Kapitel 4 - Nachrichten

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"Du warst bei ihm Zuhause?", fragte Lisa mit großen Augen und vergaß für einen Moment völlig, ihre Pizza weiter zu kauen.
Wir saßen alle zusammen im Wohnzimmer im Pyjama unter tausend Decken und Kissen mit Pizza, Sekt und Softgetränken, während sie mich löcherten.
"Ja, er wollte mich eigentlich nach Hause fahren und nur kurz den Autoschlüssel holen. Aber dann hatte er Angst, ich würde ihm wegfrieren. Er hat mir einen Tee gemacht und irgendwie haben wir uns dann festgequatscht." 
"Und es ist wirklich nichts gelaufen zwischen euch?", hakte Laura mit hochgezogenen Brauen nach. 
"Nein, zum hundertsten Mal. Wir haben die ganze Zeit geredet, mehr nicht." Ich seufzte und sah hilfesuchend zu Lisa. 
"Glaubt ihr mir jetzt, dass Fußballer toll sind?", fragte sie also und wir alle mussten lachen.
"Seht ihr euch denn wieder?", fragte meine beste Freundin mich aber gleich drauf.
"Ich weiß nicht..."
"Also er hat gesagt, dass er es schön fand und sie wiedersehen will", strahlte Tabi und hielt sich dabei eine Hand ans Herz.
"Er meinte 'Vielleicht sieht man sich mal wieder'", korrigierte ich sie sofort.
"Aber das ist doch schon mal ein gutes Zeichen", grinste Laura. 
"Ja, oder es ist so wie in irgendwelchen Filmen, wo der Typ das nur sagt, um das Mädchen nicht zu enttäuschen. Und dann sehen sie sich nie wieder", seufzte ich. 
"Hast du denn seine Nummer?"
"Nein, hab ich nicht."
"Hast du dich verliebt?", strahlte Tabi und ihre Augen schienen beinahe von selbst zu leuchten. Irgendwie fürchtete ich manchmal, Tabi war ein Alien, das sich nur als Mensch tarnte. Das würde auch erklären, warum sie mal super schüchtern und mal total schräg drauf war. Vielleicht hatte sie aber auch einfach nur zu viele kitschige Bücher gelesen.
"Nein, Tabi, hab ich nicht. Ich kenne ihn gerade mal einen Tag!"
"Aber du könntest es dir vorstellen?" Ja, definitiv zu viele kitschige Bücher! Oder sie hatte einfach schon zu viel Sekt getrunken...
"Ach, Tabi", seufzte ich nur. Laura kicherte und Lisa lachte laut auf. 

"Wer hat eigentlich diese schreckliche Musik eingestellt?", fragte Lisa nach einer Weile und stand auf, um zu der Musikbox zu gehen, an die mein Handy angeschlossen war. 
"Wollt ihr noch was trinken, Mädels?", fragte Laura und schenkte allen noch etwas nach. Lisa beschäftigte sich unterdessen ungewöhnlich lange mit meinem Handy. Schließlich sah sie hoch und schaute mich ganz komisch an.
"Was ist los?", wollte ich sofort wissen.
"Wieso lügst du uns an?" Bitte, was?
"Was?!"
"Meintest du nicht, du hast seine Nummer nicht? Schon klar, das ist Julian Draxler, aber..."
"Warte mal, was?" Ich verstand nur Bahnhof. Sie verdrehte die Augen und drehte mein Handy zu mir. Augenblicklich lief ich zu ihr und nahm ihr mein Handy aus der Hand. Und tatsächlich. In meinen Kontakten stand bei 'Neue Kontakte' sein Name. Aber wie war das möglich?

An meinem Blick schien Lisa zu erkennen, dass ich davon tatsächlich nichts gewusst hatte.
"Wann soll er die denn bitte eingespeichert haben?!", sagte ich erstickt.
"Nochmal von vorne, was ist los?", fragte Laura. 
"Hier ist Julians Nummer eingespeichert. Warte ich guck mal auf WhatsApp... Es ist wirklich seine. Hier ist ein Bild von ihm und...ähm..."
"Leon und Max, auch Schalke-Spieler." Ich sah es nicht, aber ich wusste, dass Lisa theatralisch die Augen verdrehte. 
"Vielleicht kann er zaubern", grinste Tabea. Ich sah sie nur verstört an. "Oder er hat dir was eingeflößt, damit du dich nicht daran erinnern kannst..."
"TABI!", riefen Lisa, Laura und ich synchron.
"Ja, stimmt, ist unwahrscheinlich." Sie zuckte die Schultern und lächelte selig. 
"Denk mal ganz genau nach!" Also ließ ich mir alles noch einmal durch den Kopf gehen. Bis ich schließlich die Erleuchtung hatte. 
"Ich hab ihm ein paar meiner Bilder gezeigt. Da hatte er mein Handy in der Hand und ich hab aus dem Fenster geschaut!"
"Aha! Also würde ich sagen, er mag dich", grinste Lisa. "Immerhin vertraut er dir, dass du damit keinen Mist baust. Einmal im Netz und - Bam - er kann sich eine neue zulegen!" Da war was dran...
"Was soll ich ihm denn schreiben?" Etwas verzweifelt sah ich meine Freundinnen an. Das war ja immerhin eine ziemlich eindeutige Aufforderung von ihm, das zu tun.
"Ruf einfach an", meinte Laura.
"So ganz ohne Grund?"
"Frag, wie das Training war."
"Und das kommt dann rüber, als wäre ich eine irre Stalkerin."

Den ganzen Abend zerbrachen wir uns den Kopf, was ich denn schreiben könnte. Aber so wirklich erfolgreich waren wir nicht. Und außerdem wurde ich irgendwann müde. Es war ein wirklich toller, aber auch sehr intensiver Tag gewesen. Also schliefen wir gegen drei Uhr schließlich ein.

Als ich aufwachte, war es dunkel im Raum, aber mein Handy sagte mir, dass es bereits kurz vor zwölf war. Die anderen drei schliefen noch, also stellte ich die Helligkeit des Bildschirms auf Minimum, um sie nicht zu wecken.
Und da fiel mir Julian wieder ein. Und seine Nummer in meinem Telefon. Beinahe automatisch suchte ich ihn auf WhatsApp und öffnete den Chat. Er war online. Fuck... Was sollte ich denn jetzt schreiben? Wenn ich weiter wartete, würde er denken, dass es mir nicht wichtig war. Oder wäre es zu aufdringlich, wenn ich jetzt schon schrieb? Aber warum sollte er mir seine Nummer geben, wenn er nicht wollte, dass ich ihm schrieb?! Gott, war das alles kompliziert! Naja, eigentlich war ich diejenige, die es kompliziert machte. 

Ich hielt kurz die Luft an, durchsuchte mein Hirn und schrieb schließlich das Einfallsreichste, was mir spontan einfiel. 

"Hey:)" Mehr fiel mir nicht ein... Aber ich hatte bereits auf Senden gedrückt. Wäre ich bei sowas doch bloß nicht so unkreativ! 

Die nächsten zwei Minuten starrte ich auf das Display. Julian war wieder offline gegangen, bevor ich meine Nachricht gesendet hatte. Und jetzt wartete ich gefühlte Ewigkeiten. Dabei dauerte es nur zwei Minuten, bis sich die zwei grauen Häkchen blau färbten und unter seinem Namen das bekannte 'schreibt...' erschien. 

"Hi :) Du hast meine Nummer entdeckt :D"
"Jaa :D Ich hab's ehrlich nicht mitbekommen, als du sie eingespeichert hast :o"
"Dachte ich mir :D Was machst du grad?"
"Um ehrlich zu sein, bin ich grade erst aufgewacht... Wir waren gestern noch eine Weile wach :D"
":D Schade..."
"Wieso schade?"
"Naja, ich bin grad noch in der Innenstadt. Ich hab aber in zwei Stunden Training. Das lohnt sich dann für dich sicher nicht mehr, noch zu kommen..."
So ein Mist. Mit dem Bus wäre ich frühstens in einer Stunde bei ihm. Und er musste ja auch sicherlich noch eine Weile zum Training fahren...
":("
"Und heute Abend? Ich könnte zwar nicht so lange, weil morgen ein Spiel ist, aber wir könnten uns eine Weile in irgendeine Bar setzen :)"
"Klar, gerne :) Wann denn?"
"Fährt gegen sieben ein Bus?"
"Um Viertel nach hält einer in der Innenstadt."
"Okay, dann hole ich dich dort ab :)"
"Okay :)"
"Also dann bis heute Abend :)"
"Bis dann :)"

"Lisa!" Ich rüttelte leicht an ihrer Schulter, bis sie aufwachte und mich verschlafen ansah. Ich hielt ihr mein Handy unter die Nase und irgendwann merkte sie, dass sie lesen sollte. 
"Oh mein Gott!! Em!!", rief sie aufgeregt und hielt sich eine Hand vor den Mund. Dadurch wachten auch die anderen auf und wollten unbedingt wissen, was los war. 

Lisa erzählte es ihnen strahlend und auch Laura und Tabea lasen sich den Chat durch.
"Ähm... Leute?" Wir alle sahen Tabea an. "Ich will ja keine Spielverderberin sein - ich meine, es freut mich echt für dich - aber heute Abend ist doch Melissas Geburtstagsfeier! Und wir haben zugesagt."

Sch****. Was sollte ich denn jetzt bitte machen???

Paris (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt