Kapitel 23 - Mutter- und Tochtergespräch

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Zarte Lippen stoßen auf meine. Ein Kribbeln stößt durch meinen Körper bis zu den Fingerspitzen. Seine Lippen sind warm und weich. Vorsichtig öffne ich meinen Mund und umschließe seinen. Fordernd drückt er mich gegen die Bank. Adams Kuss wird leidenschaftlicher. Ich spüre seine Zähne an meiner Lippe. Mein Herz macht einen Sprung und lässt meinen Puls in die Höhe schießen. Ein kleiner Kuss? Seine Hand fährt unter meine Jacke. Er hat kalte Finger, die sich flink unter meinem T-Shir vortasten und es hochschieben. Atemlos löse ich mich von ihm und drücke ihn weg.

"Als klein würde ich den Kuss nicht bezeichnen", merke ich an. Gepeinigt sehe ich von ihm weg und versuche mich zu beruhigen. Adam legt den Kopf schief. Anscheinend merkt er ganz genau, was in mir vorgeht. Dieser Kuss hat Wellen der Hitze in mir ausgelöst. Meine Wangen glühen, mein Herz schlägt schnell und es fühlt sich an, als würden kleine Ameisen durch meinen ganzen Körper krabbeln. Und zu allem Überfluss, muss ich mir ein Lächeln verkneifen. Meine Mundwinkel wollen fortwährend nach oben.

"Scotts Vater stand auf Vampirsex. Er war der Lover meiner Mutter", höre ich Adam sagen. Ich starre ihn an; mein Mund weit geöffnet. Die Aussage zieht kreise in meinem Kopf, wird verarbeitet und bringt die Nerven zum Handeln. Meine Hand schießt vor und landet auf Adams Wange. Mit einem kräftigen Stoß wird sein Kopf zur Seite befördert, bevor er langsam wieder zu mir schaut. Er grinst. Ich hebe meine Hand noch ein Mal, um ihm erneuert eine zu verpassen, aber er hält mich am Handgelenk fest.

"Dann glaub mir halt nicht, Gracy. Aber wieso sollte ich mir so etwas ausdenken", raunt er und will mir einen Kuss geben. Mein Kopf schnellt zur Seite und Adam erwischt nur meine Wange.

"Geh jetzt, Adam", flüstere ich und schüttele meine Hand ab. Mit einem Schulterzucken steht Adam auf. Bevor er geht, wendet er sich noch ein Mal zu mir.

"Wirst du dich entscheiden?", fragt er ernst. Ich runzele die Stirn und sehe ihn fragend an.

"Zwischen Alex und mir." Ich ziehe beide Augenbrauen unwillkürlich hoch.

"Was soll das denn bitte heißen?", knurre ich und schüttele den Kopf. Adam kommt einen Schritt näher an mich heran.

"Wenn du dich zwischen einem von uns entscheiden müsstest. Wer wäre das?" Ich sehe zu Boden. Was will er hören? Das dieser Kuss nur ein Grund war, um Informationen zu bekommen? Ich werde ihm ganz sicher nicht sagen, dass ich gefallen daran hatte. Ich sehne mich zwar nach einem weiteren Kuss, aber Adam wird es nie erfahren.

"Du würdest dich für Alex entscheiden, nicht wahr?", raunt er kaum hörbar. Höre ich Hoffnung in seiner Stimme? Empfindet er etwa was für mich, außer den Drang nach meinem Blut? Ich nicke und sehe ihn dabei nicht an. Als ich den Blick hebe, ist Adam verschwunden.


Es ist nicht schwer Scott zu finden. Er tigert gedankenverloren vor unserem Haus herum.

"Ich muss dir was sagen!", ruft er, bevor ich überhaupt die Möglichkeit habe etwas zu sagen.

"Ich auch, Scott", antworte ich leise und knete nervös meine Hände.

"Du zuerst", sagen wir beide zeitgleich. Kein Lachen umspielt unsere Lippen. Anscheinend haben wir beide etwas ernstes zu besprechen.

"Mein Vater hatte eine Affäre", sagt Scott.

"Dein Vater hatte eine Affäre", sage ich zeitgleich. Wir sehen uns an.

"Woher weißt du das?", fragt Scott krächzend. Ich hole tief Luft.

"Nun ja. Du wirst mich gleich dafür hassen, aber ich weiß es von den Zwillingen." Scott atmet tief aus.

"Willst du damit sagen, mein Vater hatte etwas mit einer Vampirin?" Unsicher nicke ich. Ich schaue zu Boden und studiere den Rasen vor meinen Füßen.

"Das kann ich nicht glauben", haucht Scott. "Mit wem?" Seine unfassbar traurigen Augen sehen mich an. Ich weiß nicht, ob ich ihm die Wahrheit sagen soll. Vor allem, ob es überhaupt wichtig für ihn ist, die Wahrheit zu wissen.

"Ich weiß es nicht", sage ich schnell und sehe zur Seite. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, wenn ich lüge.

"Grace." Scott holt tief Luft. "Sag es mir einfach." Ich sehe ihn an.

"Es tut mir so unfassbar leid. Alles", flüstere ich und trete einen Schritt näher auf ihn zu. "Es war Sancha Cooper." Scott macht auf dem Absatz kehrt und geht.


Unser Haus liegt still vor mir. Ich höre Mutter vor dem Fernsehen und Jesper oben herum laufen. Aber sonst ist es anders hier im Hause der Harpers. Sonst reden Mum und Dad, Jesper hört laut Musik und ich renne herum. Doch es ist leise.

"Mum?", rufe ich, als ich die Haustür hinter mir schließe. Leises knatschen ist zu vernehmen. Meine Mutter taucht im Türrahmen auf.

"Ist alles in Ordnung, Grace?" Sie mustert mich von Fuß bis Kopf und bleibt an meinem Gesicht hängen. Ihre Stirn ist gerunzelt und die Lippe gestürzt - der typische Analysierblick einer Pädagogin. Ich nicke und meine Mundwinkel zucken leicht nach oben. Ich könnte sie fragen, warum sie mir alles verheimlicht haben. Ja, ich könnte sie sogar dafür beschuldigen, aber ich kann meine Eltern auch verstehen. Diese ganze Vampirgeschichte ist so absurd, dass ich auch eigentlich nichts damit zu tun haben will. Aber jetzt bin ich mitten drin und es gibt kein entkommen mehr. Ich habe Adam geküsst, gehe mit seinem Zwillingsbruder Alex aus, helfe Scott den Mörder seines Vaters zu finden und stecke mitten im Gefühlschaos.

"Was soll ich tun, Mum?", frage ich und merke wie meine Stimme bricht. Mein Gesicht verzieht sich qualvoll und ich laufe ihr entgegen. Sie umschließt mich mit ihren schlanken Armen und zieht mich kraftvoll an sich.

"Es ist schwer. Ich weiß. Als man mich damals mit all dem konfrontiert hat, habe ich beinahe mein Studium geschmissen. Doch die Not war groß und man hat mich gebraucht. Also habe ich die Ausbildung zur Jägerin abgeschlossen und mein Studium weiter fortgesetzt", erzählt sie leise. Ich drücke mein Kopf an ihre Brust und lausche dem regelmäßigen Klopfen ihres Herzens. Mein Atem wird langsamer und ich spüre die Kraft, die wieder durch mich fließt.

"Du meinst, ich soll einfach weiter machen?" Meine Mutter drückt mich noch stärker an sich.

"Manchmal bleibt einem nichts anderes über, Gracy", flüsterte sie an mein Ohr und gibt mir einen zarten Kuss auf meine Stirn.

"Womit soll ich anfangen? Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mit der ganzen Situation umgehen soll." Sie streichelt zaghaft meinen Rücken.

"Fange bei dir an. Was ist dein Ziel? Was sind deine Fähigkeiten? Was weißt du bereits? Dann arbeite dich weiter vor, meine Kleine. Und glaub mir, du hast die besten Hände um dich, die dich beschützen." Ich löse mich von ihr und nicke.

"Danke Mum", murmele ich und wische mir über meine nassen Augen. "Wo ist Dad eigentlich? Er ist um diese Zeit doch immer zu Hause."

"Ich schätze mal, er informiert sich ebenfalls. Er ist sehr niedergeschlagen und verhält sich seltsam, seit sein Bruder verstorben ist, verständlicherweise."

Ich wende mich langsam von ihr ab. "Ich geh schon Mal hoch. Habe keinen Hunger. Gute Nacht, Mum", murmele ich und wende mich noch ein Mal zu ihr.

Was hat Scott vor? Was hat mein Vater vor? Was haben die Coopers vor?

Und was habe ich vor?

Etwas VerträumtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt