2. Kapitel

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"Nina Cabot."

Wie, als würde ich mich für etwas wappnen, schloss ich die Augen udn atmete einmal tief ein und aus.

"Na wo steckst du?"

Ich öffnete meine Augen wieder und entkrampfte mein Hände, die ich vorher die ganze Zeit zu Fäusten geballt hatte.

"Du brauchst dich nicht zu verstecken, wir finden dich sowieso"

Zacharia ließ ihr grauenvolles, künstliches Lachen hören.Ich straffte die Schultern und setzte einen Fuß vor den anderen, bis ich am Podest angelangt war.

"Ah, da ist unsere Tributin ja endlich! Mein Glückwunsch!", quietsche Zacharia entzückt und setzte ein barbie-ähnliches Lächeln auf. Wie in einem Traum stieg ich die Treppe hinauf und drehte mich zu den Bewohnern von meinem Distrikt. Mit meinem Blick suche ich den von Mela. Sie war meine einzige und beste Freundin.

Da. Dort stand sie. Soe insam und allein. Sie brauchte mich unglaublich. Aber vor allen Dingen brauchte ich sie. Nur wegen ihr lebte ich. In diesem Moment beschloss ich etwas. Ich würde ab jetzt alles tun um wieder aus der Arena heraua zu kommen. Hauptsache ich kam wieder zu ihr zurück.

Die Tränen tropften von ihrem nassen Gesicht ungeachtet auf den Boden. Langsam schüttelte sie ihren Kopf hin und her, so als könnte sie nicht glauben, dass ich dort oben stand. Doch ich konnte es ja selbst kaum realisieren und war ebenfalls den Tränen nahe, doch ich zwang mich, nicht zu weinen. Ich konnte den Blick nicht von ihr reißen und starrte in ihre traurigen, braunen Augen. Sie schaute mich unter Tränen ebenfalls an und lächelte schwach. Dann drehte sie sich um und rannte davon. Natürlich hielt sie niemand auf.

Nun riss mich Zacharias Stimme aus meiner Starre. "Nun, kommen wir zu den Herren."

Sie ging zur zweiten Lostrommel und griff hinein. Dann faltete sie den Zettel auseinandef und sprach laut und deutlich ins Mikrofon: "Sam Cabot."

Mein Bruder. Natürlich. Wer auch sonst? War ja auch voll normal, dass zwei Geschwister gleichzeitig in die Arena mussten. Mela würde jetzt nur sagen: Ironie des Schicksals... Doch meine Mutter würde sich sogar freuen, weil jetzt sogar zwei ihrer drei Kinder die Ehre hatten, den Tribut ihres Distriktes zu vertreten. Aber ich konnte es ehrlich gesagt nicht so richtig glauben. Das musste doch ein technischer Fehler sein! Nein, das machte die Show für's Kapitol perfekt! Da kam Sam, stolz wie Oskar auf die Bühne zumarschierend. Mum hatte Tränen in den Augen, höchstwahrscheinlich vor Rührung und Glück. Sam stellte sich neben mich und lächelte mir glückselig zu. Aber ich lächte nicht zurück. Krank war das alles, krank! Das war nicht meine Familie, dass waren Geistesgestörte! Mein einzige Familie war Mela, denn ich hatte niemand anderen mehr.

"Anscheinend haben wir dieses Jahr etwas ganz besonderes! Zwei Geschwister!", flötete sie, klatschte einmal die Hände zusammen, gab einen gespielten Seufzer der Glückseligkeit von sich und fuhr dann fort. "So Tribute, schüttelt euch die Hände auf weitere, fantastische Hungerspiele!"

Wie mechanisch gab ich meinem Mittribut, beziehungsweise meinem Bruder die Hand.

"Nun dann kommt mal mit" sagte sie leise, sodass nur wir Beide sie hören konnten. Sie schob uns ins Justizgebäude. Dort wurde ich von Friedenswächtern wie eine Gefangene in die Mitte genommen und in einen leeren Raum geführt. Die Wände waren mit verschnörkelten und goldverzierten Wandmalereien versehen, die so aussahen, als hätten sie ein Vermögen gekostet. Der einzige Gegenstand in diesem Raum war ein teuer aussehender und ebenfalls goldverzierter Stuhl. Hinter mir wurden die Türen lautlos geschlossen und ich war endlich alleine. Ich setzte mich auf den Stuhl und schloss die Augen. Würde Mela kommen? Oder hatte sie mich schon aufgegeben? Das wäre ein guter Grund dafür gewesen, weshalb sie weggerannt war.

Ich hörte, wie plötzlich die Tür aufging und eine Person herein kam. Vermutlich Mum, denn man hörte Stöckelschuhe auf dem Boden klackern. Ich wollte nicht mit ihr sprechen, ich wollte bloß zu Mela. Trotzdem öffnete ich die Augen und schaute auf. Ich blickte in die strahlenden blauen Augen meiner Mutter, die jetz auf mich zugelaufen kam. "Oh Nina, das ist ja WUNDERVOLL! Endlich hast du die Chance zu zeigen was in dir steckt! Du wirst sie alle schlagen und deinen Distrikt ehrenvoll vertreten! Ich seh es jetzt schon vor mir, wie dir auf der Tour der Sieger alle Leute Rosen zuwerfen!" Sie versank in Träumereien und ihr Redeschwall hörte nicht mehr auf. Schließlich konnte ich es nicht mehr aushalten. "MUM! Wenn ich gewinne muss Sam sterben! Wie kannst du es nur unterstützen, jedes Jahr 24 Kinder zusammenzutreiben und dazu zwingen, sich gegenseitig umzubringen! Du nimmst auf wirklich nichts Rücksicht bei deinem Plan, aus uns eine bekannte und angesehene Familie zu machen, oder?" Ich stand auf und ging zum Fenster. Allein die Gegenwart von meiner Mutter machte mich verrückt! Weil ich nichts mehr hörte, drehte ich mich wieder zu ihr um. Sie schaute mich schweigend an und machte ein erschrockenes Gesicht. So, als hätte sie mich und meine Gefühle gerade das erste mal erst richtig wahrgenommen. Sie machte den Mund auf, so als ob sie etwas sagen wollte, schloss ihn dann aber wieder. Nach ein paar Sekunden voll eisigem Schweigen schluckte sie schließlich und fssste sich anscheinend wieder.

"Du - du kriegst das schon irgendwie hin...", sagte sie mir.

Danach wurde die Tür wieder aufgemacht und ein Friedenswächter sagte: "Zeit ist um".

Er zog meine Mutter hinaus und ich war wieder alleine. Als nächstes trat mein Bruder John ein und schaute mir in die Augen. Er sagte nichts. Und ich sah auch nicht ein, zuerst etwas zu sagen.

Schließlich räusperte er sich und sagte: "Du kannst es schaffen, Nina. Halt dich vom Anfangsgemetzel am Füllhorn fern und- "

"Warum sagst du mir das?!", fuhr ich ihn an. "Du willst doch sowieso, dass Sam gewinnt! Als ob ich da eine Chance hätte! Warum willst du mir also lauter Ratschläge geben, wie ich überleben kann?"

"Nina das stimmt nicht."

"Du brauchst es nicht zu leugnen."

Darauf umarmte John mich fest und schaute mir in die Augen. Ich glaubte, einen Funken Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit in ihnen zu sehen, aber vermutlich irrte ich mich.

John drehte sich um und ging wortlos und ohne Abschied hinaus. Und schon wieder war ich allein. Ich wartete darauf, dass jemand mich holte, aber als die Tür aufgemacht wurde, stand weder ein Friedenswächter, noch Zacharia in der Tür. Es war Mela.

"Ich habe nicht damit gerechnet, dass du kommst.", stellte ich fest.

"Warum zweifelst du an mir?"

"Naja, nachdem du weggerannt bist hab ich mir gedacht, dass du mich schon aufgegeben hast."

Der Gedanke an eben machte uns Beide so traurig, dass wir unsere Gefühle nicht länger zurück halten konnten. Wir fielen uns in die Arme und hielten uns fest unklammert, als könnte unsere Seele und und unser Leben am anderen festhalten. Ich weiß nicht, ob Stunden oder Sekunden vergingen, bis Mela mich anschaute, mir ein Foto von uns beiden in die Hand drückte und unter tränenerstickter Stimme flüsterte: "Das habe ich geholt, als ich weggerannt bin. Hör zu Nina. Du musst gewinnen! hörst du? Tu es für mich. Bitte. Sonst will ich nicht mehr leben! Komm wieder zurück nach Hause."

"Ich weiß. Ich werde es für dich versuchen."

"Versprochen?"

Ich wollte ihr antworten aber dann kamen die Friedenswächter und holten sie hinaus.

"Versprochen!", rief ich ihr hinterher.

Ich würde es schaffen.

Nur für sie.

Rebellion - Die Tribute von PanemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt