Natur - Klick drei

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JEFF

Kurz verbannt das Monster sein Messer aus seinen Gedanken. Er muss sie töten, das weiß er. Aber nur noch einen Augenblick will er diesen Moment genießen.

Einen Augenblick mit ihr.

Wo er ihr wahre Schönheit zeigt.
Schönheit, die mit ihrer eigenen und seiner zu vergleichen ist.

Seine Hände zittern, als er den Knoten des Schals löst. Wie mag sie wohl reagieren? Ängstlich, wie als er ihr seine Morde gezeigt hat? Unteilnahmelos, wie als er sie zu seinem derzeitigen Unterschlupf gebracht hat?
Angespannt starrt er sie an, kann seine Augen nicht von seinem Mal'ach wenden. Wie sie mit der Zunge über ihre Lippen streicht, wie sich ihr Kehlkopf bewegt, so auch die Pupillen unter ihren geschlossenen Lidern. Er kann sich nicht auf das konzentrieren, was er ihr zeigen will.

Die Schönheit der Natur.

Er hat diesen Ort für sich entdeckt, kurz nachdem er seine Eltern und seinen Bruder Liu umgebracht hat. Voller Verzweiflung, aber noch mit der Energie seiner begonnenen Morde, machte er sich damals auf die Suche.
Er hat ihn die Straße Neugierig gemacht – wo Jeffrey auch nun das Taxi geparkt hat. Voller Risse und Pflanzen, die durch den Beton gebrochen sind. An einigen Stellen ist die Straße sogar komplett unterbrochen und würde man sie weiter verfolgen, würde man sehen, wie sie in einen kleinen Fluss mündet.
So ist er in das Labyrinth der Pflanzenwelt gelaufen, hat sich seinen Weg zu dem jetzigen Ort gebannt, und hat die Schönheit der Natur mit voller Pracht erlebt. Häuser Ruinen stehen hier, Umrisse von Bauwerken, die Menschen schon vor langer Zeit verlassen und vergessen haben. Bäume haben ihre Wurzeln auf und um die Steinmauern geschlagen, Moos und „Unkraut" wuchert an jeder Stelle, die sich bietet und es muss mehrmals hingeschaut werden, bevor alle Ruinen wirklich wahrgenommen werden.

Das ist die Kraft der Natur.
Sie erobert sich das zurück, was ihr gehört.
Eine Definition der Schönheit, der Schöpfung.
Etwas Göttliches.

Der Mörder schließt seine Hand um sein Messer und beobachtet das Mädchen, wie sie sich traut ihre Augen zu öffnen und zum ersten Mal die Schönheit entdeckt, die er vor Sieben Jahren entdeckte. Seine Hände werden unwillkürlich feucht, ein Kloß bildet sich in seinem Hals – doch fällt diese Belastung von ihm ab, als er ihre Reaktion auf die Umwelt wahrnimmt.
Ihre Muskeln entspannen sich, sie hört auf nervös ihre Finger zu bewegen und ein erstaunter, glücklicher Ausdruck zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. Farbe kehrt in ihre Wangen und der zunächst geöffnete Mund verwandelt sich zu einem Strahlen.

„Das ist ... das ist ...", die Worte des Mädchens überschlagen sich, viel zu überwältigt ist sie von diesem Augenblick. Kurz schafft sie es, ihre Augen von der Natur zu Jeffrey zu lenken, verharrt kurz, beginnt dann aber wieder ihren Impulsen freien Lauf zu lassen.

„Wunderschön.", flüstert sie.

Jetzt muss er sie töten.

Genau jetzt muss er ihr Leben beenden.

„Ja." Seine Stimme ist erschöpft. Sein ganzer Körper fühlt sich schlapp an.

Jetzt.

Im Zwiespalt mit sich selbst nähert er sich ihr. Sie ist ein scheues Reh, er darf sie nicht erschrecken.
Immer fester um krallt er die Klinke mit seiner Hand, es ist schmerzhaft, wie sie in seiner Hand liegt.

Er ist direkt hinter ihr.

Jetzt.

„Oh Jeffrey." Das Messer schon erhoben, schreckt er zusammen, als er wieder ihre Stimme wahrnimmt.

Glockenhell.

Engelsgleich.

Arme schlingen sich um seinen Körper und er ist zu überrascht, um sich zu bewegen. Er verharrt, bis er begreift, was um ihn geschieht.

Lucia, sein Mal'ach, drängt sich an ihn, ihre Hände um seinen Hals geschlungen. Ihre Wärme ist für ihn so deutlich spürbar, dass er das Messer in seiner Hand fallen lässt. Mit einer ihrer Hände massiert sie leicht seinen Nacken und zieht ihn zu sich herunter, wodurch er ihr breitwillig nachgibt.


Und dann.


Dann spürt er ihre pulsierenden Lippen auf seinen.

Warm, leicht rau, aber so zärtlich.

Und er lässt sie gewähren. Er will nichts dagegen tun. Solange hat er sich danach gesehnt.

Er will sie doch gar nicht töten.

Weiter stehen die zwei da, ineinander verschlungen und für Jeffrey gibt es nichts anderes, als diesen Engel in seinen Armen.

Doch dann schmeckt er Salz und schafft eine leichte Lücke zwischen ihnen.

„Du weinst.", bemerkt er und streicht über ihre Wange.

„Das hier ist so wunderschön. Dieser Ort, er ..." Sie muss nicht weitersprechen, er weiß, dass sie die Wahrheit sagt. Einmal nur hat sie sich so in den letzten Tagen so angehört und das war als er ihr den Zettel gezeigt hat.

Den Zettel, den sie ihn vor Sieben Jahren geschrieben hatte, nachdem sie vom Baum gefallen ist und den er solange aufgehoben hat.

„Weil ich nicht hinein passe."

So will er sie immer sehen.


Lucia's Sicht

Der Augenblick bevor ich meine Augen öffne, zieht sich schmerzvoll in die Länge. Doch als ich meine Lider aufschlage, ist all das vergessen.

Alles.

Es ... ist so wunderschön.

Nach so einen unglaublichen Ort habe ich mich die Jahre gesehnt. Einen Ort, der schon so lange nicht von Menschenhand berührt wurde. Einen Ort, der durch die Stärke der Natur so verzaubert aussieht.
Und er wirkt gar nicht unheilvoll.

Nein ... denn ... es ist perfekt.

„Das ist ... das ist ...", die Worte fallen mir schwer über die Lippen. Ich bin sprachlos, überwältigt. Es ist das Schönste, was mir jemals jemand zeigen konnte.

Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst blicken soll. Ein Gefühl des Glücks überfällt mich und ich kann nicht anders, als denjenigen, der mir dies Geschenkt hat, anzusehen.


Doch ...

Ich

Verharre.

Sehe das Messer in seiner Hand.

Er wird mich töten.

Aber jetzt ...

Hier will ich nicht sterben.

Ich muss.

„Wunderschön." Schaffe ich es mühselig, meinen vorigen Satz zu beenden.

„Ja" Er ist hinter mir.

Ich.
Werde.
Leben.

„Oh Jeffrey!" In einer schnellen Drehung drehe ich mich zu ihm um und schlinge meine Arme um seinen Hals. Überschwänglich überfalle ich ihn und presse ihn meine Lippen auf sein Grinsen.

Bedacht darauf, dass alles Liebevoll vonstatten geht.

Ich werde ihn keinen Grund geben, mich zu töten.
Denn ich will selber entscheiden, wann ich sterbe.

Und es fühlt sich nicht einmal verkehrt an ...



Oh Lucia ... :D ob das mal gut geht? :D Sie fängt ja langsam an sich zu verändern :P
Ihr hattet alle keine Angst um Lucia im letzten Kapitel XD, vielleicht muss ich ja mal fies werden, damit ich nicht alle denken ich wäre verweichlicht XD :P

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt