Aura

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Das Klassenzimmer ist bereits gefüllt, als ich den Raum betrete. Sämtliche Weiberblicke sind bereits schmachtend, angsterfüllt oder sehnsüchtig auf mich gerichtet, während mein Blick starr gerade aus geht.

Es ist nicht leicht die Aura eines Vampires zu haben. Unsere Aura ist wie eine magische, unsichtbare Hülle, die bei Menschen verschiedene Gefühle auslösen kann. Je nach dem wer man ist und wie man sich verhält, passt sich die Aura an. Bei mir ist die Aura, die eines gut- aussehendem jungen Vampires und wirkt natürlich überwiegend bei jungen Mädchen. Und ich liebe es. Ich liebe das Gefühl, wenn die Welt sich nur um mich dreht.
So ist es leichter an Nahrung zu kommen. Obwohl wir Vampire ein Abkommen mit den wissenden Menschen haben, lasse ich mir frisches Blut nicht entgehen. Gekühlte Konserven oder gar Tierblut schmecken nach abgestandenen Keksen im Schrank. Also bevorzuge ich warmes Blut aus einer menschlichen Vene.

Der Unterricht zieht an mir vorüber, wie eine Sanduhr. Ich schweife mit den Gedanken von den Kurvendiskussionen ab und stelle mir vor, welchem Mädchen ich als nächstes in das weiche Handgelenk beißen werde. Wie sie aufstöhnen wird vor Schmerz und Begierde nach mir. Ihr Brustkorb würde sich schnell heben und senken, ihr Puls würde rasen und in meinen Ohren widerhallen.

„Miss Harper haben sie etwas zu meinem Unterricht beizutragen?", höre ich unseren Mathelehrer zu einem Mädchen sagen. Neugierig hebe ich den Blick und kichern ertönt. Sie lachen das neue Mädchen aus, während es anfängt zu stottern.
Meine Augenbraue schießt unwillkürlich nach oben. Miss Harper amüsiert mich. Vielleicht sollte ich diesem unschuldigen Wesen zur Hilfe eilen.
Bevor ich etwas sage, schaue ich sie mir genau an. Die Haare dieses Mädchens sind aalglatt und braun. Nach hinten gekämmt sieht sie brav und vor allem sehr unschuldig aus. Ihr Profil zeigt eine kleine Stupsnase und schöne volle Lippen, die sie mit rosigem Lippgloss beschmiert hat. Ich hasse dieses Zeug. Sie hat reine Haut und ist sehr blass.
Ich entscheide mich dazu, ihr nicht unbedingt zu helfen. Bei ihr werde ich einen ganz andere Weg einschlagen.

„Ich glaube, sie konnte ihrem Unterricht nicht ganz folgen, Mr. Hops!", rufe ich gehässig mit lauter Stimme und bringe meine Freunde zum Lachen, die Mädchen zum Kichern.Wie erwartet, wirft sie gleich einen Blick zu mir nach hinten. Ihre Augen weiten sich, ihr Blick erstarrt und ich sehe, dass sie wundervolle blaue Augen hat. Kurz schwankt meine Bad Boy Miene. Augenblicklich meldet sich mein Hunger, der Drang meine Zähne in ihrer weichen Halsbeuge zu vergraben. Ein leises Schmatzen entfährt mir. Ich verliere fast die Kontrolle über meinen Durst nach frischem Blut. Doch plötzlich springt sie auf und rennt mit einer Hand gegen ihren Mund gepresst aus dem Klassenraum. Unser Mathelehrer protestiert, meine Mitschüler fangen an zu tuscheln.

Bloomfield kann sich glücklich schätzen, dass meine Mutter und die ihr zugehörigen Vampire sich an Regeln halten. Sonst wäre ich wahrscheinlich schon längst auf jeden einzelnen hier gestürzt und hätte sie an mich gerissen. Aber ich benehme mich wie der nette und brave Sohn und benutze weder meine Zähne, noch meine Vampirkräfte, die sich in Manipulation äußern.

Harper bleibt verschwunden und kurz plagt mich ein schlechtes Gewissen über meine Worte. Soll ich ihr folgen und mich entschuldigen? Oder drohe ich dann vor Hunger ihrem Leben ein Ende zu setzen?

Etwas VerträumtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt