Moralvorstellungen

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Ich weiß nicht, wie es soweit kommen konnte, aber Jeffreys Besuche waren schon längst kein Fluch mehr für mich. Wie nannte er es noch? Zwei Teile eines perfekten Ganzen. Als wäre er wirklich die Hälfte, die mir unterbewusst gefehlt hatte. Nachdenklich schaue ich zu ihm. Suche nach etwas, womit ich mich wieder vom ihm lösen könnte, doch es bleibt erfolglos.

„Willst du mit mir nach Hause kommen?", frage ich.

„Du hast doch noch Nachmittagsunterricht."

„Und? Chemie werde ich auch zu Hause lernen können." Ich könnte. Werde gewiss aber keine Lust dazu haben.

Er lacht in sich hinein. „Du sollst nicht schwänzen."

„Willst du nicht in meiner Nähe sein?" Ich verletze mich mit meinen eigenen Gedanken.

Sein Lachen in der Stimme bleibt. „Ich bin immer in deiner Nähe, seit ich deine Schönheit erkannt habe." Er klingt so, als müsste ich es doch wissen.

„Dann bin ich in den Momenten vielleicht in deiner Nähe, aber du nicht in meiner." Das schlucken fällt mir schwer. Ich mache mich selbst verletzlich. Zuzugeben, dass in eine Abhängigkeit rutsche. Das ist eine Rolle, die ich nie sein wollte. Bei niemanden. Und gerade bei ihm passiertes.

„Mal'ach, was soll das werden?"

Ich versuche zu lachen. Wie dämlich bin ich eigentlich? Wie beschränkt muss ich sein, um einen Mörder zu erzählen, dass ich seine Nähe brauche? „Es ist alles gut. Ich weiß nicht, was gerade mit mir los war. Tut mir leid."

„Ich habe dir schonmal gesagt, dass du dich nicht für alles Entschuldigen brauchst." Auf alles andere geht er gar nicht erst ein.

Warum hat er mich an meinem Geburtstag nicht einfach umgebracht?

Er tritt auf mich zu, sieht aber so aus, als würde er mit sich selbst im Konflikt stehen. Seine Hand gleitet wieder zu meiner verletzten Wange, verharrt dort, als er mir einen Kuss auf die Stirn gibt. „Schließ deine Augen.", flüstert er mir ins Ohr. „Du gehörst mir Mal'ach. Alles was mir gehört, lasse ich nie aus meiner Nähe. Wenn es anders für dich erscheint oder dir sogar zu viel wird, musst du lernen damit umzugehen. Es wäre dein Fehler, aber du würdest doch keine Fehler zulassen, oder?"

Er lässt mich los und ich höre Laub rascheln. Erst als ich sicher bin, dass er verschwunden ist, öffne ich meine Lider wieder.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken.

„Nein. Ich würde keine Fehler zulassen.", murmle ich. Ich muss es mir selbst sagen, damit ich seine Drohung auch richtig verstehe. Ich muss es mir selbst sagen, um wirklich keine Fehler mehr zuzulassen.

Allwissende Sicht

Im selben Moment, wie die Pausenglocke nach der sechsten Stunde von Lucias Schule klingelt, bewegen sich wieder die Finger des im Koma liegenden Kommissars. Es ist niemand da, der es hätte sehen können, doch in wenigen Stunden würde es sich ändern.

Denn anstatt zum Chemieunterricht zu gehen, macht Lucia sich zum Krankenhaus auf. Grund dafür ihr schlechtes Gewissen. Denn eigentlich müsste sie das Monster doch hassen, dafür dass er Menschen ermordet und ihren Vater in diese missliche Lage gebracht hat. Doch trotz ihrer Moralvorstellungen, hasst sie ihn nicht. Nicht mehr. Viel schlimmer noch: Sie fängt an mit ihm zu sympathisieren.

Es löst einen Sturm in ihr aus. Einen inneren Konflikt.

Der sie zerreißen sollte, wenn sie nicht beginnt, sich von ihren Moralvorstellungen zu lösen.

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt