No. 35

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Als wier wieder hinunterfahren, weiß ich nicht, wohin ich schauen sollen, oder was ich sagen soll. Doch Alex behandelt mich wie immer. Für ihn ist es wahrscheinlich gar nichts neues.

Wie lange hat er es schon geahnt?

Seit wann überlegt er mir diese Frage zu stellen?

Was denkt er jetzt von mir?

Ahnt er, was für ein Monster ich bin?

Dass ich darüber nachgedacht habe, Katy zu töten?

Dass ich mich nicht unter Kontrolle habe?

Dass ich auch für ihn eine Gefahr bin?

Wie lange wird es noch dauern, bis er das herausfindet?

Bis er sich von mir trennt?

Wie viele glückliche Stunden bleiben uns noch?

Monate, oder doch nur Wochen oder Tage?

Mein Kopf ist voll ich weiß, dass sich das auch auf meinen Zügen wiederspiegelt. Ich spüre, das Alex das auch merkt, er fasst nach meiner Hand und drückt sie kurz, lächelt mich an.

Und wie immer habe ich das Gefühl, dass sich all die Wogen wieder glätten und die Unruhe verschwindet.

Etwas entspanner gehe ich zum Bus und setze mich in einen der Sitze. Die Fahrt geht schweigend vorüber, die anderen wirken etwas schläfrig und auch ich schaue aus dem Fenster und genieße den Anblick der vorüberziehenden Lichter von Paris.

In der Jugenherberge gehen alle ziemlich schnell ins Bett.

Ich hocke auf dem Bett von Alex und warte, bis er aus dem Waschraum zurückkommt. Durch meinen Kopf rauschen die Gedanken, zu viele Bilder für den Moment, zu viel, zu viel, zu viel.

„Charly?“ Ich habe nicht mitbekommen, dass er zurückgekommen ist.

Das ist mir noch nie passiert. Er legt sich hin und zieht mich an seine Brust. Das Gefühl seiner Arme um meinen Körper lässt mich besser fühlen, dann flüstert er in mein Ohr.

„Für mich ist das überhaupt nichts Neues. Ich weiß schon seit längerem, dass mit dir... nicht alles normal ist. Und das ist nur noch einmal die Bestätigung gewesen. Das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich“

Ich drehe mich zu ihm und schaue ihm in die Augen.

Er ahnt von nichts. Wen er wüsste, dass... Ich wage es nicht, den Gedanken zu Ende zu führen, sondern nicke nur stumm.

Es bringt nichts, wenn ich mich jetzt damit fertig mache.

Wenn es soweit ist, werde ich verschwinden, aber bis dahin werde ich bei ihm bleiben.

Hier, in seinen Armen, den Kopf auf seiner Schulter, die Augen halb geschlossen. Glücklich.

~*~

Der nächste Tag ist schon der letzte.

Ich kann es nicht fassen.

Die Zeit ist so verdammt schnell vorbei gegangen.

Mitlerweile hat auch Jenns Blutung aufgehört und ich traue mich zurück in unser Zimmer. Sie grinst mit entgegen, unbekümmert wie immer.

„Und, hattest du eine gute Zeit mit Alex?“, fragt sie nur grinsend und zwinkert mir zu.

Ich nicke.

Jenn zieht ihre Lautsprecher heraus und schließt ihr Handy an, dann macht sie irgendein Lied an und wir beginnen halb tanzend, halb singend damit zu Packen.

Wir brauchen nicht lange und gehören heute deshalb zu der Gruppe, die das Holz für das Lagerfeuer zusammensucht.

Ich staple die Äste auf meinem einen Arm, immer auf Jenn achtend, um nicht zu schwer für einen Menschen zu tragen.

Langsam machen wir uns auf den Weg zurück und beginnen dort, alles in Form zu bringen.

Das Anzünden überlassen wir Ryan, der in diesem Moment das Gebäude verlässt und sich zu uns gesellt. Dass ich in Flammen aufgehe würde mir gerade noch fehlen.

Schweigend betrachten wir, wie sich das kleine Flackern seinen Weg bahnt und schließlich das ganze Holz in Flammen steht. Die anderen kommen nach und nach hinzu, Ryan verschwindet noch einmal, um seine Gitarre zu holen.

Ich lehne mich gegen Alex, der mich lächelnd näher an sich zieht. Mehrere Lieder verklingen in der Dunkelheit, bis Ryan sich umschaut.

„Hat noch jemand einen Wunsch für ein Lied?“

Niemand meldet sich, also hebe ich meinen Arm. „Kennt ihr Iris? Von Sleeping with Sirens?“

Ich habe Glück, er nickt und auch einige andere stimmen zu. Ryan beginnt die ersten Akkorde zu spielen und ich räuspere mich, um anfangen zu singen.

And I'd give up forever to touch you // 'cause I know that you feel me somehow // You're the closest to heaven that I'll ever be // And I don't want to go home right now“

Ich wende mich zu Alex und schaue ihm direkt in die Augen, während ich die Worte formen. Er soll es wissen. Wie viel er mir bedeutet. Dass ich meine Ewigkeit aufgeben würde, um mit ihm zusammen zu sein, dass er das Beste ist, das mir je passiert ist.

And all I can taste is this moment // And all I can breathe is your life // 'cause sooner or later it's over // I just don't want to miss you tonight“

Eines Tages würde ich ohne ihn leben müssen. Eines Tages würde er sterben. Eines Tages würde ich alleine sein. Ich bin eine Gefahr für ihn, dessen bin ich mir bewusst, doch es ist mir egal. Ich möchte einfach nur bei ihm sein.

And I don't want the world to see me // 'cause I don't think that they'd understand When everything's made to be broken // I just want you to know who I am“

Er darf es nicht wissen, niemand darf es wissen. Sie werden es nicht verstehen, sie werden mich verstoßen. Eines Tages, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gäbe, würde ich ihm von mir erzälen. Doch dieser Moment war noch nicht gekommen.

And you can't fight the tears that ain't coming // Or the moment of truth in your lies // When everything feels like the movies // Yeah, you'd bleed just to know you're alive“

Ich kann nicht gegen die Tränen ankämpfen, die nicht kommen und auch wenn sich all das hier wie ein merkwürdiger, surrealer Film anfühlte, war es noch nicht so weit.

In Alex' Adern floss noch Blut. Er war noch am Leben.

Und auch wenn er in meinen Lügen die Wahrheit erkannte, würde das nichts an unserer Situation ändern.

Der Refrain beginnt wieder und ich sehe Alex' Augen verräterisch glänzen.

Leise stehe ich auf und gehe, bevor die letzen Töne verklungen sind.

Ich höre seine Schritte hinter mir, bleibe stehe und werfe mich in seine Arme, bevor ich länger darüber nachdenken kann.

Seine Arme um meinen Körper.

Meine Arme um seinen Körper.

Sein schlagendes Herz an meiner kalten Brust.

In diesem Moment fühlt es sich richtig an.

Charlotte Cullen | Twilight FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt