Kapitel 21

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Nach dem Spaziergang mit Dean hatte ich mich entschieden, Grace einen Besuch abzustatten. Sozusagen die erste Kiste ausräumen. Oh Gott, jetzt benutze ich diese schlechte Metapher auch noch selbst. Jedenfalls, ich ging nicht nach Hause wie eigentlich geplant, sondern ging zu Grace. Ich hasste es nämlich, am Telefon wichtige Gespräche zu führen.
Es war schon Abend und damit dunkel, als ich an ihrer Tür klingelte. Nach ein paar Minuten öffnete sich dir Tür und Grace stand vor mir. Sie sah überrascht aus. „Was machst du denn hier?", fragte sie lauernd . Als erwartete sie, ich würde ihr jetzt einen Kuchen über den Kopf schmeißen und wegrennen oder so.
„Ich wollte mich entschuldigen. Und dir was erklären."
Ein Lächeln sprang auf Grace' Lippen. „Gern, komm doch rein." Ich folgte ihr durch den Hausflur und dann in ihre Wohnung." Sie lebte in einem Reihenhaus in der Erdgeschosswohnung. Damit hatte sie zwar keinen Balkon aber ein Vorrecht auf den Garten, der trotzdem im Sommer immer zum Streitobjekt von allen Hausbewohnern wurde, die grillen wollen.
Ich folgte ihr in die Küche. Dort stand ein Blech mit Blaubeermuffins. Immer, wenn Grace aufgewühlt war, fing sie an zu backen. Angeblich weil sie dann nicht stillsitzen konnte. Aber ich wusste auch, dass sie dann immer in Gedanken war und Ewigkeiten über eine Sache nachdachte und ich mich immer wieder fragte, wie sie in der Lage war, zu backen ohne tausend Fehler zu machen.
„Willst du einen?", fragte Grace und deutete auf besagte Muffins.
„Ja gerne."
„Also, es tut mir leid. Du hast sicher deine Gründe, wenn du noch wartest, ich hätte dich nicht so deswegen anschreien dürfen", sagte sie und stellte mir anstatt einen, zwei Muffins vor die Nase. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, mir tut es leid. Ich weiß ja, dass du mir nur helfen wollest."
„Ich würde sagen, wir haben uns beide danebenbenommen." Sie lächelte kurz. Ich nahm tief Luft um die verdammte Kiste auszuräumen.

„Also, ich hab dir nicht alles gesagt, was Sebastian betrifft. Er ist sehr...sagen wir, sehr besitzergreifend. Er würde nicht zulassen, dass ich einfach so gehe. Und wenn ich ihm von Aidan erzähle..." Ich schüttelte den Kopf und beschloss, es ihr einfach zu zeigen. Also zog ich meinen Pullover hoch.
„Was machst du da?", fragte Grace erschrocken und sah mich etwas verstört an.
„Siehst du das?" Ihr Blick wanderte auf meinen Bauch und sie runzelte die Stirn. „Das war Sebastian."
Ihr verwirrter Blick verwandelte sich in einen Entsetzten. „Du meinst er schlägt dich? Verletzt dich?" Ich nickte.
„Dieses Arschloch! Dieses verdammte Arschloch! Dem werde ich mal meine Meinung geigen, der wird noch sein blaues Wunder erleben, dieses feige Schwein! Der kann mal selbst geschlagen werden, ich..."
„Grace!", unterbrach ich sie laut, „Du machst gar nichts, okay? Das ist der Grund, dass ich dir nichts erzählt hab. Du gehst da bestimmt nicht hin."
„Und ob. Und dann kriegt der einen Mikazukigeri ins Gesicht!"
„Also erstens hast du schon viel zu lange kein Karate mehr gemacht und zweitens würde er zurückschlagen und er ist immernoch stärker als du."
Grace machte ein beleidigtes Gesicht. „Das kann er aber doch nicht machen? Wie passiert das denn? Seit wann macht er das?"
„Wenn wir streiten, oder wenn er trinkt. Dann verliert er seine Beherrschung", sagte ich leise.
„Wieso hast du ihn denn nie früher verlassen? Ich hätte dir doch geholfen."
„Er ist ja nicht nur schlecht. Ich hatte gehofft, dass sich das legt..." Ich schwieg. Ich wusste, dass ich naiv war. Dass ich an das Gute im Menschen glaubte. Dass ich nicht loslassen konnte.
„Als würde sich das legen! Ich wette, er ist einer dieser Kerle, die sich dadurch stark fühlen, Schwächere zu schlagen. Der war doch mal Quarterback oder? Hat sicher immer die Nerds verprügelt."
Plötzlich musste ich lachen. Er war wirklich mal Quarterback gewesen, aber hatte nebenbei eine ziemlich gute schulische Leistung hingelegt, weshalb er angeblich beliebt gewesen war. Trotzdem war die Vorstellung, dass er armen picklige Nerds die Brille kaputtschlug, nicht auszuschließen.
„Wieso lachst du denn jetzt?"
„Weil ich mich frage, wie ich mich in so einen oberflächlichen Typen verlieben konnte." Ich hatte nämlich zu den Mädchen gehört, die die meiste Zeit in der Bibliothek verbrachten und jeden zweiten Menschen in der Schule hasste und da gehörten die beliebten Schläger nun mal an oberste Stelle.
„Das kannst du laut sagen", sagte Grace und musste jetzt auch lachen. Sie war damals nämlich nicht anders als ich gewesen.
„Wenn ich Schluss gemacht habe, kann ich dann zu dir kommen? Es ist ja schließlich seine Wohnung und ich will nicht gleich bei Aidan einfallen", fragte ich Grace.
„Natürlich kannst du das. Ich hab zwar nur ein Bett, aber auf der Couch kann man schlafen und wir können auch einfach noch eins kaufen", sagte Grace und hatte schon wieder diesen geschäftigen Ausdruck auf den Gesicht. „Sonst hab ich ja auch alles, also eigentlich steht dem nichts im Wege, die Frage ist nur, wo das Bett hinkommt. Wenn es nicht zu groß, können wir das in mein Zimmer stellen..."
„Grace", unterbrach ich sie und zog die Augenbrauen hoch.
„Was?"
„Mach mal halblang. Das können wir alles klären, wenn es soweit ist. Warten wir erst mal ab, okay?"
„Okay." Ich lächelte ihr zu und sie erwiderte das Lächeln. Jetzt hatte ich immerhin einen Schlafplatz, wenn es soweit war.

Smoke and Roses (Aidan Turner)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt