Der Siebte Jahrestag - Teil 1

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Früh morgens, ein Tag vor meinem Siebzehnten Geburtstag, verabschiede ich mich schon von meinen Vater. Alle Polizisten der Stadt und Umgebung bereiten sich vor, geben Warnungen an Familien raus und streifen durch die Umgebung.
Dieses Mal werden sie keinen Mord zu lassen.

Hoffen sie zumindest.

Der restliche Tag lässt jede Sekunde verstreichen, als wären es Minuten. In der Schule schweifen meine Gedanken öfters in die Ferne. Unbemerkt kritzle ich auf meinen Block immer wieder das, was ich über dieses Monster weiß und wie ich ihn mir vorstelle. Lange, schlanke, kühle Finger, zugespitzt, als wären es Krallen. Eine blasse Haut und ein langgezogenes Gesicht, schmale Lippen und eingefallene Wangen. Falten auf seiner Stirn und trübe Augen, Augen die sind, wie die von einem toten Fisch. Leblos, ohne Glück.

„Lucia, haben Sie eine Meinung zu dem Thema?"

„Hm?" Die Stimme meiner alten Philosophielehrerin lässt mich aufhorchen. Ihre Haare haben ein verwaschenes blond und Altersflecken sind auf ihren faltigen Händen zu sehen. Kritisch sieht sie auf den angekauten Stift in meiner Hand und kräuselt ihre blassen Lippen. 

„Wenn Sie der Klasse erzählen, was Sie dort veranstalten, wiederhole ich die Frage meinetwegen. Aber null Punkte gibt es trotzdem.", weist sie mich streng zurecht.

„Und wenn ich eine Antwort habe, ohne ihre Frage noch einmal zu hören? Auch wenn es eine passende Antwort gar nicht geben kann, da es immer auf die einzelne Person ankommt und nichts nachgewiesen werden kann?" Oh, wie sehr ich den Philosophie Unterricht hasse. Nicht, dass ich das philosophieren an sich nicht mag, ganz im Gegenteil, es ist nur das jeder jedem seine Meinung aufzwängen will und nie jemand nachgeben wird.

Ohne meine Lehrerin etwas erwidern zulassen, spreche ich weiter: „Ich denke nicht, dass der Mensch von Natur aus böse ist, aber auch denke ich nicht, dass er von Natur aus gut ist. Lediglich denke ich über den Menschen, dass er Egoistisch und Selbstsüchtig ist. Und bevor mir jetzt einige Sturköpfe ins Wort fallen: Wenn der Mensch sich hocharbeitet, um mehr Geld zu verdienen und es für sein Wohlbefinden ausgibt oder er stehlt oder Lügt, um einer Strafe zu entgehen, dann ist es selbstsüchtig. Spendet ein Mensch aber seinen ganzen Verdienst, opfert sich auf für eine andere Person auf, klingt es ja zuerst sehr selbstlos. Aber das ist es nicht, denn würde die Person es nicht tun, hätte sie ein schlechtes Gewissen und daraus resultiert, dass sie sich schlecht fühlt. Und wenn sie nach dem Prinzip von Karma handelt Wer Gutes tut, den wird gutes wiederfahren, handelt  letztendlich auch egoistisch. Das ist meine Meinung, denn jeder Mensch ist Fähig zu Gutem und Schlechtem Handeln, es kommt nur auf den Antrieb an."

„Sehr gut Lucia, dein Standpunkt ist begründet und ausgeführt.", lobt sie mich nun, „Will jemand darauf eingehen?"

Oh nein. Bitte, bitte. Keine Diskussion.

„Ja Lukas?"

„Das was sie sagt, ist doch totaler Mist. Wenn ich mich für jemand anderen Opfer, vor allem wenn ich die nicht kenne, dann ist das doch Selbstlos. Also ich bin garantiert nicht egoistisch."

Innerlich stöhne ich genervt auf. „Wenn jemand zu dir kommen würde und sagt: Wenn du stirbst Lukas, dann kannst du Fünf Menschenleben retten. Würdest du es denn machen?"

„Natürlich!", antwortet er selbstsicher. Einige Mädchen schauen ihn bewundernswert an. Ich weiß nicht, was sie an ihn so toll finden. Seit dem Kindergarten habe ich meine Differenzen mit ihm.

„Wenn das so ist. Mein Vater hat zu Hause eine Knarre liegen, ich muss sie nur holen, wir fahren ins Krankenhaus, wo du denn Selbstmord begehst und deine Organe spendest. 5 Menschen solltest du damit schon retten können. Sollen wir?" Emotionslos ziehe ich meine Augenbrauen nach oben.

Jetzt schluckt er.

Viel Gerede und nichts dahinter. Das beschreibt seit Wesen recht gut.

„Ich-"

Niemals hörte sich das Pausenklingeln so gut an, wie jetzt. Erleichtert erlöst zu sein, knülle ich das Papier vor mir zusammen, werfe es in den Mülleimer und verschwinde aus den stickigen Raum.

-

„Lu? Lu bist du das?"

Die heitere Stimme meiner Mutter schallt aus der Küche. „Ja mum. Wer denn sonst?" Die schwere Eingangstür schließe ich hinter mir und verriegle die drei verschiedenen Schlösser. Vor vier Jahren fing mein Vater mit diesen extremen Sicherheitsmaßnahmen an. „Du hattest ja gar nicht die Alarmanlage an.", tadle ich meine Mutter sarkastisch. Meinen Rucksack streife ich mir von meinen Schultern und aus meinen Converse schlüpfe ich hinaus.

„Wer weiß schon, wer noch kommt?" Meine Mutter tritt mir entgegen und wackelt spielerisch mit ihren Augenbrauen. „Vielleicht ein Geburtstagsgast? Wer weiß?"

„Mum, ich bin schockiert. Du verheimlichst mir ja etwas.", empört schnappe ich nach Luft und fasse mir theatralisch an die Brust. „Also raus mit der Sprache, du wirst es sowieso nicht für dich behalten können."

„Wie kannst du so etwas sagen, Lu?" Zur Begrüßung gibt sie mir einen Kuss auf die Stirn.

„Weißt du noch mein Achtes Weihnachtsfest? Ich kannte meine ganzen Geschenke schon ein Monat vorher, da du so aufgeregt warst und alles ausgeplaudert hast. Seit dem sorgt dad für die Geschenke."

„Jetzt komm bloß nicht wieder damit." Leicht haut sie mich mit ihren Geschirhandtuch. „Na gut, ich sage es dir. Dein Dad will heute Abend wieder kommen. Er hat sich frei genommen! Und deine Schwester kommt auch morgen. Nun gut, nicht ganz, in Kanada liegt so viel Schnee und du kennst ja das Problem mit den Flugzeugen, aber per Skype wird sie da sein. Und ..."

„Du machst Witze. Dad kommt ...?" Meine Kinnlade klappt mir herunter.

„Ja, wenn alles klappt, sollte er zwei Stunden nachdem es dunkel geworden ist, nach Hause kommen."

„Wirklich?! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich gerade bin!" Stürmisch schlinge ich die Arme um den Hals meiner Mutter. „Endlich habe ich ihn an meinen Geburtstag wieder für mich!"

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt