No. 5

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Seit Tagen, nein, Wochen habe ich meine Position nicht verändert.

Warum auch, meine Muskeln protestieren nicht mehr, das einzige, was mein Körper meldet, ist Hunger, doch den dränge ich aus meinen Gedanken.

Ich sitze einfach auf dem Bett in meinem Zimmer und starre aus dem Fenster.

Doch eigentlich befinde ich mich nicht hier, ich bin bei meiner Familie.

Die ich nie wieder sehen werde.

Die Cullens haben mir erklärt, warum ich sie nicht sehen darf und ihre Argumente sind einleuchtend. Meine Schmerzen stillen sie trotzdem nicht.

Es ging mir eigentlich ganz gut, bis Edward Jasper angeschaut hat. „Lass sie trauern“, hat er gesagt. Ich habe die Worte nicht verstanden, doch Jasper verließ den Raum. Das Gefühl, das er mir vermittelt hat – seine Gabe, wie ich nun weiß – und mich wie Morfium beruhigt hat, ist mit ihm gegangen.

Und die Verwirrung, Angst und der unglaubliche Schmerz brachen über mich hinein.

Ich höre das zaghafte Klopfen an der Tür.

Einer von ihnen wird wieder nach mir sehen, das tun sie jeden Tag. Am Anfang war ich einfach still und habe gewartet, bis sie wieder gehen, doch nach ein paar Tagen – Esme stand hinter der Tür – habe ich sie hineingelassen.

Für kurze Zeit vertreiben sie die Dämonen in meinem Kopf.

Carlisle erzählt mir die Geschichte der Vampire, von den Volturi. Von Rosalie weiß ich das mit den besonderen Gaben. Alice redet meistens über Mode und Emmett über die Jagd. Edward sprach von Werwölfen, Jasper von Neugeborenen und zeigte mir seine Narben.

Aber irgendwann schaffe ich es nicht mehr, mich auf sie, auf etwas anderes als meinen Verlust, zu konzentrieren und schweife ab. Dann lassen sie mich wieder in Ruhe.

Nach unten, ins Wohnzimmer, bin ich seit der Nacht, in der ich ankam, kein einziges Mal mehr gegangen. Ich ertrage die Gesellschaft von mehreren Personen im Moment einfach nicht.

„Herein“, sage ich. Heute ist es Jasper.

„Du musst jagen gehen“, ist alles was er sagt.

Seine Worte bringen den Hunger zurück und ich merke, wie groß er ist. Ich kann ihn nicht mehr ignorieren. Also erhebe ich mich vom Bett und folge Jasper hinunter in die Garage.

„Wir fahren weiter weg, wo nicht die Gefahr besteht, dass du einem Menschen begegnest“ Stumm nickend nehme ich auf dem Beifahrersitz Platz.

Heute verstehe ich auch, dass die Duftsteine den Geruch von Menschen übertünchen sollen.

Die Fahrt dauert nicht lange und ich meine den Abschnitt des Waldes wieder zu erkennen, in dem ich nach meiner Verwandlung aufgewacht bin.

Auf einer Lichtung warten die anderen Cullens und mir wird unwohl. Nicht nur, dass ich zum ersten Mal, seit ich mich zurückgezogen habe, wieder mit mehreren Personen unterwegs bin, auch weil ich Angst habe einen Fehler zu machen. Ich will zurück ins Auto, zurück in mein Zimmer, am liebsten allein sein.

Jasper hat wohl meine Stimmungsschwankung bemerkt, doch er tut nichts dagegen. Er lächelt mich einfach an und flüstert mir ein „Das schaffst du schon, Charlotte“ zu.

Es geht mir tatsächlich etwas besser und auch die Begrüßungsumarmungen der anderen tuen gut.

„Deine erste Jagd!“, freut sich Alice und hüpft gespannt auf der Stelle. Sie ist ja schon irgendwie merkwürdig, aber ich mag sie, vielleicht genau deswegen.

„Es ist sehr wichtig, dass du lernst, deinen Durst zu kontrollieren“, beginnt Edward „damit niemand zu schaden kommt“ Er mustert mich kurz, und ich merke wie sehr ihm das am Herzen liegt.

Ich nicke. Rose tritt nach vorne. Sie sagt mir was ich zu tun habe, dann folge ich ihren Anweisungen.

Rieche, höre. Ein Knacken.

Kaum habe ich es vernommen, bin ich auch schon auf dem Weg.

Es ist unglaublich, wie schnell ich bin und kurz genieße ich das berauschende Gefühl des Rennens. Sich nur seinen Gefühlen und Instikten hinzugeben. Mein Kopf wirkt leer, nur der innere Kompass, der mich zu meiner Beute führt, bleibt.

Das Reh ist noch jung. Und älter wird es nicht mehr.

Das Blut strömt aus der Ader in meinen Mund, gierig schlucke ich, bis es nichts mehr gibt. Carlisle hatte Recht – Menschenblut ist tatsächlich besser, aber schlecht schmeckt das von Tieren auch nicht. Mein nächstes Opfer ist ein Wildschwein, dann noch eins, dann bin ich erst einmal gesättigt.

Emmett gratuliert mir grinsend, auch die Anderen wirken stolz und plötzlich bin ich doch froh, nicht mehr allein zu sein.

Charlotte Cullen | Twilight FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt