3. Kapitel

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Nun wurde ich aus dem Raum geholt und wieder von Friedenswächtern umringt. Sie leiteten mich durch unendlich lange Gänge. Rechts, Links, Links, Gerade aus, Rechts, Gerade aus, Links... Irgenwann gab ich es auf, mir zu merken, von wo wir kamen.

Doch plötzlich blieb der Wächter vor mir so aprupt stehen, dass ich fast in ihn hinein gerannt wäre. Im letzten Moment machte ich eine Vollbremsung und schaute überrascht auf.

Vor mir wurde eine große Tür geöffnet und Zacharia sagte: "Stellt euch rechts und links neben mir auf! Und immer schön Lächeln und Winken! Nichts weiter, verstanden?"

Erst jetzt bemerkte ich, dass auch Sam neben mir stand und er mich anstarrte. Wir taten, was uns gesagt wurde und stellten uns neben Zacharia auf. "Und niemals das Lächeln vergessen!", murmelte sie uns noch aus dem Mundwinkel zu und legte einen Arm um meine und einen um Sam's Hüfte. Als eine weitere Tür aufgemacht wurde, schob sie uns nach draußen. Hunderte Kameras und Mikrophone waren auf uns gerichtet und tausende Menschen riefen uns irgendetwas zu. Das alles vermischte sich zu einer Art Bienensummen, sodass mir der Kopf weh tat. Doch Zacharia genoss die Aufmerksamkeit und schob uns auf die Blitzlichter zu.

Sofort wurden uns Mikrophone vor die Gesichter gehalten und eine Frauenstimme fragte: "Was fühlst du jetzt? Stolz, weil du die Chance hast, dich zu beweisen? Unsicherheit, weil du gegen deinen Bruder antreten musst?"

Sarkastisch antwortete ich: "Ich würde eher sagen Angst, von Mikrophonen aufgespießt zu werden."

Zacharia knuffte mich hart in die Seite und zischte: "Benimm dich!", ließ ein aufgesetztes Lachen erklingen und fügte laut hinzu: "Was für ein Sinn für Humor sie hat!"

Ich musste weitere Fragen beantworten und um Zacharia nicht zu verärgern, gab ich zwar Antworten, die aber relativ nichtssagend waren. Erst als sie uns nach gefühlten Stunden weiterzog, sah ich, dass wir am Bahnhof waren. Wir stiegen in den bereitstehenden Zug und drehten uns nochmal zu den Leuten um, die uns immer noch zujubelten. Sam winkte ihnen zu, aber ich setzte eine unergründliche Maske auf. Oh nein, ich würde mich nicht so leicht weich kriegen.

Als wir schließlich losfuhren, bekam ich mein Abteil von einem Avox gezeigt und hatte eine Stunde Zeit, mich frisch zu machen. Anschließend würde es Essen geben. Ich betrat mein Zimmer und staunte. Ein riesiges, weißes Doppelbett stand mitten im Raum und eine glänzend weiße Kommode mit einem großen edlen Spiegel zierte die Wand. Es grenzten zwei weitere weiß glänzende Türen an meinem Zimmer, also ging ich - neugierig wie ich war - zu der einen Tür und machte sie auf. Hinter ihr befand sich ein geräumiges Badezimmer mit einer bestimmt 4 quadratmeter großen Dusche. Sofort zog ich mich aus und duschte mich ausgiebig. Auf einem silbernen, edel wirkendem Wandbord waren die verschiedensten Shampoosorten in durchsichtigen Gefäßern aufgestellt und ich machte mir einen Spaß daraus, sie alle zu begutachten. Ich entdeckte normale Sorten wie Erdbeer und Honig, seltenere Sorten wie Kokos und Mandel, ungewöhnliche Sorten wie Schokolade und rote Rose, bis hin zu völlig abartigen Sorten wie Alge oder Sekt. Den Sorten wie Sekt oder Alge kam ich lieber nicht zu nahe. Wer kam schon auf Körper schütten! Schließlich entschied ich mich für Sternfrucht- und Mangoshampoo und trat, nachdem ich die Dusche per Knopfdruck wieder ausgestellt hatte, auf eine Fußmatte, die vor der Dusche lag. Ich wollte mich gerade nach einem Handtuch umsehen, als ich von oben bis unten durchgepustet wurde. Aus den Löchern in der Matte und aus einem gut verstecktem Lüftungsrost über mir kam warme Luft herausgeströmt, sodass ich ziemlich schnell trocken war. Also trat ich von der Matte und sofort verstummte das rauschende Geräusch. Anscheinend war die Fußmatte mit Tastsensoren ausgestattet. Ich schnappte mir einen kuscheligen Bademantel und ging wieder in mein Zimmer. Als ich die andere Tür aufmachte, blickte ich ein riesiges Ankleidezimmer mit großen, weißen Hochglanzschränken. Nachdem ich alle Schränke durchwühlt hatte, entschied ich mich schließlich für eine enge beige Hose und eine dunkelblaue Bluse, die ich locker in die Hose steckte. Dazu zog ich dunkelblaue Ballerinas an und ging zur Kommode in meiemn Zimmer zurück. Dort waren jegliche Make-Up Artikel aufgestapelt, ich entschied mich aber nur für Mascara und ein bisschen Kajal. Anschließend flocht ich meine Haare seitlich zu einem Zopf sodass er mir vorne über die Schulter fiel.

Ich betrachtete mich gerade im Spiegel als es plötzlich an der Tür klopfte und Zacharia - ihr Stimme erkannte man unter Hunderten - flötete: "Nina! Beeil dich, alle warten nur auf dich!"

"Ich komm ja schon!", entgegnete ich genervt, riss die Tür auf und stand einer erschrockenen Zacharia gegenüber.

"Nach los! Jetzt komm schon!", zeterte sie und zerrte mich aus meinem Zimmer heraus, aber ich riss mich los.

"Ich kann wohl alleine gehen!"

Mit beleidigt zusammen gepressten Lippen führte sie mich ins Esszimmer. Dort warteten schon alle anderen. Unter anderem Sam's und meine Mentoren. Der Mann hieß Alex. Er war Anfang 30, muskulös und braunhaarig. Er war im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die die Hungerspiele gewonnen hatten, weder verrückt geworden, noch den Drogen des Kapitol verfallen, also relativ normal geblieben. Die Frau, die neben ihm saß, hieß Anny. Sie war circa 25 Jahre alt, hatte hellblonde, fast weiße Haare, die auf den Millimeter gerade geschnitten waren und unnatürlich gerade herabhingen. Sie saß perfekt gerade und hatte die Hände übereinander gefaltet. Also eine Lady. Gegenüber von Anny saß Sam und Zacharia setzte sich am Kopf des Tisches hin. Außerdem standen mehrere Avoxe in den Ecken. Ich kam mir ein bisschen beobachtet vor, weil alle Leute außer Zacharia, die sich pikiert ihrem Essen widmete, mich anstarrten.

Deutlich genervt von der Situation fragte ich in die Runde: "Habe ich was verbrochen, oder warum werde ich so angestarrt?"

Jetzt guckten mich alle außer Alex, welcher mich schief angrinste, ziemlich empört an, aber ich widmete mich seelenruhig dem Buffet. Schon hier hatte ich eine riesige Auswahl. Es gab mindestens fünf verschiedene Torten die bis auf's Feinste verziert waren und ziemlich künstlich aussahen, außerdem noch viel Muffins, Törtchen, Pralinan und sonstigen schnickschnack. Das Einzige essbare was ich für mich fand, waren die blaubeer Muffins, die halbwegs normal aussahen. Ich lud mir drei von ihnen auf den Teller, setzte mich gegenüber von Alex hin und widmete mich seelenruhig dem Essen. Nach kurzer Zeit fingen auch die anderen an, mit "seriösen Speisen" den Hunger zu stoppen. Mein Bruder stopfte sich natürlich den Mund mit diesen aufwendigen Delikatessen voll, er nutzte jede Gelegenheit zu essen.

"So, dann lasst mal hören! Was sind eure Stärken?", fragte uns Alex schließlich, als alle den Mund leer hatten und die 'Gabel abgelegt hatten.

"Nun, ich kann eigentlich alles. Sowohl Schwert und Messer, als auch Bogen, Axt und Speer. Armbrust kann ich auch ganz gut, dass musste ich nochmal üben...", begann mein Bruder sofort.

"Und du, Nina?", fragte er mich. Seine Stimme hatte etwas Beruhigendes und seine grünen Augen schauten mich ehrlich an.

Also antwortete ich ihm leise aber ehrlich: "Nun... eigentlich nichts."

Rebellion - Die Tribute von PanemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt