Ehrlich gesagt war ich noch nie auf einer richtigen Party. Erstens bin ich bislang zu jung dafür gewesen und zweitens waren meine alten Freunde, mit denen ich meistens nur gelernt habe, nicht gerade die größten Partymäuse. Scott habe ich jedoch auch nicht als einen Partygänger eingestuft. Aber ich werde wohl noch früh genug merken, wie die Jugendlichen von Bloomfield so ticken.
Der Musikgeschmack des DJ's oder eher von der DJane ist echt nicht schlecht. Sie spielt eine Mischung aus den Hits und hat sogar wirklich gute Remixe. Beim Vorgehen winkt sie Scott lächelnd zu und ich frage mich, wie viele Mädchen er wohl noch Lämmchen nennt. Als ein Macho oder Badboy kommt er mir eigentlich nicht vor. Eher als ein Kumpeltyp.
Er führt mich durch die Masse, wird hier und dort begrüßt aber ansonsten zeigt Scott keine Gefühlsregung. Es kommt mir vor als beobachtet er alles ganz genau. Wir gesellen uns zu ein paar anderen auf abgeschlagene Baumstämme. Das Bier schmeckt ein wenig eigenartig, abgestanden. "An deiner Stelle würde ich nicht so viel davon trinken", murmelt Scott und fährt sich durch sein hellblondes Haar. Seine Augen kritisieren den roten Pappbecher.
"Langweiler", gröhle ich und nehme einen großen Schluck Bier.
Neugierig lasse ich den Blick über alle Gesichter schweifen. Ich glaube, dass wir hier gerade zwischen den Coolen sind. In der Highschool gibt es immer Gruppen. Die Coolen, die immer Partys machen. Dann gibt es die ruhigen Bargänger, die Musiker und die Öko's, die sich tagsüber im Wald treffen um illegale Dinge zu sich zu nehmen. Sonst gehöre ich zu Menschen, die nicht auffallen und somit gruppenlos sind. Und jetzt bin ich tatsächlich gerade dabei zu den Coolen zu gehören und ich genieße es.
Leider kann ich Annabelle nirgends entdecken. Sie gehört wohl eher zu den ruhigen Bibliotheksgängern mit ihren 10.000 Büchern im Arm. Oder sie ist schlichtweg einfach zu jung. Ich beschließe sie das nächste Mal mitzunehmen. "Sag mal, Scott. Kennst du jeden hier?", frage ich meinen Begleiter und mustere weiter die tanzenden und trinkenden Jugendlichen.
"So gut wie", antwortet Scott stolz. Ich sehe ihn fordernd an und er beginnt mir jeden einzelnen vorzustellen und vor allem mir Details zu erzählen, die er eigentlich nicht wissen sollte. Zum Beispiel wie viel derjenige an Alkohol verträgt und trinkt, welche Noten er in welchen Fächern hat, wie die Eltern drauf sind und wie viel sie verdienen.
Sein Blick bleibt an einer Gruppe von Jungen hängen. Ich folge seinem Blick und sehe ihn. Den unbekannten Jungen mit den zwei Gesichtern. Leider kann ich nur seinen Rücken sehen aber ich weiß, dass er es ist. "Wer sind diese Idioten da?", versuche ich so beiläufig wie möglich zu fragen. Idioten, weil sie herum brüllten und sich gegenseitig schupsten.
"Die Footballer", antwortet Scott knapp. Ich ziehe beide Augenbrauen hoch und sehe Scott an.
"Nun enttäuscht du mich aber. Mehr Informationen bitte?"
Scott knirscht mit den Zähnen. Er beginnt jeden einzelnen der Footballer aufzuzählen, nur ihn nicht. Ich verdrehe die Augen. "Na gut!", zischt er und rückt näher an mich heran. "Das ist Adam Cooper, Captain des Football-Teams, Sohn von Bürgermeisterin Cooper und das größte Arschloch der Bloomfield High." Ich sauge jedes einzelne Detail von Adam Cooper in mich auf. Sein Lächeln in der Schule sah gar nicht so gemein aus, jenes auf dem Friedhof gegenteilig schon.
"Okay", antworte ich nüchtern.
"Okay?" fragt Scott. "Willst du jetzt nicht aufkreischen und fragen, ob er single ist?" Ich lächle triumphierend.
"Nein, Scotty." Damit entlocke ich ihm eindeutig einen verdutzten Gesichtsausdruck.
Der letzte Tropfen Bier rinnt meine Kehle hinunter. "Ich geh mir noch was holen. Warte hier." Ich wackele mit dem leeren Becher und deute auf das Bierfass. Natürlich nehme ich extra den Weg, an dem ich ganz nahe an den Footballern vorbei gehe, um Adam Cooper von nahem zu betrachten. Leider bin ich darin nicht gerade geschickt. Als Untercover-Detektiv wäre ich schlichtweg eine Niete. Adam Cooper blickt mir direkt in meine Augen, wohl eher er starrt mich böse an. Als ob ich ihm irgendwas getan habe!
Wütend stapfe ich zu dem Fass und versuche den Zapfhahn zu betätigen. Jedoch habe ich es weder schon Mal gesehen, geschweige denn schon Mal gemacht. Und so ziehe und drücke ich, aber nichts geschieht.
"Brauchst du Hilfe?" Wieder taucht er plötzlich hinter mir auf und spielt einen auf Held.
"Nein", fauche ich eher wütend auf das Fass und den Zapfhahn, als auf ihn mit seinen bösen Blicken. Doch nach einigen Sekunden weiterer Blamage wende ich mich um und sehe ihn an. Sein böser Blick ist wie weggezaubert. Er lächelt mich an, wie in der Schule. Mit diesem Grübchen und diesen besorgten liebevollen Augen. Meine Beine drohen dahin zu schmelzen.
"Komm ich helfe dir." Er nimmt mir den Pappbecher aus der Hand, drückt und dreht etwas an dem Zapfhahn und schon bekomme ich neues Bier.
"Vielen Dank", sage ich, als er mir den vollen Becher wieder zurück gibt.
"Gerne", murmelt er und lächelt dabei sanft. Seine hellbraunen Haare hat er ordentlich gestylt, trotzdem sehen sie unglaublich voluminös aus. Er hat ein relativ kantiges Gesicht mit einem spitzen Kinn und einem breiten Kiefer. Vielleicht hat Scott doch recht und dieses Lächeln ist nur ein Trick die Girls besser ins Bett zu bekommen.
"Ich bin übrigens Alex." Ich sehe ihn verdutzt an. Verarscht er mich? Oder hat Scott mich gerade verarscht?
Nach kurzem Zögern stelle auch ich mich vor: "Ich bin Grace."
"Du bist neu hier, nicht wahr?" fragt er und wir wenden uns vom Bierfass weg.
Ich will gerade etwas antworten, mein Mund ist bereits geöffnet, da werden wir unterbrochen.
"Ja, das ist sie! Und du lässt die Finger von ihr!" Scott steht plötzlich, wieder Mal, vor uns und baut sich auf. Erst jetzt fällt mir auf, wie muskulös mein unscheinbar, verrückter Nachbar eigentlich ist.
"Ganz locker, Mann." Beschwichtigend hebt Alex die Arme hoch. "Wir haben uns nur nett unterhalten", fährt er ruhig fort. Doch Scott kocht vor Wut. Ist er etwa eifersüchtig?
"Scott beruhig dich mal", entgegne ich etwas lauter.
"Wir gehen", kommt es von ihm zurück und er packt mich am Handgelenk.
"Sag mal tickst du nicht mehr richtig!" Ich sage es lauter als ich will. Einige Leute sehen uns bereits an. Aber Scott schiebt und zieht mich weiter, entreißt mir den Becher und wirft ihn weg.
"Du hast sie doch nicht mehr alle!" keife ich ihn an und schlage um mich. "Erst schleppst du mich auf diese Party, dann lügst du mich an, von wegen Adam Cooper! Er heißt Alex! Und dann zerrst du mich wieder weg. Was soll der scheiß?"
Anstatt irgendetwas zu sagen bleibt Scott stehen und sieht mich an. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und sein Brustkorb hebt und senkt sich angespannt.
"Ich beschütze dich nur, Lämmchen."
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Etwas Verträumt
VampireWas wäre, wenn alle um dich herum sich plötzlich seltsam benehmen? Wenn dein bester Freund behauptet es gäbe Vampire? Und Menschen grundlos verschwinden? Verträumt, tollpatschig, naiv, ahnungslos - Diese Worte beschreiben Grace Harper als sie nach...