Elina

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Draußen ist es windig und nass. Die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen, als ich mir meinen Regenmantel über mein graues Langarmshirt anziehe.

„Vergiss deinen Schal nicht!", höre ich meine Mutter verschlafen von oben herunter schreien. Sie liegt noch im Bett – heute hat sie die Spätschicht im Laden.

„Keine Sorge! Hätte ihn schon angezogen. " Oder auch nicht, was meine Mutter mir gerne vorhält. „Tschüss!" Ich greife nach meinen weinroten, flauschigen Schal und werfe ihn mir um, während ich zur Tür hinausgehe. Nieselregen peitscht mir ins Gesicht.

Jeden Tag wird es kälter.
Und ich mag die Kälte.

Sie lässt mich meinen Körper bewusst werden. Ich spüre meine Hände, Füße, Ohren, Nase und meine Wangen. Zwar ist es ein Gefühl wie stechende kleine Nadeln – aber immerhin spüre ich meinen Körper.

„Hey Luci! Warte!"

Hinter mir höre ich Schritte, schnell drehe ich mich um.

„Elina, hey." Ich bleibe stehen und nehme sie in den Arm, sobald sie mich erreicht hat. Strahlend sieht sie mich an.

„Du hast ja gar nicht verschlafen." Unglaubwürdig starre ich sie an.

„Ganz genau." Ihr Grinsen spiegelt sich in ihrer Stimme wieder.

„Ich muss zugeben, dass ich zutiefst beeindruckt bin. Bist du Krank? Bist du überhaupt Elina? Gibt es irgendeinen besonderen Anlass?" Scherze ich.

„Natürlich bin ich ich!", ruft sie spielerisch empört aus. Langsam laufen wir weiter zur Bushaltestelle.

„Dann beweisen Sie es."

„Als wir dreizehn waren, hatten wir mit unserer damaligen Klasse eine Übernachtungsfeier. Zu demselben Zeitpunkt hattest du eine Blasenentzündung und deshalb in der Nacht ins Bett gemacht. Ich habe geholfen es zu vertuschen. Wer weiß was die blöden Zicken von damals mit dir gemacht hätten."

„Oh, erinnere mich bloß nicht daran. Ich hatte es fast wieder vergessen!"

„Und ich erinnere dich immer gerne wieder daran." Sie wirft mir einen Kussmund zu.

„Ich freue mich auf die nächsten 60 Jahre mit dir. Okay, aber warum bist du heute so rechtzeitig dran?"

Elina und ich sind früher öfters zusammen zum Bus gelaufen, als wir noch in die gleiche Klasse gingen. Seit sie aber ihre Liebe zu Serien entdeckt hat und ihre Neun Jahre Schulpflicht vorbei ist, hat sie angefangen immer öfter zu verschlafen oder vergessen den Wecker zu stellen. Anfangs habe ich mich noch bemüht sie selbst zu wecken, nur brachte das irgendwann auch nichts mehr. Ihren Eltern ist es recht egal.

„Ach – du kennst doch Herr Jensen. Er meinte letzte Woche doch tatsächlich zu mir, dass er mich im Matheunterricht durchfallen lässt, wenn ich dieses Halbjahr noch einmal zu spät komme! Kannst du das glauben? Dabei dachte ich er flirtet mit mir und neckt mich bloß." Zum Schluss verfällt sie in einen leicht sarkastischen Unterton.

„Hm. Ich glaube du musst deinen Ausschnitt einfach noch tiefer tragen und deine Sportleggings anziehen, in der du diesen verdammt knackigen Arsch hast." Steige ich mit ein.

Sie seufzt theatralisch. „Das muss ich wohl. Schau was schon aus mir geworden ist. Ich bin um Sechs aufgestanden. Um Sechs! Ist das zu fassen? Dabei war ich bis um zwei wach ..."

„Welche Serie war es denn dieses Mal?"

„Ich gebe dir einen Tipp: Einer der besten Serien aller Zeiten. Sie enthält klasse und vielfältige Charaktere, starke weibliche Persönlichkeiten, sie ist für Jung und Alt, Die Charaktere entwickeln sich im Laufe der Show, der Antagonist ist nicht einfach nur der Antagonist, Weise Sprüche sind enthalten coole Kämpfe, sie bringt einem zum Lachen und zum Weinen, wir haben die Serie schon mindestens vier Mal durch, ... , soll ich noch weiter machen?"

Ich lache. „Natürlich weiß ich wovon du redest. Ich habe dich früher gezwungen die Serie mit mir zu sehen!", ich räuspere mich, „Wasser, Erde, Feuer, Luft. Vor langer Zeit lebten alle vier Nationen zusammen in Harmonie, doch dann erklärte uns die Feuernation den Krieg und alles änderte sich."

„Ich liebe dich einfach dafür, dass du genauso ein Nerd bist, wie ich."

„Ach, ich finde mich auch ganz toll.", protze ich selbstverliebt.

„Jaja." Sie lacht. Bei der Bushalterstelle kommen wir zum Stehen. „Sag mal Luci, was betrübt dich in letzter Zeit eigentlich so? Ist das noch wegen deinem Dad?" Elinas Stimme ist auf einmal ernst.

Ich weiche ihren Blick aus. „Ich war doch gerade nicht betrübt."

„Doch, das warst du. Du bist nicht so locker wie sonst. Ich weiß, dass du vor anderen immer ein wenig steif bist, aber vor mir nicht. Bei deinen engsten Freunden – und zu denen zähle ich ganz klar mich – kannst du DU sein. Ich muss das wissen, ich meine, wie viele Jahre kennen wir uns jetzt schon?"

„Von denen haben wir uns in den ersten Jahren aber nicht wirklich gemocht." Scherze ich.

„Luci, lenk nicht ab. Und das lag übrigens ganz klar an dir. Du warst nämlich eine ganz schön harte Nuss. Aber ich habe dich ja geknackt." Sie kneift mir in meine Seite.

„Ja. Und darüber bin ich echt dankbar." Kurz blicke ich in ihre braunen Augen, bevor ich meinen Blick wieder abwende. „Ich -", ich fange an zu flüstern, „habe Angst um meinem Vater. Einige sind Monate, gar Jahre im Koma. Was ist, wenn er nicht wieder aufwacht." Und dazu kommt die Angst vor ihm. Vor Jeffrey. Und die Verbundenheit zu ihm, die ich nicht erklären kann.

Warte –
Was –
Was denke ich da?

„Luci." Elina macht eine Bewegung um mich zu umarmen, lässt ihre Arme aber wieder sinken. „Luci, ich bin sicher, dass dein Dad wieder aufwachen wird. Wahrscheinlich sogar früher, als du erwartest. Dein Vater ist am Leben. Er war noch nie jemand, der schnell aufgibt. Genauso wenig, wie du. Und wenn etwas ist, ich bin für dich da."

Meine Mundwinkel zucken. „Danke. Du bist die Beste."

Verbundenheit.
Ich bin mit ihm verbunden.

Jetzt erst leuchtet es mir ein.

Ich bin verbunden. Mit ihm.

Ich kann ihn nur Schach setzten, wenn ich mich selbst in Gefahr begebe.

Als der Bus an die Haltestelle ranfährt, werfe ich ein Blick auf meine Handfläche. Zu sehen ist eine lange, dünne und noch rote Narbe.

Die Scherbe.
Mein Notfallplan.

Er ist nicht einfach nur noch mein Notfallplan.


Ich bin die letzten Wochen einfach nur kaputt. Arbeit, Uni, meine ganzen Freunde die weggezogen sind/ am wegziehen sind ...
Ich wäre euch sehr verbunden wenn ihr mir in den Arsch  treten könntet, dass ich öfter weiterschreibe ... Danke!

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt