7. Kapitel

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Mein Herz rast noch immer, als ich meine Zimmertür schließe. Was zur Hölle war das denn? Hat das alles etwa nur meine Frage, ob ich ihm helfen kann, verursacht? Wenn ja, ist das ganze eine ganz schön tiefe Psychonummer, in die ich nicht reingeraten will. Ich weiß ja gar nichts über ihn.

Sofort schreibe ich Johnny.

Louis: Willst du mich jetzt komplett veraschen?

Johnny: Er hat dich also rangenommen?

Es widert mich an, wie er darüber schreibt.

Louis: Er hat mich geküsst. Was hat das bitte zu bedeuten?

Johnny: Er hat dich geküsst? Das war's?

Louis: Natürlich, hattest du erwartet, dass er mehr vor hat?

Johnny: Natürlich, weil es jedes Mal so ist!

Das reicht. Ich wähle seine Nummer und rufe ihn an. Er nimmt sofort ab.

"Ich will, dass du mir jetzt alles erzählst was du weißt. Jedes Detail.", knurre ich und setze mich auf mein Bett. "Louis, das geht nicht. Ich habe versprochen es nicht zu erzählen." "Aber das, was passiert ist, ist doch nicht normal! Er ist verheiratet, hat einen Sohn! Er kennt mich nicht mal! Warum sollte er mich küssen und mir sagen, dass er mich am liebsten ..." Ich breche den Satz ab. Es klingt zu absurd. "Emerson ist nicht Harry's Sohn." Ich weiß, dass er ablenkt. Aber diese Info ist so überraschend, dass ich nicht weiter nachfrage. "Wie meinst du das, er ist nicht sein Sohn?" "Lydia ist eine dreckige Schlampe." Ich schnaufe sarkastisch. "Ach was." "Ja, sie hat Harry betrogen und dabei ist Emerson entstanden. Harry wusste, dass sie ihm fremd gegangen ist, denn sie hatten seit Ewigkeiten keinen Sex mehr." Sprachlos klappt mein Unterkiefer hinab und ich versuche meine Gedanken zu sortieren. "Oookay?" Johnny seufzt. "Harry ist 26. Er hat eine fabelhafte Karriere, eine Villa, eine eins a Rentenversicherung ... Aber das alles bringt ihm nichts. Dieser Mann ist vollkommen im Eimer. Er kann Realität nicht mehr von Träumen unterscheiden. Das Leben bedeutet ihm gar nichts. Kennst du die Opfer in den Saw-Filmen, die bestraft werden, indem sie sich selbst zerstückeln? Harry könnte einer von ihnen sein. Er macht es nicht mit Absicht. Er will den Menschen nicht wehtun. Aber er ist einfach so abgestumpft, dass für ihn nichts mehr wichtig ist. Das einzige, was den Rest Menschlichkeit aus ihm rausholt ist der Kleine." Johnny stoppt. Ich schlucke kräftig und lasse seine Worte in meinem Kopf nochmals ablaufen.
"Dieser Satz ... Was hat es damit auf sich?", frage ich mit zitternder Stimme. "Hast du morgen Zeit? Wir sollten es persönlich besprechen. Ich muss jetzt echt schlafen." Ich nicke. "Bis morgen."

Laut ausatmend lege ich das Smartphone weg und lege mich unter die Decke. Das, was Johnny gerade gesagt hat, ist angsteinflößend. Einerseits glaube ich es, andererseits nicht.

Mein Wecker geht um halb acht. Ich Schleife mich ins Bad und mache mich frisch, ehe ich im weißen Shirt, schwarzer Jeans und schwarzen Blazer in der Küche auftauche. Emerson sitzt am Tisch und sieht mich an. "Machst du mir Toast?", fragt er schüchtern. Ich lächle breit und nicke. "Natürlich."
Während der Kleine isst, beobachte ich ihn. Und mir fällt ein blauer Fleck an seinem Arm auf. Mein Blut gefeiert. Doch bevor ich es genauer beurteilen kann, kommt Lydia in die Küche gestürmt und macht sich einen Kaffee. Kein Guten Morgen, gar nichts. Nichtmal zu ihrem Sohn. Mich würde es wirklich interessieren, warum Harry sich nicht hat scheiden lassen.
"Ich bin geschäftlich in Wales. Ich komme morgen zurück. Pass mir ja gut auf mein Kind auf.", sagt sie monoton und hastet dann in den Flur. Kurz darauf höre ich die Haustür in die schweren Angeln fallen. Mein Blick schweift zurück zu Emerson. Seine Miene wirkt nun viel entspannter.

"Guten Morgen!", ruft Harry aus dem Flur, noch bevor er in der Küche ist. Ich sitze mit dem Rücken zur Tür, deshalb höre ich nur seine nackten Füße auf den Mamorboden. Er legt mir die Hände auf die Schultern und atmet tief durch. "Was ein herrlicher Tag. Ich glaube wir nehmen heute das Cabriolet." Emerson strahlt vor Freude und klatscht begeistert in die Hände. Ich lächle und sehe ihm nach, als er zur Küchenzeile geht. Er trägt lediglich eine lange Pyjamahose. Sonst nichts. Ich spüre den Speichel, der sich in meinem Mund sammelt.
Aber dann werde ich unwillkürlich an das Gespräch mit Johnny gestern Abend erinnert und meine Hormone machen einen Rückzieher.

Wir verlassen gemeinsam das Haus. Harry trägt eine helle Kordhose, ein weißes Hemd und Lederschuhe. Seine Haare sind mit der Sonnenbrille aus dem Gesicht. Es ist wirklich unglaublich. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, denke ich er könnte unmöglich noch schöner sein. Und dann kommt der nächste Moment. Ein nächster Tag.

Ich bin wirklich gespannt, was Johnny mir später erzählen wird. Auch, wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich es mir wirklich anhören möchte. Denn schön wird es mit Sicherheit nicht.

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt