kleine, hölzerne Figuren

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3 Jahre zuvor

Unglücklich betrachtet das Mädchen die kleinen hölzernen Figuren in ihrer Hand. Sie sind handgeschnitzt, ein Unikat, und dennoch für die meisten Menschen besseres Brennholz. Sonderlich schön sind sie nicht.

Wir haben einen Anruf bekommen. Großvater ist tot.

Eine Träne kullert ihr über die rosigen Wangen.

Großvater ist tot.

In diesem Moment, den Moment des Vermissens, zählen die Figuren zu ihrem wertvollsten Hab und Gut. Sie klammert sich an ihnen, als könne sie so den Geist ihres Großvaters für immer bei sich behalten. Die Toten auferstehen lassen.

Wir haben einen Anruf bekommen. Großvater ist tot.

Die stumme Träne verwandelt sich zu einem Meer. Ein Meer, das an ihren spröden und aufgeplatzten Lippen mündet. Und sofern sie den salzigen Geschmack bemerkt, fängt sie mit dem schreien an. Der Schmerz überrollt sie. Überfällt ihren Körper und sie ist zu schwach, um sich dagegen zu wehren. Ihr schluchzen wird lauter und sie sinkt zu Knien. Warum hat man ihn ihr nur weggenommen.

Die Eltern des Mädchens haben sie gehört. Eilig sind sie in ihr Zimmer gestürmt und betrachten vom Eingang diese kümmerliche Szene. Sie wollen etwas sagen, tröstende Worte spenden, doch es fällt ihnen nichts ein.

„Püppi ..."

„Nein." Spricht sie heiser. Sie will niemanden hören. Niemanden hören, niemanden sehen, nichts fühlen.

Unbemerkt ist Magdalena dazugekommen. Sie kniet sich zu ihrer kleinen Schwester und nimmt sie vorsichtig in den Arm.

„Fass mich nicht an!", kreischt sie. Die Wut dient als Ventil ihrer Trauer. Wild schlägt sie mit den Armen um sich.

„Ich will doch nur -"

„Ich habe gesagt du sollst mich nicht anfassen! Hau ab! Haut alle ab!" Sie keucht. Nur schwer sind ihre Worte zu verstehen.

„Lu, ich will -", mit ihrer einfühlsamen Stimme macht sie es nur noch schlimmer.

„LASS MICH IN RUHE ALEN! ICH BRAUCHE DAS NICHT. ICH KOMME ALLEINE KLAR!" Sie hasst es, wenn andere ihre schwachen Momente mitbekommen.

„Dann nicht. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Uns allen geht es schlecht. Gemeinsam schaffen wir mehr." Alen presst ihre Lippen aufeinander. Sie versteht ihre Schwester nicht. Beide sind wie Tag und Nacht.

„ICH HABE GESAGT", sie kreischt, hustet und verschluckt sich beim Atmen. „- IHR SOLLT ABHAUEN! WARUM HÖRT IHR NICHT AUF MICH!" Auf ihrem ganzen Gesicht bilden sich rote Flecken und sie sieht nur noch mit verschwommener Sicht. Keiner nimmt sie ernst. Keiner versteht was in ihr vorgeht.

„Lucia. Es ist unfair wie du mit uns allen redest. Wir wollen nur das es dir gut geht." Ihre Mutter hat einen strengen Ton aufgeschlagen.

„Ach verdammt! Dann. Lasst. Mich. Doch. Nur. In. Ruhe. Es ist UNFAIR, dass ihr nicht meine Privatsphäre akzeptiert. Es ist unfair, dass ihr glaubt mich besser zu verstehen, als ich mich selber. ES IST VERDAMMTE SCHEIßE UNFAIR DAS IHR MICH JETZT WEITER NERVT!" Und dann ist sie still. So still, wie ihr Großvater es nun wohl für immer sein wird.


Am Tag der Beerdigung zog das Mädchen eine bunte Smiley Jacke an, die sie von ihrem Großvater geschenkt bekommen hatte. Sie hat seit dem Abend seines Todestages kein Wort und keine Träne mehr verloren. Denn mit ihren Gefühlen muss sie alleine fertig werden und trägt sie diese nach außen, wollen ihr die anderen nur helfen. Und mit Hilfe kann sie nicht umgehen.

Zum letzten Mal nahm sie die schwarzen Schachfiguren in die Hand, die ihr Opa für die gemeinsamen Spiele mit ihr geschnitzt hatte. Dann schloss sie sie in eine kleine hölzerne Schatulle, zusammen mit einen Brief.

Ihr Vater beobachtet genau diese Szene. Ein Kloß steckt ihm in seinem Hals. Er hasst es eins seiner Kinder so traurig zu sehen. Alen und Lu sind alles für ihn. Es bricht ihn das Herz.

„Hey Kleine.", flüstert er. Erst dann nimmt sie ihn bewusst war. „Willst du die Box deinen Großvater mitgeben?"

Das Mädchen nickt. Ihr Gesicht ist blass.

„Das ist eine schöne Idee."

„Es ist nicht meine Idee.", bricht sie ihr schweigen. „Opa hat mir immer vor Reisen einen Brief geschrieben und ihn mir mitgegeben. Nun soll er auf seiner Reise auch einen haben. Und die Figuren -", nur schwach kann sie lächeln, aber es ist ehrlich, „hat er mit mir geschnitzt. Mit ihnen haben wir viele Spiele gespielt. Er war immer schwarz. Er hat immer gewonnen. Ich dachte ... vielleicht kann er sie auch noch gebrauchen ..." Ihre Stimme bricht.

„Meinst du, dass deine Schwester, deine Mutter und ich auch noch einen Brief schreiben können?" Er nähert sich ihr und legt seine Hand auf ihre Schulter.

„Da wird er sich sicher freuen."


Lucia war 13, kurz vor ihrem 14 Geburtstag als ihr Großvater starb. Ich fand das Kapitel wichtig um zu zeigen, dass Lucia auch mal lauter gegenüber ihrer Familie werden kann. Dies war jedoch bisher das letzte Mal, das es so ausgeartet ist. Vergesst nie, dass jedes Wort, was ihr zu jemanden sagt, das letzte sein kann. Ich selber streite auch mal mit meiner Familie, mag es aber nicht allzu lange böse mit ihnen zu sein.

Was macht ihr in euren Sommerferien?

Im Nächsten Kapitel kommt wieder Jeff  vor ... eigentlich sollte er auch in diesem vorkommen, fand es dann aber irgendwie unpassend. Gefallen euch denn trotzdem mal solche Kapitel wie dieses?

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt