9. Kapitel

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"Daddy, warum liegt er da, wo Mommy sonst liegt?" Ich lasse meinen Kopf wieder in die Kissen sinken. Verflucht ... diese Metapher. "Wir haben uns nur etwas unterhalten und Louis hat gefroren." Emerson nickt sofort und klettert zu uns ins Bett. Naja, er klettert auf mich drauf. Lachend steht Harry auf und nimmt ihn auf den Arm, verlässt das Zimmer und lässt die Tür in die Angeln fallen. Wow ... bin ich jetzt Luft?

Seufzend lasse ich mich in der Badewanne nieder und lege den Kopf zurück. Soll Harry doch selbst Frühstück machen. Es ist Samstag. Im Vertrag steht, dass ich am Wochenende frei habe. Und ich wohne offensichtlich hier. Also ...

"Louis? Bist du hier drin?" Harry hämmert gegen die Glastür, die ich, natürlich, abgeschlossen habe. Ich zucke trotzdem zusammen und lege die Arme über meine Brust. Was kompletter Quatsch ist. "Äh ... ja?" Ich höre ihn verärgert schnaufen. "Das ist mein Badezimmer. Deins ist im dritten Stock." Ich stehe schnell auf und schnappe mir ein Handtuch. "Das wusste ich nicht, bitte verzeihen Sie mir.", stottere ich, nehme meine Klamotten und öffne mit dem Handtuch um die Tür. Sie hat nach seinem 'Klopfen' einen Sprung an den Angeln. Ich sollte ihn vielleicht doch nicht so unterschätzen.
Sein Blick ist wild, als ich mit nassen Haaren und bloß mit dem Handtuch vor ihm stehe. Er leckt sich die Lippen. "Wollen Sie ... rein?", frage ich unsicher, weil er nichts sagt. Und das schüchtert mich ein. "Nein, ich prüfe nur alle fünf Minuten, ob ein 19-jährige vielleicht gerade ein Bad in meinem Badezimmer nimmt.", sagt er sarkastisch und schiebt mich wieder rein, bevor er die Tür schließt und beginnt sich auszuziehen. Was zur Hölle ...
Er zieht sich ernsthaft komplett aus. Alles.

Wie angewurzelt stehe ich an der geschlossenen Tür und versuche meinen Mund zu schließen. Dann runzle ich die Stirn. Ist das eine Narbe an seinem Oberarm?
"Worauf wartest du? Sonst kommt keiner mehr.", bemerkt er und nimmt mir die Klamotten aus der Hand. "Die müssen gewaschen werden." Prompt wirft er sie in den Wäschekorb. "Was wird das? Ich meine, was soll ich machen?" Ich kann nicht so ganz glauben, was hier gerade abgeht. "Wir nehmen ein Bad." Er sagt es, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Wie letzte Nacht, als ich in mit in seinem Bett schlafen sollte. "Schämst du dich etwa?", hakt er nach und zieht mir das Handtuch weg. "Komm schon, Emerson muss gleich zu seiner Tante." Als das Handtuch zu Boden fällt, lässt er seine Augen über meinen Körper gleiten. Er verzeiht nicht sonderlich die Miene. Jedenfalls nicht negativ.

"Badest du immer so kalt?" Seine Stimme klingt etwas höher als sonst, passend zum schönen Wetter, dem strahlenden Sonnenschein und dem blauen Himmel, als er seine Hand kurz reinhält. Ich kann es mir selbst nicht genau erklären, aber seine Art nimmt mir die Hemmungen mit ihm in die Badewanne zu steigen. Gott weiß, was passieren wird.

Ich stehe neben der Badewanne und sehe ihn an. Warum steigt nicht rein? "Nach dir.", macht er mir klar und deutet auf die Badewanne. Ich schlucke. Er will mich auf die Probe stellen. Er will mich reizen. Sobald mein Schwanz seinen Rücken berührte, habe ich verloren.

Aber was bleibt mir anderes übrig? Also steige ich in die Wanne und lehne mich an, öffne die Beine etwas, was man dank des vielen Schaums nicht sehen kann und beobachte jede Körperbewegung von Harry, dem großen, psychisch zerstörten Mann, als er sich vor mich hinsetzt. Es gibt keinen Zentimeter seines Körpers, an dem ich etwas ändern würde.
Unsicher, wohin ich meine Arme legen soll, lege ich sie rechts und links auf den Rand. Nur ist die Wanne ziemlich groß, weshalb das ganze sicher merkwürdig aussieht.

Harry lässt seinen Rücken gegen meine Brust sinken und legt seinen Kopf in meiner Halsbeuge ab. Sofort steigt mir der wundervolle Duft seiner Haare in die Nase.
Ich merke wie er zittert. "Ist dir kalt?", frage ich sanft. Es ist so still im Badezimmer.
Er nickt kurz und nimmt meine Arme, um sie um seine Brust zu schlingen. Ich schlucke und versuche mein rasendes Herz zu beruhigen. "Wir könnten auch einfach mehr heißes Wasser einlassen.", schlage ich vor, doch er lehnt ab. "Nein. Lass einfach deine Arme, wie sie sind." Und tatsächlich. Schon nach wenigen Sekunden lässt das Zittern nach. Ihm war also gar nicht wirklich kalt. Jedenfalls nicht in dem Sinne. Meine Güte, was stimmt nur nicht mit ihm?

Die Spitzen seiner Locken berühren die Wasseroberfläche, als er sich vollends entspannt und seine Atmung ruhiger wird. Er ist ziemlich schwer, liegt beinahe wie ein Stein auf mir. "Wann musst du denn mit Emerson los?", frage ich so leise, dass meine Stimme am Ende bricht. Ich bekomme keine Antwort. "Harry?" Nichts. Ich beuge meinen Kopf etwas vor und sehe in sein Gesicht. Seine Augen sind geschlossen. Er ist eingeschlafen.

Aus irgendeinem Grund füllen sich meine Augen mit Tränen. Wie müde muss er sein, wie ausgelaugt, dass er in den Armen eines fast Fremden einschläft, obwohl sein Sohn weggebracht werden muss. Vormittags. Was ist passiert? Und was hat Johnny machen müssen, dass Harry es ihm erzählt hat? Woher kommen die Flecken an Johnny's Hals?
Ich rufe den Vorfall von vorgestern Abend wieder in mein Gedächtnis. Er hat mich geküsst. Nein, er hat ... so viel mehr gemacht. Er hat versucht mich zu markieren, aber ich glaube für einen Fleck war es einfach zu kurz und irgendwie ... zu sanft.

Zu sanft. Harry war zu sanft.

Gedankenverloren bemerke ich gar nicht, dass ich seit einer Weile seinen Arm streichle. Als ich es realisieren höre ich sofort auf und atme tief durch. Wieder sehe ich die tiefe Narbe an, die schon etwas älter zu sein scheint. So fällt sie kaum auf. Was mich aber wundert ist, dass er die Motive drum herum tätowiert hat und nicht drüber.
"Hör nicht auf.", murmelt er und ich hätte es beinahe nicht verstanden. "Was ist mit Emerson?", frage ich im Gegenzug, weil ich den Kleinen echt nicht alleine lassen möchte.
Harry strafft die Schulter und setzt sich auf. Sein Rücken schwebt vor mir, ich bewundere die makellose, sonnengeküsste Haut und habe das Verlangen sie zu berühren.

Ehe meine Gedanken noch weiter streifen können, stemmt er die starken, tätowierten Arme auf den Rand der Badewanne und hievt sich auf. Ich kann nicht anders als ihm mit offenem Mund dabei zuzusehen, wie er sich ein großes Handtuch aus dem Schrank holt und sich trocknet. Als er bei seinen Beinen angelangt ist, fällt sein Blick auf mich und er hält inne. "Warum siehst du mich immer so an?", will er wissen und kommt mit dem geöffneten Handtuch auf mich zu. "Ich ... ähm ... Ich weiß nicht. Weil du es wert bist angestarrt zu werden, nehme ich an." Eine Art erfreute Trauer macht sich auf seinem Gesicht breit und die tiefe Falte zwischen seinen Augen verschwindet. "Komm her.", fordert er mich auf und ich klettere schüchtern aus der Wanne. Harry legt mir das Handtuch um die Schultern und dann seine Arme. Er legt sein Kinn auf meinen Kopf. Verunsichert greife ich ins Handtuch und warte einfach ab. Diesem Mann geht es eindeutig nicht gut. Er beginnt wieder zu zittern. Ich spüre außerdem sein rasendes Herz. "Alles in Ordnung?", frage ich leise und er vergräbt das Gesicht in meiner Halsbeuge. Und dann ... schluchzt er.
Völlig überfordert befreie ich meine Arme aus dem Handtuch und schlinge sie um seinen großen Torso. "Hey, was ist los?", frage ich leise und will ihn wegschieben, um ihn anzusehen, aber er lässt es nicht zu.

Plötzlich klopft es an der Tür.

Ich zucke erschrocken zusammen.
"Daddy? Wir müssen gehen!", ruft Emerson und klopft wieder. Harry gibt mich frei und wischt sich mit den Händen über die feuchten Wangen. Trotz, dass er total fertig ist, sieht er immer noch so wunderschön aus. Nur eben anders.

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt