Kapitel 27

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Viel zu schnell ging mir die Luft aus und Aidan hatte immer noch einen riesigen Vorsprung. Auf der Millennium Bridge beschloss ich einen Sprint einzulegen, dabei konnte ich noch nie sprinten. Das musste das Adrenalin sein. Oder was auch immer.
Ich erblickte Aidan, den einzigen Menschen außer mir auf dieser verdammten Brücke und er war zu weit weg. Trotz meiner Atemlosigkeit holte ich tief Luft und schrie seinen Namen. Ich hätte ein Krächzen erwartet, aber ich schrie seinen Namen laut und er drehte sich um.
Ich setzte mich wieder in Bewegung, wenn auch langsamer und dieses Mal kam Aidan mir entgegen, anstatt wegzulaufen. „Aidan!", rief ich und lief die letzten Meter doch wieder. Ich war einfach so erleichtert, ihn eingeholt zu haben, dass ich ihm um den Hals fiel.
Ich konnte nicht anders, aber ich fing an zu weinen und vergrub mein Gesicht an Aidans Schulter. Das Schlechte Gewissen wegen Sebastian, dass Aidan so übel zugerichtet wurde, dass der ganze Abend so übel verlaufen war, dass Aidan vorhin meine Hand weggeschlagen hatte und dass ich keine Luft mehr bekam, alles brach auf mich herein und ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
Zögerlich legte Aidan seine Arme um mich und hielt mich fest.
"Liv..." Ich schüttelte den Kopf.
"Sag jetzt nichts." Also sagte er nichts sondern hielt mich einfach nur fest, so wie ich es wollte. Wir blieben wir noch eine Weile so stehen, bis meine Tränen versiegten und ich mich von Aidan löste um ihn anzusehen.
"Liv, tut mir leid wegen eben, aber der Typ hat es nicht anders verdient. Irgendwann muss er kapieren, dass er dich in Ruhe zu lassen hat."
"Ich weiß. Aber Gewalt ist auch keine Lösung. Und wieso bist du weggelaufen?" Aidan zuckte nur mit den Achseln. "Auch egal."
Ich seufzte. Er wollte nicht darüber reden, also würde ich es bleiben lassen. „Aidan, wir müssen uns um dein Auge kümmern."
Wieder zuckte er nur mit den Schultern und machte sich auf den Weg nach Hause.
„Aidan, jetzt warte doch mal." Ich holte auf und sah ihn von der Seite an.
„Was denn?"
„Bist du sauer auf mich?", fragte ich ängstlich.
Aidan blieb stehen und sah mich an. "Sauer? Natürlich bin ich sauer, aber nicht auf dich. Auf ihn. Jedes mal, wenn ich daran denke, was er dir angetan hat, will ich zurück rennen und ihn nochmal schlagen! Und dann nimmt er sich die Frechheit heraus und meint dich mir wegnehmen zu wollen."
Aber so wie er mich ansah, war ich mir da nicht sicher. Seine Augen wirkten kalt und wütend und schienen mich anklagend anzusehen. Ich wusste nicht wieso, aber er war auch auf mich sauer. Er wollte es mir nicht sagen, aber ich wusste es.
„Aidan, es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass er so reagieren würde, ehrlich." Er atmete tief durch. „Was sollte das überhaupt mit diesem meine Liv würde Sowas nie sagen? Hat sich angehört, als hättest du ihm früher nie ein Widerwort gegeben."
„Klar hab ich das", antwortete ich schnell. Eigentlich war diese Aussage darauf bezogen gewesen, dass ich ihm trotz der Widerworte und des Streits immer eine Chance gegeben hatte.
„Ach ja?"
„Ja, Aidan. Denkst du etwa ich hatte keine eigene Meinung? Das einzige was ich nie getan habe, war ihm nicht zu verzeihen und ihn zu verlassen und das kriegt er nicht in seinem dämlichen Schädel rein." Jetzt war ich auch ein bisschen sauer.
„Lass uns einfach nach Hause gehen", sagte Aidan und setzte sich wieder in Bewegung. Ich sagte nicht dagegen, denn ich wollte selbst nicht streiten und ich musste mich dringend um sein Auge kümmern.

Schweigend gingen wir den Weg bis zu ihm und auch als wir drinnen waren, schnappte er sich schweigend seine Zigaretten und verschwand auf dem Balkon.
Zögernd folgte ich um stellte mich neben ihn ans Geländer. Draußen war es stockdunkel, aber die Geräusche der Großstadt drängen laut wie eh und je an mein Ohr. In einer Stadt wie dieser, war es niemals wirklich still. In der Ferne hörte ich ein Martinshorn. Offenbar war Sebastian nicht der einzige verletzte an diesem Abend.
Ich drehte den Kopf und sah Aidan an. Er wirkte plötzlich sehr müde. Grimmig, aber müde. Und ich fühlte mich genauso. Ich war es leid. So schrecklich der Abend auch gewesen war, hoffte ich doch, dass Sebastian nicht mehr auftauchen würde. Viel zu lange machte er mir mein Leben schon schwer.
"Darf ich auch mal?", fragte ich und deutete auf die Zigarette. Aidan nickte und gab sie mir. Früher hatte ich auch geraucht, aber Sebastian hatte mir das abgewöhnt, weil das ja nicht gut für den Körper war. Und in diesem Moment, da brauchte ich es einfach.
Ich nahm einen tiefen Zug, schloss die Augen und atmete langsam aus. Widerwillig gab ich sie Aidan zurück, aber er winkte ab und zündete sich eine Zweite an. So standen wir schweigend nachts um halb zwei auf der Terrasse und rauchten. Und mit jedem Zug fühlte ich mich besser. Vielleicht weil ich langsam ruhig wurde oder vielleicht weil es Aidan war, der neben mir stand.
Ich schnippte den Rest der abgebrannt Zigarette gleichzeitig mit Aidan weg. "Darf ich mir das mal ansehen?", fragte ich und zeigte auf sein Gesicht. Aidan nickte. Ich zog ihn nach drinnen und setzte ihn in die Küche. Zunächst wusch ich das getrocknete Blut sanft von seinem Gesicht. Seine Lippe war aufgeplatzt und über dem blauen Auge an der Augenbraue war eine kleine Wunde.
„Ist halb so wild", sagte er, als er meinen besorgten Blick bemerkte.
„Hmm. Sagt du das jetzt nur so?" Er lächelte kaum merklich.
„Nein, das sage ich, weil es stimmt. Thor würde das auch nicht stören."
Ich fing an zu lächeln, einfach weil ich erleichtert war, dass er nicht mehr schwieg sondern von Thor sprach. Als wollte er mir damit sagen, dass er nicht mehr sauer war und das beruhigte mich.
Ich besorgte Pflaster und Salbe und verarztete ihn. „Sag nichts, ich würde auch Thor verarzten", sagte ich, bevor er einen Kommentar abgeben konnte.
„Ist ja schon gut. Ich sag ja nichts." Brav ließ er sich die Salbe auftragen und seine braunen Augen fixierten mich, wie ich behutsam die Salbe auf seine Augenbraue schmierte.
„Was denn?", fragte ich.
„Was meinst du? Ich mache doch gar nichts."
„Du siehst mich so komisch an", murmelte ich. Er grinste und ich sah, wie seine Lippe wieder etwas aufplatzte.
„Ich sehe dich einfach nur an, weil du wunderschön bist."
„Halt lieber den Mund und schleim nicht. Tut dir nicht gut", murmelte ich und betrachtete das frische Blut auf seiner Lippe. Aber Aidan ließ sich nicht den Mund verbieten und sprach weiter.
„Außerdem, wo soll ich sonst hingucken, wenn da nichts ist außer deinem Gesicht vor mir."
„Jaja, schon gut. Aber deine Lippe ist aufgeplatzt. Hör auf zu reden." Ich streckte Einen Finger aus, um das Blut wegzzwischen, aber Aidan lachte leise und hinderte mich daran. „Ich werde bestimmt nicht aufhören zu sprechen. Und verbieten zu lachen kannst du mir auch nicht."
Seufzend lehnte ich mich zurück und sah ihn intensiv an. „Mister Aidan Turner. Mir der Einstellung wird deine Lippe nie und nimmer heilen und nur damit du es weißt. Ich werde dich nicht küssen, bis das nicht verheilt ist."
Aidan sah mich erschrocken an, als hätte er das ganz vergessen. "Aber, was mach ich denn dann? Ich kann ja schlecht aufhören zu reden."
Ich zuckte nur mit den Achseln und griff mach einem Taschentuch. „Doch kannst du." Also hielt Aidan brav den Mund. Ich versorgte seine Lippe und ignorierte seinen Blick der auf mir lag, als ich die Salbe auftrug und das Pflaster drauf klebte. Durch diese schweigsame Arbeit schweiften meine Gedanken zum heutigen Abend. Wie anders hätte er doch verlaufen können, ohne Sebastian. Aber so war es nun mal und morgen würden wir wieder dorthin gehen.
Morgen. Aidan musste morgen Theater spielen. Dieser Gedanke traf mich wie ein Blitz. „Aidan!", rief ich erschrocken, „So kannst du kein Theater spielen!"
„Ach nee", nuschelte er und versuchte seinen Mund so wenig wie möglich zu bewegen.
„Oh Gott. Roy wird uns umbringen! So kannst du doch nicht auf die Bühne!"
„Jetzt mach mal halblang", nuschelte Aidan und alleine durch sein komischen Genuschel verflog meine Panik und ich spürte ein Lachen in meiner Brust aufsteigen, „Ich kann trotzdem noch spielen. Muss Jon mich halt gut schminken."
Ich kicherte leise. „Und einen Romeo mit Sprachfehler ist doch auch mal was Neues." Aidan rümpfte die Nase und sah auf einmal noch unzufriedener aus als eben.
„Na toll. Die Leute werden mich für total dämlich halten." Ich zuckte nur mit den Schultern und lachte, wenn ich daran dachte, wie Aidan so morgen seinen Text aufsagen würde.

Smoke and Roses (Aidan Turner)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt