Schwarz. Ein Symbol für vielerlei Dinge. Für den Tod, aber auch für den Anfang. Etwas was Trost spendet, aber auch was für Angst und vor allem Trauer steht. Die Beerdigung meines Onkels hat das Bild eines Schachbrettes. Die Trauergäste tragen alle schwarz. Schwarze Anzüge, schwarze Kleider. Und zwischen drin ist alles geschmückt mit weißen Rosen. Weiß als Farbe der Unschuld, Reinheit und der Treue. Ich habe mir noch nie so viele Gedanken über Farben gemacht, dabei können sie so viel über einen Menschen aussagen. Ein Schluchzen dringt zu mir durch. Der Priester beendet seine Trauerrede. Der Sarg wird von einigen Männern in den Boden gelassen. Nach einem weiteren Gebet, bittet der Priester die Trauernden nach vorne um Abschied zu nehmen. Jeder bekommt eine weiße Rose, um sie auf den Sarg zu werfen und Lebe wohl zu sagen. Scotts Mutter ist die erste, die eine Rose in den Händen hält. Langsam schreitet sie mit gesenktem Blick zum Grab und blickt auf den Sarg. Ihre Hand geht zögerlich nach vorne. Eine Träne kullert ihre Wange hinunter und Scott tritt hinter sie. Zusammen lassen sie ihre weiße Rose auf den Sarg niederfallen. Meine Eltern und mein Bruder lassen mich stehen und gehen ebenfalls zum Grab.
Doch ich kann nicht. Ich kannte meinen Onkel doch kaum! Wieso sollte ich Tschüß sagen, wenn ich noch nicht ein Mal richtig Hallo sagen konnte? Ich trete einen Schritt vor und atme tief ein. Anstatt weiter zu gehen, wende ich mich ab und gehe einfach. Ich kann mir das nicht mehr länger anschauen. Meine Familie darf trauern, vor allem Scott und seine Mutter. Aber mich persönlich brachte das nicht weiter. Es gab noch so vieles nachzuforschen. Ich gehe zu unserem Toyota-Forerunner und lehne mich dagegen.
"Tut mir leid, dass ich hier auftauche." Ich sehe nach links. Alex steht dort, was ich zweifellos an seinem Blick erkenne. Ich lächele leicht.
"Schon okay. Solange dich meine Leute nicht erwischen, kannst du hier bleiben." Alex kommt näher und zieht die Schultern hoch.
"Habt ihr noch mehr rausbekommen?", fragt er und sieht mich an. Ich schüttele den Kopf.
"Nur das, was dein Bruder mir erzählt hat."
"Ja, hat Adam erwähnt." Er sieht zur Seite und dann zu Boden.
"Grace", fängt er an. "Ich hoffe, dass da nichts zwischen uns steht. Das mit unseren Familien. Ich mag dich echt gerne, sehr gerne." Nervös fährt er sich durch seine braunen Haare.
"Das ist ja fast so wie bei Romeo und Julia", witzele ich. Er nickt und muss ebenfalls etwas lachen.
"Ich habe dir etwas mitgebracht." Alex lässt sich in seine hintere Hosentasche und zieht eine rote Rose hervor. Etwas unsicher kommt er auf mich zu und nimmt meine Hand.
"Sie ist sehr schön", murmele ich. Er legt den Kopf schief und legt mir die Rose in die Hand.
"Bald ist keine Rosenzeit mehr. Sie werden eingehen und ihre Köpfe einstecken. Der Winter ist keine schöne Jahreszeit für sie. Im Winter werden sie zerbrechlich und verlieren ihre kostbare Farbe. Zu wenig Sonnenlicht, welches sie am Leben erhält. Zu viel Dunkelheit", haucht Alex und sieht mich eindringlich an. Stimmen ertönen hinter uns. Ein Windhauch zeigt mir das Alex verschwunden ist. Ich sehe die rote Rose an. Sie strahlt in ihrer Farbe. Rot, ein Symbol für Liebe oder auch für... Blut.
Die Beerdigung legt eine unangenehme Stille über den Rest der Woche. In der Schule reden wir nicht über die Vampirsache, auch wenn ich ganz genau weiß, dass es Scott in den Fingern juckt. Aber die Beerdigung hat einen dazu gebracht, abzuschließen. Als ob das Geheimnis mit dem Vater von Scott vergraben wurde. Alex und ich kommunizieren über das Smartphone und schreiben uns Nachrichten. Seine Familie lauert überall in der Schule. Ich spüre ihre gierigen Blicke auf uns sitzen, als ob sie nur darauf warten, dass wir sie angreifen. Zwischen ihnen stehen Alex und Adam. Triumphierend, die Söhne der Anführerin, Lügner und Betrüger. Doch wen verraten sie? Adams Blick lastet schwer auf mir. Jetzt könnte er mich erst recht verraten. Aber wie hätte ich mich auf ihn einlassen können? Er hat mir ins Gesicht gesagt, dass er mein Blut begehrt und nicht mich. In irgendeinem schwachen Moment, könnte er mir einfach die Zähne in den Hals rammen und mich töten. Dann bekommt er das, was er will.
Es ist wahrscheinlich der letzte warme Abend im September an dem Alex mich von einem Date nach Hause fährt. Wie immer hat er mir eine rote Rose mitgebracht. Wir sitzen im Auto und sehen in die Sonne.
"War das eigentlich eine Botschaft?", murmele ich leise und sehe Alex an. Liebevoll sieht er zurück und nimmt meine Hand.
"Ich versuche dir vieles zu vermitteln. Du weißt, dass wir unter Beobachtung stehen", murmelt Alex. Ich nicke und seufze.
"Ja das weiß ich." Ich beuge mich vor und gebe ihm ein Kuss auf die Wange. "Es ist so still um uns geworden. Irgendwas geht hier vor. Aber was?", hauche ich ihm dann ins Ohr und steige aus dem Wagen.
"Bis Montag in der Schule", rufe ich und gehe Richtung Eingangstür. Aus dem Garten kann ich vage Stimmen vernehmen, also gehe ich ein Mal ums Haus herum. Meine Mutter und die Mutter von Scott sitzen mit Limonade auf der Veranda. Jesper, Scott und mein Vater rangeln sich auf dem Rasen. Na gut, rangeln ist es jetzt nicht. Es sieht wirklich professionell aus. Die Wut in Scotts Augen lässt mich stocken. Er ist eine richtige Killermaschine - schnell und präzise. Doch mein Vater blockiert alle Angriffe von Jesper und Scott. Sein Hemd ist bis oben hin zugeknöpft und Schweißperlen rinnen ihm über die Stirn.
"Entweder ihr habt mit eurer Kraft nachgelassen, oder die Jugend ist in mich zurück gekehrt", provoziert mein Vater die beiden Jungs.
"Oder du hast einfach einen Hitzschlag, Dad", rufe ich und winke ihm zu. "Du siehst aus, als wäre Hochsommer ausgebrochen. Warum knöpfst du nicht dein Hemd auf?" Der Blick meines Vaters schnellt zu mir. Sein Kiefer zuckt etwas nach hinten, kurz sehe ich Unsicherheit in seinen Augen. Er hustet obligatorisch und lächelt dann.
"Ich will die Erkältung nicht noch verschlimmern, Gracy", antwortet er und sieht wieder von mir weg. Die Blicke von Scott und mir treffen sich. Doch keiner sagt etwas. Wir verstehen uns auch ohne Worte. Ich lasse mich auf einen Stuhl bei den Frauen nieder und schnappe mir ein Glas Limonade.
"Bald wird es kalt. Selbst hier in Bloomfield", murmele ich und trinke einen Schluck.
"Ja da hast du Recht, Grace. Der Winter ist eine schreckliche Jahreszeit", murmelte meine Mutter und schüttelt ihr braunes, kurzes Haar. Mein Smartphone vibriert in meiner Hosentasche und ich ziehe es heraus. Es ist eine Nachricht von Alex und er lädt mich zu sich nach Hause ein. Seine Familie macht anscheinend einen Ausflug und er soll die Stellung in Bloomfield halten.
Ich und Alex alleine in der Cooper-Villa? Was hat er vor? Was wenn das eine Falle ist? Aber doch nicht von Alex. Er hat mir oft genug bewiesen, wie loyal er ist. Und vielleicht kann ich die ein oder anderen Informationen herausbekommen. Wo sollen Vampire sonst ihre Geheimnisse verstecken, wenn nicht in ihrem eigenen Quartier?
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Etwas Verträumt
VampireWas wäre, wenn alle um dich herum sich plötzlich seltsam benehmen? Wenn dein bester Freund behauptet es gäbe Vampire? Und Menschen grundlos verschwinden? Verträumt, tollpatschig, naiv, ahnungslos - Diese Worte beschreiben Grace Harper als sie nach...