Kapitel 8 - Paranoia

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POV Julian

"Ich wusste gar nicht, dass ihr soo gute Freunde seid", grinste Yannick und setzte das "Freunde" mit den Händen in Anführungszeichen. Ich zuckte mit den Schultern und war in Gedanken noch immer bei dem Moment eben mit Emily in meinen Armen. 
"Komm schon, du stehst doch auf sie!", bohrte Yannick weiter. 
"Ich hab bei ihr einfach das Gefühl, dass es ihr scheißegal ist, dass ich Fußballprofi bin. Ich bin in den letzten Jahren nie einem Mädchen begegnet, das mich so normal behandelt hat wie sie", seufzte ich und sah hoch in den pechschwarzen Himmel. 
"Weiß sie denn von Paris?", fragte Yannick jetzt deutlich mitfühlender. 
"Nein..." Und da war wieder dieses Stechen in meinem Herzen, das ich auch vorhin schon gefühlt hatte, als ich sie angelogen hatte. 
"Dann sag es ihr, Mann! Sie verdient die Wahrheit!"
"Das weiß ich doch! Aber ich will sie nicht verlieren!"
"Wenn sie dich genauso sehr mag, dann wirst du das nicht", versuchte er, auf mich ein zu reden. 
"Ach und wie soll das funktionieren? Sie hier, ich in Paris. Wir sind ja nicht mal zusammen! Sie wird mich vergessen und ich werde sie verlieren..." Vor lauter Frust schlug ich die Autotür meines Mercedes deutlich stärker zu, als nötig. Wir waren am Auto angekommen und ich drehte sofort die Heizung hoch. 
"Scheiße...", murmelte Yannick.
"Du sagst es! Und das ausgerechnet jetzt! Seit eineinhalb Jahren bin ich jetzt hier und dann läuft sie mir ausgerechnet dann über den Weg, wenn ich fest beschlossen habe, dass ich hier wieder abhauen werde. Nach Paris! Ich bin noch zwei Wochen hier, nur noch zwei Wochen!" Vor lauter angestauter Wut über diese verdammte Situation schlug ich gegen das Lenkrad und lehnte dann den Kopf nach hinten und schloss die Augen. Wenn ich jetzt so fuhr, würde ich uns eh umbringen. 

Eine Weile schwiegen Yannick und ich, bis ich mich schließlich halbwegs in der Lage dazu fühlte, Auto zu fahren. Ich fuhr langsamer als sonst durch das nächtliche Wolfsburg und setzte Yannick schließlich vor seiner Wohnung ab. 
"Bis morgen, Kumpel", verabschiedete er sich und ließ mich alleine zurück. 

Völlig neben der Spur fuhr ich nach Hause, parkte mein Auto und schloss schließlich meine Haustür auf. Eine angenehme Wärme begrüßte mich, aber so richtig freute mich das nicht. Ich zog Jacke, Schuhe und Schal aus, schmiss meine Autoschlüssel auf den Küchentisch und legte mich dann aufs Sofa. Ich lag dort einfach und starrte die Decke an. Ich war mir immer so sicher gewesen, dass ich in Wolfsburg eh nichts vermissen würde, wenn ich ginge. Und jetzt ist da dieses Mädchen, das mich gleich bei der ersten Begegnung so verzaubert hatte, dass ich jetzt alles noch einmal überdenken musste. Ich wollte nach Paris und rein fußballerisch gab es jetzt auch kein Zurück mehr. Mein Vertrag bei PSG war soweit beschlossene Sache, es fehlte nur noch meine Unterschrift. Und die würde ich geben. Aber was wurde dann aus Emily und mir? Was konnte ich bloß machen, um sie nicht zu verlieren?!

Mein Handy klingelte und erschreckte mich zu Tode. Ich kramte es schnell aus meiner Hosentasche und schaute auf das Display. >Emily<
"Hey", lächelte ich.
"Hi, ähm... das klingt jetzt vielleicht ein bisschen schräg, aber ich brauche grad einfach jemanden zum Reden, damit ich nicht zu paranoid werde", schmunzelte sie und ich begann zu lachen. Sie war so süß!
"Vielleicht sollten wir ab sofort keine Horrorfilme mehr zusammen gucken", schlug ich vor. Wenn wir überhaupt jemals wieder einen Film zusammen gucken würden...
"Dann würde das ja heißen, dass ich ein Angsthase bin! Ich hab aber gar keine Angst!"
"Ach wirklich?"
"Nein hab ich nicht! Es ist nur so, dass hier irgendwie grad alles Geräusche macht und naja..."
"Da ist niemand, versprochen", schmunzelte ich. Kurz sagte niemand von uns was, bis ich ein Poltern hörte und Emily leise fluchte. 
"Alles gut?"
"Scheiße, ja, aua! Ich bin gegen den blöden Küchenstuhl gelaufen", jammerte sie und ich konnte nicht anders, ich musste einfach lachen. 
"Hör auf zu lachen!"
"Sorry, ich kann nicht anders!"
"Idiot!"
"Ich hab dich auch lieb", lächelte ich. 
"Da war schon wieder ein Schatten, ich schwör's!", rief sie da plötzlich. 
"Em, entspann dich, da ist nichts! Mach dir einen Tee oder eine heiße Schokolade oder sonst was und leg dich ins Bett", forderte ich sie auf. 
"Heiße Schokolade klingt gut!", grinste sie. 
"Hab ich ja gesagt."
"Ich stelle dich mal auf laut, sonst schmeiße ich mein Handy gleich noch durch die Gegend", lachte sie. Und schon konnte ich hören, wie sie irgendwo rumkramte.
"Mist, ich hab keinen Kakao mehr! Naja, dann eben richtige Schokolade, ist auch nicht schlimm." Sie klang dabei so fröhlich, dass ich mir einfach nur wünschte, jetzt bei ihr zu sein. Ich wollte ihr Lächeln sehen, wie sie durch die Küche lief und schließlich rot wurde, weil ich sie die ganze Zeit beobachtete. 
"Oh man, hab ich auch keine Schokolade mehr? Doch bestimmt. Hm..." Dann hörte ich etwas über den Boden schleifen und ein leises Poltern.
"Was tust du?", grinste ich.
"Ich bin grad auf einen Stuhl geklettert. Sonst kann ich nicht ganz in den Schrank gucken. AHA! Da ist Schokolade", strahlte sie. 
"Fall bitte nicht runter!"
"Nein nein, bin schon wieder unten. Dann mach ich jetzt mal den Abzug an, also sorry, falls du mich dann nicht hörst." Man verstand sie wirklich ganz schlecht, dabei meinte sie, sie würde schon schreien. Aber schließlich war ihre Schokolade fertig und sie schaltete ihn wieder ab.
"Hey, schrei mich nicht an!", grinste ich zum Spaß, als ich sie wieder verstehen konnte. Auch Emily musste lachen. 
"Ach Mist, jetzt hab ich die Decke vergessen", seufzte sie und stand scheinbar noch einmal vom Sofa auf, um sich eine zu holen. 
Dann redeten wir eine Ewigkeit über alles Mögliche, bis sie irgendwann müde wurde. 

"Du, ich glaube, ich gehe jetzt mal ins Bett", gähnte sie. "Warte kurz fünf Minuten, dann bin ich wieder da."
Die fünf Minuten nutzte auch ich, um mich schnell umzuziehen.
"Hey, da bin ich wieder!", rief sie durchs Telefon.
"Isch putsch grad Schähne", murmelte ich und Emily begann laut zu lachen. 
"Na dann halt mal lieber die Klappe und ich rede solange!", grinste sie. "Ach ja... freust du dich auch so auf Weihnachten? Meine Familie wird da sein. Meine Mom, mein Dad und Oma, nur Susan und Thilo leider nicht! Ich bin dann bei meinen Eltern, die wohnen ja auch hier in Wolfsburg. Und ich brauche noch Geschenke... Fährst du nach Gelsenkirchen?"
"Mhm."
"Das ist schön. Also ich fänd's natürlich auch schön, wenn du hier wärst, aber naja..." Ich musste sofort lächeln, als sie das sagte. Sie würde sich freuen, wenn ich bei ihr wäre? Ja, das würde mich auch freuen. 
Ich legte meine Zahnbürste weg und machte mich wieder auf den Weg ins Wohnzimmer. 
"So bin fertig", berichtete ich ihr und sie lachte auf.
"Ich werde jetzt mal schlafen..."
"Hab ich die Monster bei dir bekämpft?", grinste ich. 
"Psss! Sonst kommen sie wieder zurück", grinste sie verschwörerisch. 
"Dann schlaf gut!"
"Sehen wir uns bald wieder?" Es klang beinahe so, als würde sie schmollen.
"Ja, das werden wir, versprochen", lächelte ich, aber ich war froh, dass sie es nicht sehen konnte, weil es nicht echt genug war. 
"Okay! Dann bis bald, Juli", gähnte sie. 
"Gute Nacht, Kleine."
"Nacht."

Und dann lag ich wieder auf dem Sofa. Genau so wie vor dem Telefonat. Und meine Gedanken knüpften auch genau dort an, wo sie geendet hatten, bevor Emily angerufen hatte. 

Paris (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt