Schach

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Er hält mich, seine langen Finger sind um meine Taille geschlungen. Hitze steigt wieder in mir auf, ein Schwindelgefühlt erdrückt mich. Und wieder kommt Erbrochenes über meine Lippen. Ich heule auf.

Kann er nicht wegsehen?

Muss er jetzt bei mir sein?

Auf meiner rechten Seite verschwindet der kühle Druck seiner Hand. Gänsehaut überfährt mich, als er damit nach meinen Haaren greift und sie zurück hält.

Ich ekel mich vor mir selber.

Ich bin schwach.

„Schau nicht hin.", winsle ich.

„Du bist Krank, Mal'ach." Seine Stimme ist rau.

Ich stehe noch unter Schock.
Kraftlos versuche ich mich von ihm zu reißen, doch mein Körper rebelliert wieder.

Galle.

Mein Magen ist leer.

„Lass mich bitte alleine.", flehe ich flüsternd.

„Nein. Hör auf zu betteln wie ein Hund. Das macht mich krank. Das ist Abstoßend."

„Mein Körper ist -"

„Ist nicht abstoßend. Ich werde dich garantiert nicht in deiner eigenen Kotze liegen lassen. Und halt deine Klappe, ich will nichts mehr hören."

Ich keuche auf. Unsanft reißt er an meinen Haaren und schmerzhaft drückt er mit seiner Linken zu. Erneut würge ich, aber es gibt nichts mehr, was hoch kommen könnte.

Wieso tut er das?

Er quält mich absichtlich.

Eine Stunde später, begleitet er mich ins Badezimmer und schaut mir dabei zu, wie ich meine Zähne putze und mein Gesicht wasche. Regelmäßig kontrolliert er meine Körpertemperatur und jedes Mal sieht er nicht besonders glücklich aus.

Still sitzen wir beieinander.

Er lässt mir den Abstand, den ich brauche.

„Willst du etwas essen?", seine Stimme klingt forsch.

Etwas zu schnell schüttle ich meinen Kopf. Sofort verspüre ich ein unerträgliches Dröhnen.

„Du darfst wieder reden. Und essen musst du, ich weiß sonst nicht, wie ich dich wieder gesund bekomme."

„Ich will mich nur nicht gleich wieder Übergeben.", murmle ich. Schon der Gedanke verursacht mir Übelkeit.

„Wie hat deine Familie dich denn immer wieder auf die Beine bekommen?" Schwer entlässt er die Luft aus seinem Körper. Es verwundert mich, dass es ihn interessiert.

Bei den Erinnerungen, lächle ich. „Ich ... war nie oft krank. Aber einmal als ich kleiner war, ich denke ich war Acht, hatte ich hohes Fieber. Eine Woche war ich ans Bett gefesselt und es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Jeden Tag presste meine Mutter mir frischen Orangensaft und kochte mir Hühnersuppe, sie las mir Stunden lang aus der kleine Prinz oder Peter Pan vor und verarztete meine Kuscheltiere, die dann natürlich auch alle schwer krank waren. Mein Vater brachte mir den Fernseher von unten nach oben und schaute nach seiner Arbeit mit mir Pokemon oder spielte das Kartenspiel mit mir. Und meine Schwester, da hat sie ja noch bei uns gewohnt, sang mir immer gute Nacht Lieder vor. Im Gegensatz zu mir und meiner Mutter ist ihre Stimme wundervoll und ich liebe es, ihr zuzuhören."

„Du hast eine tolle Familie.", stellt er leise fest.

„Ja.", meine Augen werden feucht, „ich liebe die Drei."

„Ja." Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er mich beobachtet. Er sieht ... irgendwie ... traurig aus.

„Hey." Ich schaue zu ihm. „Hast du hier irgendwelche Gemeinschaftsspiele?"

„Wieso?"

„Wir können doch ein wenig spielen. Schach oder so."

„Ich habe so etwas nicht. Spielst du denn gerne Schach?" Seine Hand fährt über meinen Kopf. Mit seinen dünnen Fingern ergreift er eine Strähne und umwickelt sie um seinen Finger.

„Ja. Mein Opa hat es mir beigebracht, da war ich gerade Fünf. Seit dem habe ich erst einmal gegen ihn gewonnen. Aber bei einem Turnier wurde ich trotzdem Zweite von Neunzehn." Ich lache. Die Strähne entgleitet seiner Hand.

Ein wenig beuge ich mich vor und zeichne ein Netzt, bestehend aus Neun Vierecken, in den Staubigen Boden mit meinem Finger. Das erste Kreuz setzte ich schon. „Schau, Tic Tac Toe können wir spielen."

Und so kam es, das wir für die nächsten Stunden auf dem Boden krabbelten, um weiter spielen zu können, er mir weitere Fragen von meiner Familie entlockte und ich mich für eine gewisse Zeit nicht wie eine Gefangene fühlte.

Ich denke er ist genervt von dem Spiel, aber er tut es für mich.
Schon wieder macht er etwas für mich.

Meine Augen gleiten über all die vergangenen Spiele. Warum?

„Leg dich jetzt etwas hin, damit du wirklich Gesund wirst.", meint er dann. Er hilft mir hoch, bringt mich zur Matratze und lässt mich alleine. Lange schlafe ich nicht ein, das letzte, an das ich denken kann, ist der Regen, der langsam abebbt.


Ein Füllerkapitel :D Aber muss ja auch mal sein :p

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt