54. Kapitel

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Ninas point of view

"Mela, ich hab dich so vermisst!", schluchzte ich mit unterdrückter Stimme als wir uns in die Arme fielen.

"Und ich dich erst! Was glaubst du, was ich alles durchgemacht habe als du weg warst?", flüsterte sie unter Tränen.

"Es tut mir leid. Es tut mir so, so leid.", entgegnete ich immer wieder und konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich wieder bei mir war.

Nach ihr begrüßte ich John, der lächelnd und geduldig neben uns stand. Ich schloss ihn fest in die Arme und drehte mich anschließend lächelnd zu allen anderen anwesenden um. Meine Mittribute standen verlegen in einer Ecke, doch sie waren nicht die Einzigen im Hovercraft. Außer John und Mela enddeckte ich noch viele andere bekannte Gesichter, unter anderem das von Joena, einer recht alten Witwe, zu der ich immer gegangen war, wenn es mir bei meiner "kapitolverliebten Familie" zu viel wurde. Sie hatte mich immer getröstet, mir immer Zuflucht und einen Rückzugsort gegeben.

Und jetzt stand Joena dort vor mir, den Rücken vom Alter gebeugt, das Gesicht von Falten durchzogen. Sie hatte die grauen Haare unordentlich hochgesteckt und unter einem dunkelblauen Tuch versteckt.

"Viel zu dünn, alle viel zu dünn!", murrte sie nun missmutig den Kopf schüttelnd.

Ich musste lächeln. Das war typisch Joena. Immer am meckern, aber insgeheim gutmütig im Herzen.

Neben ihr stand Dora, eine junge Frau, die Joena im Haushalt zur Hand half, denn Joena selbst war zu alt, um alles selber zu schaffen. Dora war immer still und zurückhaltend gewesen, sie hatte nie viel gesagt wenn ich zu Besuch da war. Manchmal kam sie mir wie eine Dienstbotin vor, wenn Joena ihr auf ihre schroffe Art Anweisungen erteilte und sie ohne Widerspruch oder gar einer Antwort alle Arbeiten erledigte. Sie machte immer ein trauerndes, verschlossenes Gesicht und ich fragte mich manchmal, warum. Sie hatte ihr sicheres Zuhause bei Joena und hatte einen Job, der nicht drohte, verloren zu werden.

Da war sie im Gegensatz zu manch anderen jungen Frauen ohne Mann noch gut davon gekommen.

Bei den Beiden standen noch circa 20 andere Personen, von denen ich viele schon mal gesehen hatte, aber fast niemanden persönlich kannte. Doch etwas abseits in einer Ecke entdeckte ich noch jemanden. Tjark. Meinen Schatten.

"Hallo Tjark...", murmelte ich verbissen und fügte in Gedanken hinzu: Hallo Stalker.

Tjark war eine muskolöse, 18 jährige, männliche Person. Er war definitiv kein Junge mehr, aber auch noch kein Mann. Also eine männliche Person. Tjark war immer schwarz angezogen, hatte schwarze Haare und extrem dunkelbraune Augen.

Und er schaute mich immer so gruselig an. Er musterte mich von oben bis unten, folgte jeder meiner Bewegungen und war immer zu den am wenigsten zu erwartenden Zeitpunkten in meiner Nähe. Und das schon seit 5 Jahren. Als es angefangen hatte war ich elf und er dreizehn Jahre alt. Damals ist es mir erst gar nicht aufgefallen, doch als Tjark immer öfter in meiner Nähe auftauchte bekam ich es zunehmend mit der Angst zu tun. Ich entwickelte mit der Zeit eine Art Phobie vor ihm. Doch irgenwann wandelte sich meine Panik in Wut. Er hatte nicht das Recht, mich zu stalken, schon gar nicht einen Grund. Irgendwann fing ich einfach an, ihn zu ignorieren und das hatte ich jetzt schon ein ganzes Jahr durch gehalten.

Doch als ich ihm jetzt so überrascht in die dunklen Augen sah, kam alles wieder hoch. Die Angst. Die Wut. Aber auch die Neugier. Die Neugier, warum er so etwas machte. Er hatte mich noch nie missbraucht, noch nie mit mir geredet. Aber er spielte trotzdem meinen Schatten. Warum?

Das brauche ich erst gar nicht zu wissen! Ich werde genauso gleichgültig und ignorant wie vor der Arena zu ihm sein, beschloss ich in Gedanken.

Ich wandte mich von Tjark ab und dreht mich zu John um. Erst da bemerkte ich, dass mich alle angafften. Anscheinend hatte ich Tjark ein bisschen länger als einen Moment angeschaut. Louis Blick glitt beunruhigt zwischen Tjark und mir hin und her und er zog die Augenbrauen misstrauisch zusammen. Ich lächelte ihm beruhigend zu und wandte mich dann an John. Er beeilte sich, mir die Lage zu erklären, weil wir immer noch das Hovercraft vom Kapitol hinter uns hatten.

Rebellion - Die Tribute von PanemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt