Ich habe gedacht, sie wird mich nie wieder ansehen, geschweige denn mit mir reden. Doch als ihr unschuldiges Gesicht vor mir aufgetaucht ist, wusste ich nicht mehr weiter, als sie einfach nur anzustarren. Sie muss mir unter allen Umständen glauben. Glauben, dass ich kein Monster bin, welches wahllos irgendwelche Menschen tötet. Auch nicht wenn dieser eine Mann meinen Vater getötet hat. Ich bin nicht nachtragend und wäre sie nicht aufgetaucht, hätte ich ihn wahrscheinlich wirklich getötet. Aber das habe ich nicht und ich bin fest entschlossen ihr zu helfen, obgleich ich damit auch Scott helfe.
Ich verfolge die drei bis zu dem Haus von Scott und laufe im Versteckten auf und ab. Was weiß ich alles, was wichtig für ihre Ermittlungen sein könnte? Alex hat ihnen bestimmt schon verraten, dass unsere Familie in der Stadt ist. Erinnerungen laufen in meinem Kopf auf und ab. Ich öffne Türen, die ich lieber geschlossen halten wollte. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Der Liebhaber meiner Mutter; sie hat ihm gedroht. Es muss Scotts Vater gewesen sein. Wahrscheinlich hat er sie in ihre Pläne eingeweiht. Aber warum hat Scotts Vater sich auf ihn eingelassen? Ich wähle die Nummer meines Bruders auf meinem Smartphone.
"Alex? Kannst du gerade sprechen?", frage ich leise und laufe weiter nervös auf und ab. Mein Bruder antwortet - er kann mir antworten.
"Weißt du etwas von Mums Liebhaber?" Stille am anderen Ende der Leitung. Dann ein Räuspern. Verbirgt er mir etwas? Ich warte einige Sekunden bevor er antwortet. Auch ich muss mich nun räuspern. Er offenbart mir Sachen, die ich nie gedacht habe.
"Sie hatte also einen Liebhaber, der mit ihr geschlafen hat und ihr dabei... Blut gegeben hat?", frage ich schockiert. Kein Wunder, dass er das Grace nicht sagen wollte. Wenn sie und Scott über das lasterhafte Leben von seinem Vater erfahren, dann glauben sie uns erst recht nicht. Und dann hat Alex bei Grace verloren. Genau das erklärt er mir am anderen Ende der Leitung. Ich fasse einen Entschluss. Sie hasst mich sowieso schon.
"Ich werde es ihr sagen, wenn du nichts dagegen hast", murmele ich und blicke zur Tür von Scotts Haus. Grace läuft mit einer nachdenklichen Miene heraus und sieht sich nicht ein Mal um. Anscheinend hat sie immer noch ihre Scheuklappen auf. Sie geht Richtung Park und ich folge ihr langsam. Alex fragt noch ein Mal, ob ich sicher bin und ich stimme zu.
"Das wird schon", sage ich und lege auf. Nahezu schleichend folge ich ihr in den Park und beobachte sie dabei, wie sie sich auf eine Bank fallen lässt. Ihr Blick ist nachdenklich. Woran denkt sie? Sie hält ihr Smartphone in der Hand. Wahrscheinlich will sie irgendwen anrufen oder benachrichtigen. Was hat sie vor? Wie ein Stalker stehe ich im Schatten hinter ihr. Ich werde ihr die Informationen geben, aber zu welchem Preis? Ich will mehr von ihr, was sie ja jetzt weiß. Und auf wessen Seite wird sie stehen, wenn ich ihr davon erzähle? Vielleicht wird sie mir auch gar nicht glauben und mich dafür hassen. Ich will nicht, dass sie mich hasst, aber sie muss es wissen.
Langsam gehe ich auf Grace zu. Ihr betörender Geruch steigt mir in die Nase und löst solch einen Drang in mir aus. Ich kann mich kaum zusammen reißen. Sie löst sofort den Jagdinstinkt in mir aus. Leise lasse ich mich neben sie auf der Bank nieder und schaue sie an. Ihre Gesichtszüge sind wie die eines Engels. Oh Gott, was ist nur los mit mir? Am liebsten würde ich jetzt aufknurren. Ich sehe, wie ihre Augen zu mir gleiten. Ihr Körper versetzt sich sofort in eine Abwehrspannung.
"Was willst du von mir?", keift sie mich an. Anscheinend kann sie Alex und mich inzwischen sehr gut auseinander halten. Oh ja, ich will etwas ganz besonderes von dir.
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Etwas Verträumt
VampireWas wäre, wenn alle um dich herum sich plötzlich seltsam benehmen? Wenn dein bester Freund behauptet es gäbe Vampire? Und Menschen grundlos verschwinden? Verträumt, tollpatschig, naiv, ahnungslos - Diese Worte beschreiben Grace Harper als sie nach...