Der Siebte Jahrestag - Schönheit

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Immer noch kann ich es nicht glauben. Sprachlos sitze ich vor den leicht rauchenden Kerzen und blinzle einige Male, nur um noch einmal ganz sicher zu gehen. Es ist wirklich kein Traum.

Ich habe es wirklich geschafft. Mein Kindheitsfluch ist gebrochen.

„Ich habe es wirklich geschafft. Alle Kerzen.", murmle ich in meinem Atem hinein. Ohne das ich etwas dagegen tun kann, dagegen tun will, breitet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. Für viele wäre das keine große Sache, für mich ist es eine. Es nimmt den ganzen Raum meiner Gedanken ein.

Frohtrunken rapple ich mich von meinem Doppelbett auf und laufe hinüber zum Fenster, um es nach dem zuschlagen endgültig zu schließen. Als ich auf der anderen Seite meines Zimmers ankomme, stehe ich in einer Pfütze und ärger mich ein wenig über mich selber, dass ich das Fenster so achtlos aufgelassen hab. Ein Handtuch über meinem Schreibtischstuhl, bei dem ich zu faul war es in die Wäsche nach einer heißen Dusche zu schmeißen, lege ich nun über das Regenwasser. Den Stecker der Lichterkette ziehe ich, ich bin schon geübt im Dunkeln mein Zimmer zu durchqueren.

Deshalb überrascht mich wohl auch das Licht aus der anderen Ecke des Zimmers so sehr.

Ich verharre in meiner Bewegung, immer noch stehe ich gebückt über der Steckdose, den Rücken meinem Bett zu gewandt.

Habe ich meine Nachttischlampe angeschaltet gehabt?

Nein.

Dafür ist das Licht auch viel zu schwach.

Schluckend schließe ich meine Augen, versuche mich ganz auf mein Gehör zu konzentrieren, doch ich höre nichts. Langsam drehe ich mich auf meinem Absatz um.

Eine der zehn Kerzen, leuchtet. Es ist die Kleinste von denen, die, die schon all die Jahre zuvor mit ihrer Flamme meinem Pusten standgehalten hat. Erschüttert reibe ich meine Augen, aber wie sehr ich es auch Wünsche, sie löscht ihr Licht nicht. Sprachlos und fixiert auf die Flamme, trete ich langsam auf sie zu. Die Kerze brennt so hell, als wolle sie mich verspotten.

Ich habe es mir gerade doch nicht eingebildet?

Schlagartig bin ich Nervös, mit schwitzigen Händen Knie ich davor. Ich betrachte die surreale Szene und bemerke das zweite angezündete Streichholz.

Ich habe nur eines benutzt.

Die Angst, die sich wie eiskalte Schwingen um mich legt, schlucke ich runter. Einen tiefen Atemzug nehmend und mit geschlossenen Augen, blase ich die Flamme erneut aus und mit einem Mal ist es dunkel, nur Schemen sind noch zu erkennen.

Es ist erschreckend, wie wenig meine Sinne nur Wahrnehmen.

Es ist so still.

Und dann.

Ein Klatschen.

Ein zynischer Applaus.

Und ich zucke zusammen.

Was ist in meinem Zimmer?

Mit wieder geschlossenen Augenlidern versuche ich meine Nerven zu beruhigen. „Wieso spottest du über mich? Wieso hast du die Kerze wieder angemacht?" Meine Stimme ist brüchiger als gewollt.

„Kein, wer bist du? Was machst du hier? Du zerstörst die einfallslosen Phrasen meiner Opfer, an die ich mich schon ... so gewöhnt habe." Seine Stimme ist kalt, kalt und gefährlich.

„Wieso hast du die Kerze wieder angemacht." Wiederhole ich dieses Mal mit festeren Nachdruck. Bedacht keine allzu schnellen Bewegungen zu machen, stehe ich auf. Ihn immer noch den Rücken zugewandt.

Ich weiß, dass er das Monster ist. Ich fühle es und es macht mir Angst.

Es ist sein Jahrestag.

Seine Morde wurden an diesem Tag bisher immer Brutaler.

Geh schlafen.", zischt er kaum hörbar. Eisige Schlingen fassen um meinen Hals.

Ein Adrenalinstoß vermag es mir ihn von mir zu stoßen. Eilig drehe ich mich zu ihm und sehe wie er leicht auf meinem Bett schwankt.

Ich werde ihn nicht entkommen können.

Ich werde nicht fliehen können.

Abertausende Gedanken rasen durch meinen Kopf und mein Herz rast. Meine Augen fixieren die Schemen seines Messers in seiner Hand.

Ohne meine Gedanken ganz wieder geordnet zu haben, schalte ich die Lampe auf meinem Nachttisch ein. Alles passiert in aber tausendstel Sekunden.

Ich werde ihn nicht entkommen können.

Ich werde nicht fliehen können.

Immer wieder widerholen sich die Sätze in meinem Kopf.

Auch er braucht einige Sekunden um zu realisieren, was gerade geschehen ist. Ich sehe es in seinem Gesicht, welches ich noch gar nicht richtig erfassen konnte.

Es ist vernarbt.

Es ist weiß.

Seine Haut gleicht die vom verschimmelten Leder.

Ich weiche zurück.

Der Versuch, mich an Informationen zu erinnern, die mir helfen könnten, schlägt nicht an.

Er ist wütend.

Doch wurde er noch wütender, als ich von ihm fort wich.

Sie müssen mich nur sehen und schon haben sie Angst vor mir. Beschimpfen mich, schreien und laufen weg. Dabei erkennen sie nicht wie schön ich bin. Ich will doch nur, dass sie mich ansehen.

Seine Poilzeiakte fällt mir wieder ein, die Nachricht, die er bei einem seiner Opfer gelassen hat. Ich verstehe es.

Das Monster vor mir springt auf, das Messer liegt fest in seiner Hand. Er ergreift mich an meinen Haaren und zerrt mich vor sich, mit dem Blick bin ich zu meiner Wand gerichtet und das Messer liegt unter meiner Kehle.

„Nun wirst auch du schlafen gehen." Es könnte liebevoll klingen, würde er die Betonung ein wenig verlagern.

„Warte!", mahne ich ihn leise. Wenn meine Mutter in mein Zimmer kommt, werden wir beide sofort sterben.

„Was?" Wieder dieses zischen. Schmerzhaft reißt er stärker an meinen Haaren.

„Ich – ich ...", spielerisch lasse ich die Wörter verzweifelt über meine Lippen kommen. „Lass mich wenigstens in dein Gesicht sehen, wenn ich schon sterbe." Mit jedem Wort werde ich leiser.

Ruckartig dreht er mich um. Wenige Zentimeter trennen uns nur noch.

Ich lasse eine kurze Zeit verstreichen, bis ich in der Lage bin meinem Arm zu heben und über seine Wange zu führen.

„Du bist so schön.", ich hauche den Satz und blicke tief in seine eisblauen Augen, „Du bist so wunder, wunderschön."

Plötzlich verharrt er erschrocken im Moment.

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt