Kapitel 5 - Samstagabend

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"Verdammt, was mach ich denn jetzt?" Verzweifelt sah ich zu meiner besten Freundin und betet, dass ihr irgendwas einfiel. Wir halfen uns immer gegenseitig aus der Klemme.
"Vielleicht hat er ja wann anders Zeit..." Das klang alles andere als überzeugt.
"Ich kann ja jetzt schlecht schreiben 'hey, ich hab doch keine Zeit'. Und wenn ich später nicht auf die Party komme, ist Melissa ein Leben lang beleidigt." 
"Du könntest ihn doch mit auf die Party nehmen", schlug Laura vor. 
"Das würde seinen Abend dann total ruinieren, wenn alle auf ihn stürzen", seufzte Lisa. 
"Ich hab's, Leute... Also hört zu..." Und dann erzählte Tabea uns ihren Plan. Und ich musste sagen, er war genial!

Aber bis zum Abend war noch viel zu viel Zeit übrig. Ich fuhr von Tabea aus mit dem Bus nach Hause und verbrachte dann Ewigkeiten im Bad. Am Ende sah ich aber nicht viel anders aus als sonst. Ich trug vielleicht ein bisschen mehr Make-Up und hatte mir etwas schickere Kleidung aus dem Schrank gesucht, aber ansonsten war nichts anders. Nach einer Scheibe Toast und einem Glas Kakao hielt ich es nicht länger aus und verließ schließlich das Haus. 

Kurz vor sieben stieg ich in meinen Bus ein und war kurz darauf auf dem Weg in die Wolfsburger Innenstadt. Ich war schon ziemlich aufgeregt und gespannt. Immerhin würde ich Julian wieder sehen und auf eine Art Geheimmission gehen. Wenn er denn mitspielte...

Eine Viertelstunde lang stellte ich mir alle möglichen Reaktionen von Julian vor, wenn ich ihm von unserem Plan erzählte. Am Ende hätte ich beinahe meine Haltestelle verpasst. Deshalb fiel ich mehr aus dem Bus, als dass ich lief. 

"Hey, Vorsicht", lachte Julian und kam auf mich zu. Als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, musste ich über mich selbst lachen. 
"Hi", begrüßte ich ihn mit einer kurzen Umarmung, bevor wir den Weg Richtung Innenstadt einschlugen.
"Also ich hab mir überlegt, dass..."
"Warte mal...", unterbrach ich ihn schnell. Er hielt inne und sah mich fragend an. 
"Also ich hab da so ein kleines Problem", druckste ich herum. Julian hob eine Augenbraue und wartete, dass ich weiter sprach.
"Naja, also eigentlich bin ich heute auf den Geburtstag von einer Freundin eingeladen. Das hatte ich nur irgendwie verdrängt, als wir heute Morgen geschrieben haben. Und jetzt bin ich ein bisschen im Zwiespalt, weil einerseits..."
"Du kannst da gerne hingehen, wenn du möchtest." 
"Ja, aber du..." Ich blieb stehen und sah zu ihm hoch. Keine Ahnung, was er dachte. Sein Blick war völlig undeutbar. 
"Ist okay", meinte er dann, schien von dem Inhalt seiner Worte aber so gar nicht überzeugt. 
"Nein, warte, hör mir zu. Das Problem ist, dass ich den Abend gerne mit dir verbringen würde, Melissa aber nie wieder mit mir sprechen würde, wenn ich nicht komme. Und deshalb würde ich jetzt gerne bis um acht Uhr was mit dir unternehmen und dann gehen wir zu dieser Party und..." Meine Stimme überschlug sich beinahe, so schnell redete ich.
"Halt, warte mal..." Sein Blick ließ mich sofort verstummen. "Ich hab morgen ein Spiel und ich wollte eigentlich einen ganz entspannten Abend haben. Mir ist wirklich nicht nach feiern, schon gar nicht, wenn mich da Leute erkennen." Er klang zum Glück nicht böse oder verärgert, sondern sprach ganz ruhig. Aber da war dieses Flackern in seinen Augen, das mich etwas unsicher machte.
"Das hab ich ja auch gar nicht vor, Julian. Sie feiert in einem Club nicht weit von hier. Ich will da nur kurz hin, damit sie denkt, dass ich da bin. Aber in Wirklichkeit schleiche ich mich wieder raus und komme zu dir", erklärte ich ihm meinen Plan. Julian sah mich einfach nur eine Weile schweigend an, bis er plötzlich anfing zu lachen. 
"Auf sowas kommen auch nur Mädchen, oder?", grinste er. Ich zuckte nur grinsend die Schultern und war heilfroh, dass er sich wieder entspannte. 
"Na dann, lass uns gehen", meinte er dann und hielt mir einen Arm hin, bei dem ich mich unterhakte und an seiner Seite durch eine inzwischen ziemliche verlassene Einkaufsstraße schlenderte. 

Mein Plan ging blendend auf. Julian ging um kurz vor acht Uhr einfach schon in die Bar vor, in die er gehen wollte. Ich betrat also schnell den Club, nachdem Julian mich bis zur Tür gebracht hatte. 
Als erstes lief ich Laura über den Weg.
"Was hat er gesagt?", wollte sie sofort wissen.
"Er dachte erst, ich will ihn mit hierher nehmen. Er war gar nicht begeistert. Aber jetzt findet er es ziemlich witzig", lachte ich. "Wo ist Melissa denn?"
"Da vorne. Ich fürchte, sie ist schon ziemlich betrunken."
Ja, Laura hatte definitiv Recht. So überschwänglich hatte Melissa mich noch nie begrüßt. Das bedeutete dann aber auch, dass es ihr gar nicht auffallen würde, wenn ich plötzlich verschwand. 
"Viel Spaß", lächelte Lisa, nachdem sie mich noch bis zum Ausgang begleitet hatte. "Ich sag einfach du bist auf Toilette oder bei irgendeinem Typen oder so, wenn sie fragen sollte."
"Du bist die Beste, danke!" Ich drückte sie einmal ganz fest und trat dann in die Eiseskälte draußen. 

Ich lief noch keine fünfzig Meter, als plötzlich jemand neben mir auftauchte. Vor Schreck zuckte ich heftig zusammen und quiekte kurz auf. 
"Hey, ich bin's, alles gut", sagte Julian beruhigend und ich atmete erleichtert aus. 
"Was machst du hier?", fragte ich etwas irritiert und lachend zugleich. 
"Es ist gar nicht Gentleman-like, ein Mädchen abends allein durch Wolfsburg laufen zu lassen", meinte er leichthin. Oh mein Gott, war das süß!

Die Bar die Julian sich ausgesucht hatte, war klein und gemütlich. Es war noch nicht viel los, deshalb ergatterten wir zwei Plätze am Tresen. Julian bestellte zwei Colas für uns.
"Ist deine Mission denn geglückt?", grinste er. 
"Sie ist jetzt schon so voll, dass sie mich eh nicht vermissen wird", lachte ich und nippte an der Cola. "Spielst du morgen hier in Wolfsburg?", fragte ich.
"Ja, ist ein Heimspiel. Aber lass uns nicht über Fußball reden..."
Weiter kam er aber nicht, weil der Barmann zu uns kam. Ein stämmiger Typ, der etwas gelangweilt dreinblickte und irgendwie so gar nicht hinter einen Tresen passte. 
"Was zu trinken?", fragte er und hielt eine Flasche Kurzen hoch. 
"Nein, danke, ich trinke nicht", wehrte Julian ab, sodass der Typ mich ansah. 
"Ich darf leider nicht, bin 17", lächelte ich und grinste innerlich breit, als der Typ murrend abschob. Julian neben mir fielen fast die Augen aus dem Kopf und er verschluckte sich an seiner Cola. 
"Bitte?!" Er sah mich einfach nur an, als hätte er einen Geist gesehen. Für einen kurzen Moment genoss ich das, bis ich schließlich lachen musste und ihn angrinste. 
"Ich bin 21, keine Sorge. Aber jetzt kommt er nicht ständig zurück", grinste ich. Julian schüttelte nur langsam den Kopf und lachte leise. 
"Du bist fies!" Aber er meinte es nicht so.
"Du hättest mir das geglaubt?" Okay, das war schräg. Julian musterte mich einmal von Kopf bis Fuß. 
"Nein", lachte er dann aber und schmunzelte. 
"Aber irgendwie komme ich damit immer durch. Ist ein guter Trick."
"Du bist echt irre", lachte er. 
"Jetzt mal rein theoretisch... Was hättest du getan oder gesagt, wenn ich wirklich 17 wäre?" Ich musterte ihn, während er von seiner Cola trank und dabei überlegte. Seine Stirn zog sich in Falten, dann schüttelte er den Kopf und sah wieder zu mir. 
"Vermutlich hätte ich irgendeine Ausrede gefunden und hätte mir dann Zuhause den Kopf darüber zerbrochen. Oder ich hätte die 'Ich-hab-ne-Freundin-Karte' ausgespielt", antwortete er schließlich. 
"Das ist ja fies", zog ich ihn ein bisschen auf. 
"Es ist ja aber nicht so", warf er ein und grinste siegessicher. 
"Hast du denn eine Freundin?", grinste ich. Ich kannte die Antwort, deshalb fiel mir die Frage nicht schwer. 
"Nein, ich hab keine Freundin", meinte er wachsam und begann dann zu grinsen. 
"Sollte ich jetzt an dieser Stelle fragen, ob du einen Freund hast?"
"Kannst du gerne machen, aber ich verspreche dir nicht, dass ich die Wahrheit sage", schmunzelte ich und trank noch etwas Cola.
"Du bist vollkommen verrückt", lächelte er selig und unsere Blicke blieben aneinander kleben. "Tut mir nur leider gar nicht leid", grinste ich schließlich und sah schnell weg, bevor ich rot werden würde.
"Mit dir wird es nie langweilig, oder?" Damit mochte er Recht haben.
"Find's raus", lächelte ich nur. Okay, krass... Jetzt flirtete ich schon mit ihm! Was immer dieser Typ an sich hatte, ich war mir sicher, dass ich ihn nicht mehr so leicht aus dem Kopf kriegen würde!

Paris (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt