Bevor wir das Auto verlassen, wählt Scott eine Nummer auf seinem Handy. "Ich brauche deine Hilfe", murmelt er in das Telefon. Er erklärt alles vom Tod seines Vaters bis zu unserem Plan in die Pathologie einzudringen. Ich hab keinen Plan mit wem er spricht, aber anscheinend macht Jesper sich keine Sorge. Seelenruhig sitzt er dort und schaut aus dem Fenster. Er hat sich sehr verändert seid wir in Bloomfield sind. Sonst ist er nicht so aufmerksam und ruhig vor allem.
Wir steigen aus dem Auto aus und ich haste Scott und den anderen hinter her. "Mit wem hast du telefoniert, Scott? Ich verstehe nicht was hier los ist? Ich will nicht in den Knast wandern wegen Einbruch!"
"Wir brechen nicht ein, sondern bekommen eine persönliche Rundführung", erklärt Scott leise und führt uns um das Krankenhaus herum.
"Und wer führt uns herum?", frage ich sarkastisch.
"Eine Freundin von unserer Familie, Grace. Sie arbeitet als Krankenschwester in der Notaufnahme. Mach dir keine Sorgen. Sollte etwas passieren, nehme ich die ganze Verantwortung auf mich." Scott sieht mich an. Ich kann den Entschluss in seinem Gesicht sehen und nichts wird ihn daran hindern.
Wir kommen an einer kleinen Tür an. Im Inneren ist es dunkel. Rechts von der Tür sehe ich eine kleine Box mit zwei Lampen. Anscheinend ein Kartenleser. Ungeduldig steht Scott direkt vor der Tür und linst hinein. Wir warten und warten. Es vergehen vielleicht zwei Minuten, aber draußen in der Dunkelheit unter solchem Umständen sind es Stunden. Ich beneide Annabelle für ihre Ruhe. Sie steht konzentriert mit verschränkten Armen dort. Ihr Blick ist angestrengt und ich frage mich, worüber sie nachdenkt.
Eine Gestalt mit einem Zopf und weißer Kleidung und öffnet die Tür.
"Komm rein, kleiner Hunter", murmelt sie und hält den vieren die Tür auf. Hunter? Jäger? Ich ziehe die Stirn kraus, aber folge den anderen ins Innere. Die Frau führt uns stumm durch die Gänge zu einem Aufzug.
"Sei vorsichtig. Unten könnte dir jemand begegne, falls hier im Haus gerade jemand verstirbt", sagt die mir unbekannte Frau und reicht Scott eine Karte mit ihrem Bild drauf. Ah, anscheinend für diese Kartenleser. Scott nickt und drückt ihre Schulter.
"Ich danke dir. Wir sind dir sehr dankbar." Die Frau nickt.
"Mein Beileid, Scott", sagt sie. "Bis zum bitteren Ende oder dem vergönnten Anfang." Schon wieder dieses seltsame Zitat. Ich sehe von Scott zu Jesper und dann auf den Rücken der Frau, die gerade um die Ecke verschwindet.
"Von was redet ihr da?", frage ich perplex und werde langsam ungeduldig. Scott legt seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Ich schüttele heftig den Kopf.
"Nein!", sage ich etwas zu laut. "Ich gehe keinen Schritt weiter. Ich will wissen was hier los ist!" Als kleines Kind hätte ich jetzt mit dem Fuß aufgestampft um meine Wut zu verdeutlichen, aber jetzt muss ein böser Blick reichen.
Scott sieht mich wieder so ernst an. Gleich sagt er es wieder. Gleich sagt er, dass es Vampire gibt, Annabelle ein Medium ist und unsere Familie Ghostbuster sind. "Nein", fauche ich, als er den Mund öffnet um mir wahrscheinlich genau das zu sagen. "Ich will davon nichts mehr hören. Sag mir die Wahrheit! Ihr alle!" Ich sehe jeden einzelnen an. Der Entschluss in ihren Augen bringt mich zum Schweigen.
"Ich verspreche dir, Grace. Wenn das vorgefallen ist, was ich denke, wirst du es in wenigen Minuten alles verstehen", murmelt Scott und nimmt meine Hand. "Bitte", fleht er und sieht mich mit seinen braunen Kulleraugen an.
Ich reibe mir mit der freien Hand über meine Stirn, dann über meine Wange. "Okay", antworte ich und zucke mit den Schultern. Scott nickt und hält den Kartenleser an einen dieser Kasten rechts von den Aufzügen. Die Anzeige des Fahrstuhls setzt sich in Bewegung und kommt mit einem Gong bei uns an. Wir gehen in den kleinen Fahrstuhl und passen gerade so mit vier Personen rein. Die Türen verschließen sich, Scott drückt etwas und wir fahren nach unten. Nach unten in den Keller. Ich muss schlucken. Keller und Krankenhäuser verbinde ich immer mit Horrorfilmen. Fehlt nur noch, dass dieser Fahrstuhl stecken bleibt, das Licht anfängt zu Flackern und hinter uns ein totes Mädchen auftaucht. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich kralle mich an der Wand fest.
Doch wir kommen sicher an und der Fahrstuhl öffnet wieder seine Türen. Die Gänge sind spärlich beleuchtet, so richtiges Krankenhauslicht. Unsere Schuhe quietschen auf dem Linoleum, was uns dazu bringt noch langsamer zu laufen. Ich kann es einfach immer noch nicht fassen. Es ist alles so absurd! Scott führt uns durch die Gänge und folgt den Schildern auf denen Pathologie steht. Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir gleich in eine Leichenhalle gehen. Oh mein Gott! In einen Raum voller Leichen. Mein Magen dreht sich um. Tote Menschen, die eines unnatürlichen Todes gestorben sind, gekühlt in Kästen. Ich bleibe abrupt stehen.
"Was ist los?", raunt Annabelle und sieht mein kalkweißes Gesicht.
"Ich kann nicht weiter gehen." Ich schüttele den Kopf. Annabelle nimmt meine Hand.
"Du wirst sie nicht alle sehen. Da sind Türen vor. Es wird auch nicht schlimm riechen. Wir gehen ja nicht in den Untersuchungsraum", erklärt sie mit ihrer sanften Mädchenstimme und lächelt mir zu. Wie kann sie nur in so einer Situation lächeln. "Vertrau mir." Ich nicke und folge den anderen weiter, doch ich lasse Annys Hand nicht los.
Scott vernimmt plötzlich Schritte und deutet uns stehen zu bleiben. Mein Herz klopft wie verrückt, fast so schlimm als wäre Adam in meiner Nähe. Wir drücken uns gegen die weißen Wände und warten bis die Schritte verklingen. Neben den Schritten hören wir auch Reifen und ich stelle mir vor, wie gerade ein leeres Bett davon geschoben wird. Das Bett eines Verstorbenen. Was tun wir hier? Ich schüttele den Kopf. Die Zweifel fressen sich durch jede Faser meines Körpers. Aber ich habe es Scott versichert.
Wir gehen weiter und Scott öffnet uns die Tür zur Pathologie. Der Raum ist ausgekleidet mit Blechschränken in denen verschlossene Luken sind.
"Schaut was auf den Türen steht. Sucht meinen Vater", murmelt Scott leise. "Annabelle bewach die Tür."
Annabelle stellt sich vor die Tür und lässt einen Spalt offen. Jesper, Scott und ich gehen bereits die Reihen der Luken nach. Ich gehe weiter und lese die Namen der Verstorbenen. Der vielen Toten Menschen. Sogar Geburts- und Todesdaten stehen vorne auf den Luken drauf. Junge und alte Leute mit ungeklärten Todesursachen. Bei einer Luke bleibe ich stehen. Der Name, das Todesdatum.
"Scott", hauche ich leise. Ausgerechnet ich habe Scotts Vater gefunden und starre benommen die Luke an.
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Etwas Verträumt
VampiriWas wäre, wenn alle um dich herum sich plötzlich seltsam benehmen? Wenn dein bester Freund behauptet es gäbe Vampire? Und Menschen grundlos verschwinden? Verträumt, tollpatschig, naiv, ahnungslos - Diese Worte beschreiben Grace Harper als sie nach...