5. Kapitel

11.2K 638 204
                                    

Nervös knibble ich an meinem Nagelbett und gehe im Flur auf und ab. Ich bekomme offensichtlich eine Sonderbehandlung. Nur bin ich mir nicht sicher, ob ich das gut finden soll. Harry scheint eine eher egozentrische Persönlichkeit zu haben. Mit einem Touch Melancholie. Doch ich sollte mir kein allzu eiliges Bild machen.

Ich beschließe mich hier oben im zweiten Stock etwas umzusehen. Leise öffne ich eine Tür und schaue hinein. Ganz klar das Kinderzimmer. Es ist nett, jedoch viel zu viel für einen 8-jährigem, für meinen Geschmack.

Der nächste Raum ist ein weiteres Badezimmer. Sieht so aus, als hätten sie auf jeder Etage eins, außer auf der vierten.

Die dritte Tür ist verschlossen, deshalb versuche ich auch gar nicht weiter hinein zu kommen.

Die vierte und letzte ist offen. Ich luke hinein. Ich würde denken, dass es das Elternschlafzimmer ist, aber es ist kein Ehebett, sondern zwei große Einzelbetten. Auf der anderen Seite nicht weiter verwunderlich. Bei dem Streit, den sie gestern Abend hatten, kann ich mir vorstellen, dass der Ehesegen schief hängt.

Obwohl ich ganz genau weiß, dass ich es nicht tun sollte, gehe ich hinein, schließe aber hinter mir die Tür. Es ist das größte Zimmer, abgesehen von der Küche. Ein gigantischer Kronleuchter hängt von der Decke und ist mit Blattgold verziert. Die schweren Vorhänge sind wie der Rest der Inneneinrichtung des Hauses, dunkel. Mein Zimmer ist das einzige in Cremefarben. Aber wahrscheinlich soll das untermauern, dass ich hier nur Gast bin. Dass ich gewisser Maßen anders bin. Und das bin ich alle mal.

Als ich Schritte höre, überkommt mich die Panik. Jemand drückt die Türklinke runter. Ich weiß nicht wohin. Instinktiv öffne ich den großen Kleiderschrank und schlüpfe hinein. Durch einen Spalt kann ich sehen, wie Harry gähnend hineinkommt und sich auf das Bett setzt. Auf das am Fenster. Er scheint völlig übermüdet.
Mit schweren Liedern zieht er sich das Pyjamaoberteil über den Kopf. Er ist der einzige Mensch, der nach der Dusche zurück in den Pyjama schlüpft. Aber wahrscheinlich ist es so einfach bequemer Papierkram zu erledigen.
Und als wäre dieser Anblick nicht schon zu schön um wahr zu sein, steht er auf, mit dem Rücken zum Schrank und zieht sich die weiche Hose aus. Mit großen Augen betrachte ich das Spiel seiner Rückenmuskulatur und die Perfektion seines Hinterns.

Bitte dreh dich nicht um ... bitte dreh dich nicht um ...

Natürlich dreht er sich um. Und er kommt auf mich zu. Fuck. Fuck ... Ich gönne mir einen letzten Blick zwischen seine Beine, was ich sofort danach bereue, da Harry einfach wunderschön ist und mir total heiß wird.

Schwungvoll öffnet er beide Türen und stemmt die Hände in die Hüften. "Wie lange wolltest du noch da drin bleiben, hm?", fragt er und mustert mich, wie ich zusammengekauert in seinem Schrank hocke. Mit hochrotem Kopf sehe ich in seine Augen. "Komm raus." Ich schüttle den Kopf. Wenn ich den Schrank jetzt verlasse, bemerkt er es. Er darf es nicht bemerken. Das wäre einfach zu peinlich. "Louis", lacht er und packt meinen Arm, "komm aus dem verdammten Schrank." Als ich meinen Arm wegziehe, verfinstert sich seine Miene sofort. Es wäre um einiges angsteinflößender, wäre er nicht nackt. So ist es ... einfach nur heiß. "Du bist hier in meinem Haus. Wenn ich dir sage du kommst raus, dann kommst du raus.", knurrt er. Ich hole tief Luft und komme aus dem Kleiderschrank. Gepeinigt ziehe ich mein schwarzes Shirt länger und versuche damit zu verdecken, was er unabsichtlich angestellt hat.
"Und jetzt, beseitige dein Problem und komm runter. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit." Mit gesenktem Kopf will ich an ihm vorbei gehen und in meinem Zimmer verschwinden. Ich muss hier weg. Das ist alles so surreal und einfach nur falsch. Naja, eigentlich will ich nur gehen, weil das hier super peinlich ist.
"Andererseits ...", wirft er hinterher und ich bleibe wie angewurzelt in der Tür stehen. Ich höre, wie er sich etwas anzieht, traue mich aber nicht hinzusehen. Also warte ich.
Plötzlich wird es warm an meinem Rücken. "Lass uns direkt runter gehen.", sagt er gelassen an mein Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.

Okay, spätestens jetzt weiß ich es. Johnny hat recht.

"Nein! Du denkst wohl du könntest unschuldige Jungs verführen und vergewaltigen, aber mich nicht!", fahre ich ihn an und drehe mich herum. Das weiße Shirt mit der Adidas-Sporthose muss ich irgendwie ignorieren. Es sieht unfassbar gut aus.

Harry's Brauen heben sich langsam und er verschränkt die Arme vor der Brust. Er antwortet nichts. Er sagt gar nichts.
Warum nicht?!

"Du ... wolltest mich doch verführen und vergewaltigen, oder?" Die Unsicherheit in meiner Stimme macht die ganze Situation nicht viel einfacher. "Nein, Louis. Ich wollte dir den Spa-Bereich im Keller zeigen." Er ist schon wieder so verdächtig ruhig.
Die Schamröte steigt mir ins Gesicht und ich drehe mich weg. "Wie kommst du da bitte drauf?", fragt er nach einer Weile nach. "Naja ... du wolltest mich mit meinem Ständer in den Keller locken. Du bist nackt, obwohl du weißt, dass ich anwesend bin. Ich dachte-" "Wie bitte? Ich habe deine Erektion nicht mal bemerkt. Und ... was ist so schlimm daran, wenn ich in meinem Schlafzimmer nackt bin? Louis, ich glaube du solltest den Menschen eine Chance geben, bevor du sie verurteilst.", tadelt er mich und ich bin verwirrter denn je. "Und was meintest du dann mit 'Problem'?", hake ich nach, halte meine Stimme aber gesenkt. "Du hast ein Loch in der Hose." Ich sehe an mir hinab, spreize etwas die Beine und sehe es dann auch. Verdammte Axt.

Ich hole tief Luft und versuche seinem Blick stand zu halten. "Okay, Johnny hat es mir gesagt. Aber das habe ich dir doch auch schon gesagt. Und du meintest 'darum ginge es doch gar nicht'." Harry rollt die Augen. "Es geht einfach darum, dass Johnny sich kurz vor seiner Kündigung um Emerson kümmern sollte, so wie du jetzt, und das hat ihm nicht gepasst. Louis, ich bin doch kein Vergewaltiger.", überzeugt er mich und ich sehe wieder zu Boden. Warum flippt er dann nicht aus, dass Johnny solche Sachen über ihn sagt? Wahrscheinlich schiebt er es gekonnt bei Seite und wird ihn später kontaktieren ... was habe ich nur getan. Aber jetzt ergibt es auch einen Sinn, weshalb ich Harry nicht sagen sollte, dass Johnny es gesagt hat. Weil es nicht stimmt.
"Außerdem finde ich es ziemlich interessant, dass du mich plötzlich duzt.", fügt er hinzu und mir steigen Tränen in die Augen. Zuviel auf einmal, das viel zu viel auf einmal. Ich wollte doch einfach nur einen normalen Job, einen stink normalen Job.
Harry seufzt und legt seine Hand an meinen Arm. "Hey, alles in Ordnung, du bist nicht der erste, der so denkt. Viele Bewohner um uns herum denken ähnliches. Es gab sogar schon Vermittlungen, weil wir für Kanibale gehalten wurden.", scherzt er und ich schlucke meine Tränen hinunter, bevor ich wieder aufsehe. Ich erzwinge mir ein Lächeln, was er erwidert. Gott, er ist so schön ...

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt