Nach dem ich mein gesamtes Frühstück auf dem Grab entleert habe, stehe ich langsam auf. Natürlich passiert nur mir so etwas dummes. Was ist nur los? Nicht mal eine Woche hier und schon mache ich mir den heißesten Kerl zum Feind. Von einem Neuanfang brauche ich nun gar nicht mehr zu sprechen. Mein Ruf ist jetzt völlig zerstört und ich glaube, dass ich da in zwei Jahren auch nicht mehr raus komme. Anstatt wie eine Königin durch die Schulgänge zu stolzieren, muss ich mich jetzt verstecken und dafür sorgen, dass mir nicht noch ein Mal so ein Fauxpas passiert. Und gegen meinen nervösen Magen sollte ich erst recht etwas tun. Wo ist mein neu erstandenes Selbstbewusstsein geblieben?
Ich seufze entnervt und klopfe mir den Dreck von meinem Kleid. Gott sei dank ist es nur Erde. Der Grabstein der Coopers hat da etwas mehr gelitten, mit dem Erbrochenen auf der Erde. Der Stein ist aus weißem Marmor mit Ranken als Verzierung. Den Namen kann ich natürlich nicht zuordnen, nur das Jahr verunsichert mich ein wenig. Das Grab ist schon 250 Jahre alt und ich habe es beschmutzt. Ich beschimpfe mich innerlich und schüttele den Kopf über mich selbst.
Schritte ertönen hinter mir. Langsam wende ich mich um und sehe Alex vor mir. "Bist du eigentlich immer zur falschen Zeit am falschen Ort?", zischt er und kommt näher auf mich zu. Seine Wangenknochen spannen sich und er presst wütend seine Zähne aufeinander.
"Tut mir leid, das mit dem Grab wollte ich nicht", gebe ich kleinlaut von mir und trete von dem Desaster weg.
"Ich mache es sauber, versprochen Alex!" Alex zieht eine Augenbraue hoch und grinst frech. Ich runzele die Stirn. Dieser Kerl ist wirklich komisch, aber dabei so heiß. Die Konturen seines Körpers kann ich unter dem schwarzen Hemd sehr gut erkennen, er ist muskulös und hat die perfekte Größe für mich. In Absätzen bin ich seinem Gesicht genau gegenüber und trotzdem noch ein Stück kleiner als er. Diese Lippen verführen nur zum Küssen. Ich bemerke nicht, wie ich mir mit der Zunge meine Lippen befeuchte.
"Gefällt dir was du siehst?", fragt Alex grinsend und tritt noch ein Schritt näher. Sein Blick wandert ebenfalls von unten über meinen ganzen Körper, er macht es nicht gerade versteckt. Ich fühle mich, als schaut er sich wirklich jede einzelne Faser und Rundung meines Körpers an.
"Ich sollte gehen." Ich blicke auf den Boden. Er macht mich wirklich nervös. Meine Hände schwitzen bereits und ich fühle mich wie nach einer Achterbahnfahrt. Alex steht nun fast vor mir und legt seine Finger unter mein Kinn. Vorsichtig aber bestimmt drückt er es hoch.
"Schau mir in die Augen, Kleines", zitiert er aus der ersten Synchronisation von dem Film Casablanca aus dem Jahr 1942. Ich als Filmliebhaber kenne so etwas natürlich. Aber ein junger cooler Kerl aus der Highschool? Ich schüttele den Kopf.
"Noch dümmere Sprüche fallen dir nicht ein oder?", entfährt es mir. Alex gibt ein animalisches Knurren von sich und ich fühle mich nun wirklich wie im falschen Film. Mein Herz jedoch reagiert abrupt auf dieses Geräusch. Es klopft wie wild gegen meine Brust, meine Knie zittern. Ich bin nicht mehr Herr meiner Sinne und sehe auf seine Lippen. Wenn er mich jetzt küssen würde, wäre ich das glücklichste Mädchen auf der Welt.
"Du bist ganz schön frech für eine Fremde, die sich hier nicht auskennt." Beim Reden kann ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Er riecht erfrischend nach Minzkaugummi. Erst da fällt mir ein, dass ich wahrscheinlich nicht gerade angenehm rieche und presse meine Lippen fest aufeinander. Das Atmen durch die Nase fällt mir nicht schwer, so kann ich seinen angenehmen Geruch in mich aufnehmen. Ich sehe ihn an. Er hat Augen, die ein graues Feuer widerspiegeln. Stärke und Überlegenheit. Gott, so ein richtiger Badboy und ich in seinen Fängen.
Alex hebt seine Hand und fährt meinen Arm entlang. Ich kann seine Berührungen selbst durch die Jacke spüren.
"Bist du immer so zu Frauen?", frage ich ihn gerade heraus.
"Nein, nur wenn sie hilflos und tollpatschig sind. So wie du!", neckt er mich und ist an meiner Hand angekommen. Seine Haut auf meiner lösen elektrische Schläge in mir aus.
"Nimm die Finger von ihr!" Ich höre Scotts bedrohliche Stimme und blicke an Alex vorbei. Breitbeinig und kampfbereit steht er hinter ihm. Sein Brustkorb hebt sich auffällig und er sieht wirklich wütend aus. Mein Bruder tritt keuchend hinter ihm hervor. Anscheinend sind sie mir hinter her gerannt und brauchten dafür ganz schön lange.
"Geh von ihr Weg!", wiederholt Scott und kommt etwas näher heran. Seine Hände sind zu Fäusten geballt. Alex dreht sich zu ihm um und grinst.
"Was sonst, Hunter?", fragt er und baut sich ebenfalls auf. Scott nickt meinem Bruder zu und dieser nickt zurück. Ich verstehe dieses Verhalten ganz und gar nicht und will gerade eingreifen, als Jesper auf mich zugelaufen kommt und Scott sich auf Alex stürmt. Jesper packt mich grob an meinem Arm und zieht mich über den halben Friedhof bevor ich protestieren kann.
"Ihr seid doch echt nicht mehr ganz dicht!", kreische ich und entreiße mich aus dem Griff von Jesper. Ich schaue nach hinten und sehe wie Alex auf Scott einschlägt und dieser ihm versucht auszuweichen. Sie rollen über den Boden.
"Hört doch auf!", schreie ich und renne wieder einen Stück näher ran.
"Alex hör auf!" Doch Alex hört nicht auf mich, geschweige denn beachtet er mich. Wieder packt mein Bruder meinen Arm und schleift mich hinter sich her.
"Was ist nur in euch gefahren? Warum prügelt sich Scott jetzt mit ihm? Ich verstehe das alles nicht!" Ich bin den Tränen nahe. Verstehe wirklich nicht was hier los ist und was das ganze soll.
"Du bist nur ein kleiner Auslöser, Gracy. Das ist eine Sache zwischen Scott und Adam", erklärt Jesper und versucht mich damit zu beschwichtigen.
"Er heißt Alex!", zicke ich ihn an. Jesper antwortet darauf nichts. Inzwischen hat er mich losgelassen und wir sind auf dem Nebenweg, den ich bereits kenne. Also nicht mehr weit von zu Hause entfernt.
Und plötzlich kommt Alex uns unversehrt mit einem Strauß Blumen entgegen und lächelt mir zu.
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Etwas Verträumt
VampireWas wäre, wenn alle um dich herum sich plötzlich seltsam benehmen? Wenn dein bester Freund behauptet es gäbe Vampire? Und Menschen grundlos verschwinden? Verträumt, tollpatschig, naiv, ahnungslos - Diese Worte beschreiben Grace Harper als sie nach...