Kapitel 34 - Anschuldigung

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Ich machte in dieser Nacht kein Auge mehr zu. Stattdessen drehte ich mich von einer Seite auf die andere. Und immer mehr Angst und Panik stieg in mir auf. Wurde ich jetzt verurteilt für etwas, an das ich mich nicht erinnern konnte? Hatte ich das wirklich getan? Würde ich ins Gefängnis kommen? Und was würde Julian sagen? Ich war doch gerade bereit gewesen, uns eine Chance zu geben... 

Um fünf Uhr hielt ich es im Bett nicht mehr aus. Ich stand auf und tigerte unruhig durchs Haus. Thilo sah mich nur mitleidig an, als er zur Arbeit aufbrach. Meine Schwester kam um sieben zu mir in die Küche und setzte sich neben mich. 
"Konntest du wenigstens etwas schlafen?", fragte sie besorgt und strich mir durch die Haare. 
"Keine Sekunde", murmelte ich. "Scheiße, Susan, was passiert jetzt?"
"Ich würde vorschlagen, du sprichst erst einmal mit dem Verlag. Vielleicht wissen die ja ein bisschen mehr."
"Und warum haben sie sich dann nicht vorher mal bei mir gemeldet?", jammerte ich und legte den Kopf auf die Tischplatte. 
"Oh, Süße", flüsterte sie und hielt mich im Arm. Nach einiger Zeit stand sie auf. "Kann ich dich kurz alleine lassen? Dann fahre ich zum Bäcker, ich brauche jetzt was Süßes! Oder du kommst einfach mit."
"Nein, nein ich bleib hier..."
"Okay... Ich beeile mich!"

Kaum war sie aus dem Haus, holte ich mein Handy hervor und rief bei der einzigen Person an, die mich vielleicht ein bisschen beruhigen konnte. 
"Draxler", gähnte er verschlafen ins Telefon. 
"Julian, ich... ich stecke in Schwierigkeiten", kam ich gleich zum Punkt. 
"Em! Was ist los?" Er klang gleich deutlich wacher. 
Also erklärte ich ihm, was in diesem Brief stand. 
"... Ich soll schon in drei Tagen in Hannover vorm Gericht erscheinen", beendete ich meinen Vortrag. 
"Emily, sowas hättest du niemals gemacht, da bin ich mir ganz sicher! Lass dich nicht einschüchtern, es wird alles wieder gut!"
"Aber, was, wenn ich ins Gefängnis komme oder..."
"... Halt die Klappe! Du wirst gar nicht erst anfangen, so zu denken, hörst du! Das werde ich nicht zulassen! Ich werde dir den besten Anwalt besorgen und ich komme zu dir."
"Aber der Fußball, Julian. Deine Mannschaft braucht dich doch!"
"Du brauchst mich mehr."
"Nein, du musst dort bleiben. Wenn die Presse davon Wind bekommt, hast du ein riesiges Problem. Ich werde dich da raus halten."
"Emmi..."
"Bitte, Julian! Ich will nicht noch mehr Schaden anrichten..."
"Na schön... Aber ich organisiere den Anwalt!"
"Okay, danke..."
"Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich beschütze! Du musst noch heute nach Deutschland und mit ihm sprechen. Versprich mir, dass du noch heute fliegst!"
"Ich werd's versuchen."
"Emily, dir wird nichts passieren. Die bräuchten Beweise und man kann nichts beweisen, das nicht stimmt", redete er beruhigend auf mich ein. 
"Danke, Julian. Ich hatte ehrlich gesagt Angst, dass du mir nicht glaubst..."
"Ich kenne dich besser, als du denkst, Süße. Und ich werde immer auf deiner Seite sein", versprach er. 
"Danke", flüsterte ich zum wiederholten Male. Ich konnte das eigentlich nicht in Worte fassen, wie gut mir Julians Worte taten. Es fühlte sich so gut an, ihn auf meiner Seite zu wissen. Ich liebte ihn so sehr dafür!

"Susan kommt gerade wieder. Ich werde mit ihr mal wegen des Fluges sprechen", erklärte ich, als ich die Haustür ins Schloss fallen hörte. 
"Sag mir Bescheid, sobald du was weißt. Und denk dran, du bist nicht schuldig! Du hast nichts verbrochen, verstanden?"
"Ich würde dich glaube ich erdrücken, wenn du jetzt hier wärst", sagte ich mit einem leichten Lächeln. Julian lachte. 
"Das kannst du gerne machen, wenn das alles vorbei ist. Bei Sonnenuntergang vorm Eiffelturm."
"Oh Gott, bist du kitschig", lachte ich. 
"Nein, eher nicht. Vielleicht solltest du einfach zu mir kommen und wir bestellen Pizza", grinste er. 
"Das klingt toll!", murmelte ich. 
"Bleib stark, ja?! Ich bin für dich da", sagte er dann wieder ernst. Er erfüllte mich irgendwie mit Hoffnung, dass ich das alles überstehen konnte. 
Gestärkt durch diese Hoffnung konnte ich dann auch zu Susan gehen und mit ihr zusammen einen Flug nach Deutschland buchen. Irgendwann stießen die drei anderen zu uns und buchten ebenfalls fest entschlossen denselben Flug. 
"Wir lassen dich doch nicht alleine!", meinte Lisa und damit war das Thema durch. 
Susan wollte ebenfalls mitkommen, weshalb sie Thilo anrief und das mit ihm besprach. 

Um zwei Uhr nachmittags standen wir zu fünft am Flughafen. 
Ich hatte bisher den ganzen Tag versucht, meinen Verlag zu erreichen, aber es nahm einfach niemand ab. Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei...
"Also du kannst noch heute Abend mit dem Anwalt sprechen. Er hat sich sofort an die Arbeit gemacht und besorgt alle Infos, die zu kriegen sind", erklärte Julian mir am Flughafen durchs Telefon. 
"Okay, Susan und ich wollen uns in einem Hotel in Hannover einmieten."
"Wie geht's dir bei der ganzen Sache?", fragte er fürsorglich. 
"Mir geht's einfach scheiße... Ich habe das Gefühl, dass der Verlag da ganz tief mit drin steckt."
"Mach die Idioten zur Schnecke, okay? Und dann kommst du zurück zu mir", lächelte er. 
"Ja, das werde ich", lächelte auch ich. Und ich bezog das einzig und allein auf seinen zweiten Satz. 

Als wir schließlich in Hannover ankamen, wäre ich am liebsten einfach nur in mein Bett gefallen, aber es ging ja noch weiter. 
Gegen halb sieben standen Susan und ich vor der Kanzlei in Hannover. 
"Hallo, Frau Gartner, ich bin Ihr Anwalt, Jascha Sahlfeld", begrüßte mich der Mann und reichte mir die Hand. Er war vielleicht Mitte vierzig und wirkte sehr berechnend. Aber so sollte ein Anwalt doch sein, richtig?
"Hallo. Ähm, das ist meine Schwester Susan Dumont." Er reichte auch meiner Schwester die Hand und führte uns dann, nachdem ich darauf bestanden hatte, dass sie mitkam, in ein geräumiges Büro. 
"Also, Herr Draxler hat mir das Schreiben an Sie übermittelt. Ich habe zusätzlich einiges herausgefunden. Es ist so, dass vom Urheber des betroffenen Bildes Anzeige erstattet wurde. Es geht um einige tausend Euro. Der Verlag hat das Bild veröffentlicht, weißt nun aber jede Schuld von sich. Aber Sie, Frau Gartner, wurden von Ihrem Arbeitgeber offiziell als Fälscherin beschuldigt." Aha, so was das also. Deswegen hatten sie auf keinen meiner Anrufe reagiert. Ich hätte kotzen können, so wütend war ich. 
"Haben sie das wegen des Unfalls gemacht? Weil sie ahnen, dass Emily eh nicht zurück kommt und sich jetzt nicht an die Zeit vor dem Unfall erinnert?", wollte Susan wissen. 
"Darüber weiß ich nichts Konkretes, aber Ihre Schwester müsste, wenn sie schuldig wäre, nicht nur dem Kläger sehr viel Geld zahlen, sondern auch dem Verlag." Das wurde ja immer besser. 

Als ich nach einem langen Gespräch mit dem Anwalt schließlich endlich auf unserem Hotelzimmer ankam, fiel ich todmüde ins Bett und war sofort eingeschlafen. Ich schlief unruhig und träumte schlecht. Am nächsten Morgen wachte ich nur noch viel müder wieder auf. 

Paris (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt