Bedürfnis mich mädchenhaft und in hellen Farben zu kleiden. Es half mir irgendwie Julia zu sein.
„Ja du", gab ich unwirsch zurück. Wortlos schälte Aidan sich aus seiner Jacke und hielt sie mir dann hin. „Vielleicht wird dir dann wärmer", sagte er mit einem süßen Lächeln. Dankbar nahm ich die Jacke an und schlüpfte hinein. Sie war mir etwas zu groß, aber sie war warm. Aidan vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Seine nackten Arme wirkten in der Dunkelheit neben seinem schwarzen T-Shirt fast weiß. „Danke", sagte ich leise. „Besser?", frage Aidan. Ich nickte und eine Weile gingen wir schweigend durch die Nacht. Es war immernoch viel los sodass man hätte denken können es wäre noch mitten am Tag.
„Darf ich dich mal was fragen?", fragte ich leise und sah zu ihm auf. „Klar. Was denn?" „Wieso wolltest du Romeo und Julia spielen? Ich meine wieso gerade dieses Stück?" „Wieso ist das wichtig?", fragte er. „Naja nicht wichtig. Es interessiert mich einfach." Ich zuckte mit den Schultern und schaute über die Themse. Die Lichter der Stadt spiegelten sich wunderschön im Wasser.
„Also eigentlich, ich wollte unbedingt Mal Romeo spielen." Wirklich? Er wollte einfach Romeo sein? Das war ja fast so wie ich schon immer Julia sein wollte. Ich kicherte leise.
„Vielleicht klingt das komisch, aber Ich hab mal Paris gespielt vor ein paar Jahren und irgendwie wollte ich einmal Romeo sein. Oder Hamlet oder Macbeth. Eben eine der Hauptfiguren. Es klingt einfach doof wenn man gefragt wird, ob man schon mal Shakespeare gespielt hat und man sagt ‚Ja klar, Romeo und Julia. Aber gespielt hab ich PariS', und alle einen komisch ansehen."
Ich schüttelte den Kopf. „Also mit anderen Worten, du willst Romeo sein, weil Paris dir zu schlecht ist?", fragte ich amüsiert. Aidan fing an zu lachen. „Ja, so kann man es wohl auch sehen." „naja, Hauptsache du hast nicht gesagt, dass du keine andere Möglichkeit hattest." Aidan wurde leicht rot. „Naja, es war jetzt nicht so, dass es unbedingt Shakespeare sein musste..." Ich sah ihm empört an. „Das hättest du jetzt ruhig für dich behalten können." „Zu spät. Aber was ist mir dir? Wieso wolltest du Julia sein."
„Ich fand Romeo und Julia schon immer am schönsten von Shakespeare Stücken. Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich liebe Shakespeare. Ich lese generell gerne Klassiker. Naja, es war schon immer mein Wunsch, Julia irgendwann mal zu spielen. Seit ich angefangen habe, Theater zu spielen. Und ich wollte halt richtig Julia sein, nicht nur in einem doofen Schultheater, weißt du? Und wo kann man besser Julia sein, als im Globe?"
Ich lächelte Aidan zu und er erwiderte das Lächeln. „Tja, das stimmt wohl. Und dann ist das auch noch deine erste große Rolle." „Naja, ich habe schon große Rollen gespielt, nur eben nicht die Hauptrolle. Und wie es aussieht fand Roy einfach, dass ich darein passe." „Tust du ja auch", sagte Aidan.
„Ach was." Ich stupste ihn leicht mit der Schulter an und er lachte. „Doch, wirklich. Ich finde du passt perfekt dazu. Vor allem in diese italienische Renaissance."
„Du findest also ich sehe aus als gehöre ich ins 16. Jahrhundert?" „Nein, natürlich nicht, so meinte ich das jetzt nicht, du ähm..." „Schon gut", unterbrach ich Aidan lachend, „Ich habe schon verstanden wie du das meinst. Und überhaupt, ich hätte es als Kompliment genommen."
Er sah erleichtert aus und nickte. Eigentlich sah ich seine Bemerkung eher als Kompliment.

Smoke and Roses (Aidan Turner)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt