Kapitel 27 - Ein Hunter weniger, einer mehr

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Dieser Blick, den Adam mir zuwirft, habe ich nach all dem nicht erwartet. Hinter ihm sehe ich seine Leute - seine Familie, die hämisch grinsen. Sie werden dafür büßen und wenn ich ihnen selber irgendetwas silbernes zwischen ihre arroganten Augen ramme.

Meine Hände zittern und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Es war alles voller Blut. Während ich den Notarzt anrufe, haste ich wieder in das Badezimmer und werde mit dem gleichen Szenario überrumpelt, wie vor einigen Minuten.

Ein Mädchen liegt auf dem Boden und hält sich den Hals. Ich habe ihr meine Jacke gegeben, die sie gegen eine Wunde hält. Aus ihrem Handgelenk sickert ebenfalls diese rote Substanz auf die Vampire so sehr abfahren.

„Hallo hier spricht Grace Harper, in der Bloomfield High auf der Mädchentoilette gab es einen Angriff auf ein Mädchen. Sie blutet aus dem Handgelenk und dem Hals, ist noch ansprechbar aber wirkt abwesend. Bitte kommen sie schnell", sage ich ordnungsgemäß in den Hörer, während jemand an der anderen Leitung meine Informationen annimmt. Die Person versichert mir jemanden vorbei zu schicken.

Niemand von den Schülern kommt auf die Mädchentoilette. Sie alle warten darauf, dass etwas geschieht. Wieso handelt nie jemand, wenn es wichtig ist?

Alles geschieht in wenigen Sekunden. Ich knie mich zu dem Mädchen herunter. Sie sitzt da und starrt ins Leere, die Hand weiter an ihren Hals gepresst.

„Gleich kommt Hilfe. Hab keine Angst", versuche ich sie aufzuheitern, aber meine Worte hören sich für mich selber urkomisch an. Die Tatsache, dass Vampire sie ausgesaugt haben, in einer Welt in der so etwas eigentlich Fiktion sein sollte. Sie antwortet mir nicht, starrt weiter ins leere. Abwesend und schockiert - wäre ich sicherlich auch, wenn mir irgendetwas die Zähne in meine Gefäße rammt.

„Ich bin Grace und bleibe bei dir bis die Sanitäter kommen." Ich nehme ihre Hände und sehe deutlich zwei Einstichstellen, die ich mit Papier abdrücke.

„Wie heißt du?", frage ich sie und versuche in ihren Blick zu gelangen. Das Mädchen schluchzt auf und sieht mich dann mit kristallblauen Augen an.

„Sam... Samantha", bringt sie hervor und ein weiteres Schluchzen überfällt ihren Körper. Ich ziehe sie vorsichtig in meine Arme und übe weiter Druck auf die Stellen an ihrem Handgelenk aus.

„Sie werden an die Macht gelangen", höre ich Samantha plötzlich sagen. Was meint sie damit? Ich lasse ihre Hände los und drücke ihren Kopf etwas von mir weg um sie anzusehen.

„Was meinst du?"

Diesmal sieht Samantha mich wieder an.

„Sie haben mir gesagt, ich soll es allen sagen: Die Zeit ist gekommen für mehr Macht und mehr Blut." Ihre Stimme bebt und als sie den Satz beendet, bleibt mir keine Zeit etwas zu erwidern. Zwei Sanitäter klopfen und treten dann ein. Sie sehen uns auf dem Boden sitzen und kommen sofort auf Samantha zu. Keiner schaut merkwürdig und wundert sich über die Stellen. Was diese Männer wohl denken?

Ich höre einen der Sanitäter leise auf Samantha einreden, während der andere seinen dicken Rucksack öffnet und Verbandsmaterial auspackt.

Ich sehe alles durch einen Schleier. Ja natürlich weiß ich wodurch es entstanden ist, aber das alles wirkt noch so irreal.

„Es ist gut, dass du das Mädchen gefunden hast und Hilfe geholt hast." Der eine Sanitäter sieht mich an. „Muss ein Schock sein, jemanden zu finden, der gerade versucht hat sich selbst umzubringen", flüstert er und sieht mich bemitleidenswert an.

Wie bitte?
„Was?", frage ich mit heiserer Stimme. Ja für andere ist es nicht offensichtlich, aber Bisswunden sind ja wohl was anderes als Schnittwunden.

„Sie hat nicht versucht sich umzubringen!", sage ich mit fester Stimme und bereue meinen Einwand sofort.

Der Sanitäter sieht mich an. „Was ist dann passiert?"

Samantha wurde von einer Vampirfamilie angegriffen und nicht zu Ende ausgesaugt, sondern liegen gelassen, um eine Nachricht zu verkünden. Ich schlucke schwer und zucke mit den Schultern.

„Wir werden sie jetzt ins Krankenhaus bringen. Weißt du ihren Namen? Sie will ihn uns nicht verraten."

„Sie heißt Samantha, aber ich weiß nicht wie weiter. Aber bestimmt hat sie einen Schülerausweis dabei." Ich deute auf ihren Rucksack der achtlos an einer der Klotüren lehnt. Ein Lippenstift liegt geöffnet im Waschbecken.

Wut packt mich. Ich habe Adam meinen Standpunkt mitgeteilt und ich werde alles dafür tun, dieses auch einzuhalten.

Die Hunter haben ein Mitglied durch Verrat verloren und nun werden sie eins dazu gewinnen.

Samantha wird von den Sanitätern auf eine Trage gelegt und angeschnallt. Sie wehrt sich nicht, schließt nur die Augen und lässt sich vor versammelter Schule durch den Flur schieben. Ich folge ihnen noch ein kleines Stück, bevor ich mitten auf dem Flur stehen bleibe und selber ein kleines Schluchzen von mir gebe. Die Blicke der Menschen, aber auch der neuen Zugänge der Stadt - die Vampire - liegen auf mir. Meine eigenen Hände sind blutverschmiert. Dies war ein offensichtlicher Angriff der Feinde. Beginnt nun ein Krieg zwischen den Huntern und den Menschen? Wie viele Verletzte... oder gar Tote müssen noch folgen? War mein Vater in all dies verwickelt?

Eine Hand legt sich sanft auf meinen Ellenbogen.

„Komm ich bringe dich nach Hause. Es gibt viel zu besprechen." Es ist Scott, der wie immer die Fassung behält. Ihm schwirren sicherlich nicht so viele Gedanken durch den Kopf wie mir. Sanft drückt er mich weiter, an den gaffenden Menschen vorbei, weg von Adam und seiner Familie. Weit weg von den Vampiren.

Alle gemeinsam sitzen wir in unserem Wohnzimmer. Die Mutter von Scott, meine Mutter, mein Bruder, Scott und ich. Dafür das Bloomfield nun schon insgesamt vier Opfer hatte, waren wir immer noch zu wenig Hunter.

„Du bist fest davon überzeugt, dass es ein Vampirangriff war?", fragt Jesper mich eindringlich. Alle sehen mich an.

„Ja natürlich", brumme ich. „Sie hatte richtige Bissstellen. Wie Stiche, nur tief. Hier am Hals", ich deute mit zwei Fingern auf meinen Hals, „und hier am Handgelenk."

Meine Mutter nickt verständnisvoll. „Grace wir glauben dir. Doch in Moment können wir nichts tun."

„Wir müssen aber etwas tun." Es ist Scott der sich zu Wort meldet. Unsere Väter sind weg, für Bloomfield gibt es also keine Anführer der Hunter mehr. Aus irgendeinem Grund sehe ich ihn als Anführer, wie er da mit geballten Fäusten steht und auf uns herabsieht.

„Mutter, hast du Antwort von Oben bekommen?" Seine Mutter schüttelt den Kopf und senkt den Blick.

„Hat keiner etwas von unseren Leuten gehört? Niemand?" Stille. Eine bedrückende Stille legt sich über uns alle.

„Dann werden wir alleine handeln müssen. Grace, du hast gesagt, du bist dabei, wenn du musst?"

Ich sehe auf. Nach all dem was passiert ist, nach all dem was ich sehen mussten, bleibt mir nichts anderes über als zu nicken. Nicht noch ein Mal, will ich jemanden vor meinen Augen bluten sehen.

„Gut. Wir beginnen morgen sofort mit deinem Training. Jesper du fährst heute noch nach Hartford und gehst in den Pub von dem ich dir erzählt habe. Dort wirst du einige der Studenten rekrutieren müssen. Sag ihnen, was hier in Bloomfield vorgeht und berichte ihnen vor der Nachricht, die sie uns über Samantha übermittelt haben."

„Scott, es ist ja schön und gut, dass du hier den Anführer spielst. Aber was ist deine Aufgabe in der ganzen Sache?" Jesper seht auf und sieht Scott an.

„Nun ja, Jesper. Ich werde den Vampiren eine kleine Nachricht von uns übermitteln. Ich sage es ungerne, aber der Krieg hat nicht erst heute begonnen. Er ist schon längst im Gange."

Etwas VerträumtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt