33. Kapitel

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Verzweifelt gehe im Zimmer auf und ab. Es ist fast Mitternacht und Harry ist immer noch unten. Soll ich hinter her?

Leise schleiche ich die breiten Treppen hinab und schaue unbemerkt in das Wohnzimmer. Harry sitzt am offenen Fenster auf der Fensterbank, schaut in den dunklen Himmel, neben sich die Weinflasche, und baumelt mit den Beinen.
Meine Hände zittern und mein Herz rast, weil ich Angst vor ihm habe. Er ist zwar lange nicht mehr ausgeflippt, aber trotzdem ist das noch in ihm und ich weiß, wie verletzt er ist.

Als erstes nehme ich die Flasche von der Fensterbank. Er dreht den Kopf und sieht mir nach, als ich sie auf das Regal weiter weg stelle. Mit sehr viel Überwindung schaffe ich es den Blick zu erwidern.

Er hat ... geweint.

"Harry ...", japse ich und springe förmlich zu ihm hinüber. Doch er sieht im Gegenzug hinab auf den Rasen in Garten und stemmt die Hände auf dem Fensterbrett ab. "Nein!", brülle ich und packe ihn am Arm. "Komm da runter!" Er legt den Kopf in den Nacken und stöhnt. "Als ob es dich interessieren würde.", lallt er und rutscht weiter vor. Aus Panik schlinge ich meine Arme um seinen Oberkörper und ziehe ihn hinab auf den Boden. Dank seines Gewichtes und seines alkoholischen Zustands, landet er auf mir und ich falle. So schnell ich kann schiebe ich ihn von mir und schließe das Fenster. Harry liegt noch immer am Boden und fährt sich durch das Gesicht. "Harry, das ...", setze ich an, aber ich bin so schockiert, dass ich meinen Satz nicht beenden kann. Ich gehe durch den Raum und stelle die sanften Klavierklänge ab. In meinem Kopf drehen sich so viele Gedanken. Ich will weglaufen, gleichzeitig will ich ihn beschützen. Aber ich kann ihn nicht vor sich selbst schützen.

Plötzlich legt sich Harry's Hand um meinen Hals. Nicht sanft und liebevoll, wie sonst, sondern grob. Er zieht mich durch den Raum, drückt mich gegen die Wand und beginnt mich grob zu küssen, seine Zunge fordert meine heraus und ich schmecke sofort den starken Alkohol. Mit meinen kleinen Händen Versuche ich dieses wilde Tier von mir zu schieben, doch wie so oft habe ich keine Chance. Sein Griff um meine Kehle wird fester. Er hält mich, aber auf eine Weise, die nichts mit Liebe zu tun hat. "H-h...", setze ich an, aber seine stürmischen Lippen und das heiße Verlangen in ihm geben mir keine Chance. Selbst als ich ihm in die Lippe beiße, weicht er nicht zurück. Ich schmecke das metallische Blut, das dadurch in unseren Kuss gerät. Harry ist komplett abgestumpft. Und ich bin mir sicher, das liegt nicht nur am Alkohol.

In meinen Lungen beginnt es zu brennen. Ich brauche Sauerstoff. Verzweifelt reiße ich an seinem schwarzen Shirt und wimmere.

Und dann, endlich, gibt er mich frei. Ich bleibe schwer atmend an der Wand stehen und pumpe Sauerstoff in meine Lungen, versuche den Schwindel abzuschütteln und sehe nur, wie Harry den Raum verlässt. Ich sollte ihn lassen, meinen eigenen Arsch retten. Aber ich weiß, mein Arsch gehört ihm.
Also bewege ich ihn hinter ihm her.

Aber wo geht er hin?

Ich folge ihm durch den Flur, die Treppen hinauf, bis ins Schlafzimmer zurück.

Er legt sich ins Bett und deckt sich zu. Er schließt die Augen und ... schläft einfach.

Verstört gehe ich wieder ins Erdgeschoss, lege mich auf die Couch und versuche das eben geschehende zu verarbeiten. Aber es klappt nicht.

"Louis, was machst du hier?"

Ich öffne die Augen. Harry kniet am Sofa und hält meine Hand. Es ist mittlerweile hell draußen. Er riecht nach Lavendel und Zitrone. Seine Locken sind noch feucht. Er war duschen.

Sofort ziehe ich meine Hand weg und springe vom Sofa. Harry steht verwirrt auf und sieht mir nach. "Was ist denn passiert?", fragt er mit einem Hauch Verzweiflung in seiner Stimme. Voller Hass sehe ich ihn an. Wie kann er es wagen? "Komm mir nicht zu nahe, Harry ... Das, was du gestern Abend getan hast ... Ich weiß nicht warum, ich habe dir dein verdammtes Leben gerettet! Und dieses Mal lasse ich den Alkohol nicht durchgehen."
Harry ist die Verwirrung anzusehen. Was ist bloß los mit ihm?
"Louis, bitte ... Ich habe keine Ahnung, was du von mir willst! Ja, du hast mein Leben gerettet, jeden einzelnen Tag, aber das weiß du doch! Wenn du den kleinen Streit meinst, es tut mir leid, ich will darüber nur nicht mehr nachdenken!" Ich muss mich wirklich beherrschen, nicht auf ihn einzuschlagen. "Kleiner Streit?! Das nennst du einen 'kleinen Streit'?! Du bist wirklich krank, Harry ...", zische ich und gehe schnellen Schrittes aus dem Raum. "Louis!", ruft er hinter mir her. "Nein! Ich bin raus ... Ich bin raus!" Ich stürme in das Zimmer, suche so schnell ich kann meine Sachen zusammen und stopfe sie in meine Tasche.

Es tut weh. Aber ich bin nur ein 19-jährige Junge. Ich kann ihm nicht helfen. Ich hätte es versucht, für ihn. Aber das ...

Ich komme wieder runter, meine Sachen unter den Armen und steure auf die Haustür zu. Doch Harry stellt sich mir in den Weg. Ich sehe zu ihm auf. Seine Augen sind tränenüberströmt. Ich beiße mir auf die Wange. "Geh bitte aus dem Weg.", sage ich so leise, dass ich es selbst kaum verstehe. Harry schüttelt den Kopf. "Ich kann dich nicht gehen lassen." Seine Stimme ist so hoch, es ist, als gehöre sie nicht ihm.
Mir ist klar, wie sehr es ihn verletzen wird, aber ich habe keine andere Wahl. Also haue ich den einzigen Satz raus, der mich retten wird.

"Aber ich kann es."

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt