Vergangenheit - Teil 3

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Auch ich starre nun gespannt auf den Bildschirm. Mein Herz sackt mir in die Hose. Meine Erinnerungen vermischen sich mit den des Films.

„Das ist doch ..." Ich verschlucke mich an meiner eigenen Zunge.

„Billys Geburtstag.", beendet meine Mutter für mich meinen Satz. Sie wirkt, als wäre sie in Trance. „Eigenartig. Wenn dein Vater dieses Video überhaupt gehabt hätte, wieso hätte er es denn behalten sollen?"

„Was ist denn daran so schlimm?", ich flüstere. Viel habe ich von dem Geburtstag des Jungen aus meiner Nachbarschaft nicht mitbekommen. Meine Eltern haben mich damals nach Hause geschickt, nachdem der erste Knall ertönte. „Ihr habt doch überall eure Kamera dabei gehabt, was ist schon dabei?" Die Worte kommen mir leicht über die Lippen, aber ein widersprüchliches Gefühl breitet sich in mir aus. Er würde mir das Video nicht zeigen wollen, wenn es keine Bedeutung hätte. Zumindest ... glaube ich es.

Mein 9 Jähriges Ich lacht fröhlich in die Kamera, neben mir steht ein Schulfreund, der mich mit seinen Grimassen zum Lachen bringt. Im Hintergrund rennen andere Kinder, einige sind als Cowboys verkleidet. Es war ein schöner Tag.

Bevor meine Mutter mir eine Antwort auf die Frage gibt, schaltet sie den Fernseher aus. Urplötzlich scheint sie aus ihrer Starre erlöst worden zu sein.

„Geh nach oben Lucia." Mum wischt sich mit ihrer Hand über das Gesicht. Hat ... hat sie etwa geweint?

„Aber ..."

„Geh nach oben Lucia. Wir reden später."

„Bin ich nicht alt genug, dass du endlich mit mir über den Tag redest?" Meine Stimme wird trotzgier. Ich bin kein kleines Kind mehr.

„Lucia. Ich habe gesagt, dass du nach oben gehen sollst. Geh." Die strenge in ihrer Tonlage macht mich wütend. Warum redet sie nicht einfach mit mir? Ich hasse Lügen. Ich hasse es, nicht die ganze Wahrheit zu kennen.

„Gut." Ruckartig drehe ich mich um und verlasse das Zimmer. Ich will mich nicht streiten ... obwohl ... doch. Genau das will ich.

Aber ...

Sie ist meine Mutter.
Und wir beide haben in letzter Zeit viel durchgemacht.
Außerdem ... ist er sicher noch in der Nähe.

Frustriert stapfe ich die Treppen nach oben, die Tür zu meinem Zimmer knalle ich hinter mir zu, ich will dass sie weiß, dass ich sauer bin. Ich will einfach nur Egoistisch sein.

Egoistisch.
Selbstsüchtig.
...

Wieso regt mich das ganze eigentlich so auf?
Vielleicht weil meine Mutter mich schon damals angelogen hat, als sie meinte, die Familie Woods sei einfach nur weggezogen?
Aber ...
Sie hat es getan, um mich nicht zu verletzten ...
Vielleicht auch, weil es der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt? Ich habe schließlich sonst kein Ventil, an dem ich es ablassen kann ...

Ich fühle mich schlecht. Schuldgefühle plagen mich. Meine Mutter wird es mir bestimmt erklären. Bestimmt. Ich muss sie nur drauf ansprechen.
Mit dem Rücken an der Wand rutsche ich langsam auf den Boden. Die Schmerzen von meinen Körper ignoriere ich.

Billys Geburtstag.
Was war genau an Billys Geburtstag.

Meinen Hinterkopf schlage ich gegen die Wand. Wieso fällt es mir so schwer mich zu erinnern?

Meine Eltern sind mit mir zum Geburtstag gekommen, wir haben Jonathan mitgenommen, der Schulfreund von dem Video. Zusammen haben wir Billy ein Geschenk gemacht. Dad hatte wie so oft die Kamera dabei, er liebt es, alles Bildlich festzuhalten. Er filmte uns. Es war ein schöner Tag.

Ein schöner Tag.

„Ein schöner Tag.", murmle ich. Ich schließe meine Augen.

Ich war Neun. Es war ein September Tag. Ungefähr zwei Monate vor meinen zehnten Geburtstag.
Jeffrey war damals auch da. Etwas später als ich. Er wirkte unglücklich. Es waren vielleicht zwei Wochen vergangen, nachdem ich vom Baum gefallen bin.

Ich wollte zu ihm, traute mich aber nicht.

Es waren ... insgesamt sehr viele Menschen da. Bestimmt 20 Kinder und viele haben ihre Eltern mitgenommen. Jeffreys Mutter hatte mir zugelächelt, mich später noch gefragt, wie es mir denn geht und kurz Unterhalten haben wir uns. Sie war eine wirklich sehr nette Frau.

Joel war auch da. Er ist schwarz. Die anderen Kinder haben ihn komisch beäugt, was wahrscheinlich daran liegt, dass sie zuvor nicht wirklich welche mit solch einer dunklen Haut gesehen haben. Er kommt nicht von hier. Seine Eltern und er sind extra angereist, um Billys Familie endlich wiederzusehen.
Die anderen Kinder, auch Jeffrey, hörten auf mit ihren Waffen zu spielen und starrten ihn an. Auch ich starrte, wofür ich heute ein schlechtes Gewissen habe. Dann begannen einige damit, ihn zu hänseln.

Der arme Joel.

Ich entfernte mich ein wenig von der Gruppe. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Die Erwachsenen haben nichts gemerkt. Unbewusst stand ich auf einmal neben meinen Kinderschwarm. Aber ... Jeffrey ... sah auf einmal nicht mehr unglücklich aus.

Die anderen Kinder fingen an ihn spöttisch zu fragen, ob er sich nicht waschen würde oder ob er sich nicht genug eincremen würde. Einer fragte ihn sogar, ob er überhaupt ein Mensch sei.

„Wieso lächelst du?", flüsterte ich damals zu Jeffrey.

„Weil nicht ich der Außenseiter bin."

„Und das findest du gut?"

„Wieso denn nicht?"

„Ich bin lieber ein Außenseiter, als einer von denen." Mit meinem Kinn zuckte ich in die Richtung der anderen Kinder.

Joel fiel zu Boden, nachdem er von einen größeren Jungen geschubst wurde. Sein Knie war aufgeschlagen.

„Willst du denn so rumgeschlagen werden, wie der Schwarze?" Neugierig sah er mich an.

Mein Blick war weiter starr auf Joels Wunde gerichtet. Blut trat davor. Und es ist das gleiche Blut, was in unser allern Adern fließt.

„Er ist wie wir.", traurig senkte ich meinen Blick.

Dann stellte sich Jeffrey, vor den verängstig, am Boden liegenden Jungen. Und wieder fühlte ich mich ihm so nah, wie bei unserem Gespräch in seiner Küche.


Da ist noch ein Knall, das panische Gesicht meiner Mutter, die mich greift und nach Hause schickt. Schreie und Geräusche, die sich wie schluchzen anhören. Irgendwas war mit Jeffrey ...


Und an mehr, erinnere ich mich nicht.


„Kacke!", fluche ich. Es ist, als wäre eine Blockade in meinen Kopf. Eine Wand, die ich nicht durchdringen kann. Wissen, welches ich noch habe, aber an dessen Informationen ich nicht komme.

Ich muss dieses Video sehen.

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt