16. Kapitel

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Ich sitze an Emerson's Bett. Ich bringe ihn das erste Mal ins Bett. Er sieht mich an, während ich die Vorhänge zuziehe und das Licht ausschalte. "Lewis?", fragt er leise und ich hocke mich neben sein Bett, lächle, da er meinen Namen immer noch falsch ausspricht. "Ja, Emerson?" "Warum sind alle Menschen immer so glücklich ... und mein Daddy nicht?" Mit einem Seufzen sehe ich weg und kratze mich am Kopf. "Er ist glücklich dich zu haben.", ist alles, was mir einfällt. "Hat er mich lieb?", will er wissen und ich streiche kurz über seine Wange. "Natürlich hat er das. Viel mehr als das." Emerson lächelt und schließt die Augen.

Leise schließe ich die Tür und will mich zum Gehen aufmachen. Ich sollte schauen, dass meine Mutter oben im Zimmer ist, wenn Lydia nach Hause kommt. Eine Konfrontation zwischen den beiden will ich wirklich vermeiden.
Doch bevor ich die Treppen hinauf gehen kann, fällt mir auf, dass im Arbeitszimmer Licht brennt. Mit gerunzelter Stirn gehe ich hinüber und schaue durch den Türspalt. Harry sitzt nachdenklich vor dem Laptop und starrt den Bildschirm an. Daneben ein Glas und eine leere Flasche Wein.
Ich trete ein und schließe die Tür hinter mir. Harry sieht auf und lehnt sich im Sessel zurück. "Louis.", murmelt er und beobachtet mich, als ich den Raum durchquere. "Emerson ist im Bett.", gebe ich bekannt und stelle mich hinter ihn, um seine Schultern zu massieren. Er legt den Kopf zurück an meinen Bauch und schließt die Augen. Es ist alles hart, total verspannt. "Hast du keine Schmerzen?", frage ich nach und versuche seine Muskeln zu lockern. "Es ist chronisch.", erwidert er und ich bin schockiert, dass er das einfach so hinnimmt. "Hast du noch andere Beschwerden?" Er holt tief Luft und öffnet die Augen. "Deine Hände sind einfach magisch.", flüstert er, nimmt meine Hand und legt seine Lippen daran. "Harry ... geh meiner Frage nicht aus dem Weg. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht, rede bitte mit mir." Unerwarteter Weise springt er auf und fegt den teuren Laptop vom Schreibtisch. Ich mache vor lauter Schreck einen Satz zurück. "Was denkst du denn?! Natürlich habe ich 'andere Beschwerden'! Mein komplettes Leben ist eine Beschwerde!" Er brüllt so laut, dass es mir in den Ohren weh tut und ich sie mir am liebsten zuhalten würde. Nein, viel lieber würde ich das Zimmer verlassen, weglaufen.
Wenn es nicht Harry wäre, würde ich das mit Sicherheit auch tun.

"Du kommst hier her und denkst du kannst alles heilen und ungeschehen machen!", faucht er weiter und macht dabei Handbewegungen, die untermauern sollen, wie absurd mein Vorhaben ist. "Das stimmt doch gar nicht!", fahre ich ihn an, lange nicht so laut wie er. "Ach nein?! Riskierst die Schlägerei mit Johnny, um mich zu rächen! Das geht dich verflucht nochmal nichts an!" Meine Augen beginnen zu brennen. Er kommt auf mich zu. "Denkst du, du machst es besser, wenn ich dich so sehe, verletzt, und weiß, dass es meine Schuld ist?!" Ich vergrabe das Gesicht in den Händen und bete, dass er nicht handgreiflich wird, dass er einfach aufhört. "Du hättest gehen sollen, als du die Chance hattest, Louis!"
Entschlossen hebe ich den Kopf und sehe ihm in die dunklen Augen. Er bebt förmlich vor Wut und starrt mich finster an. Was das alles so schwer macht ist die Tatsache, dass er sich immer noch um mich sorgt, so wie es scheint. Und das ist es, was mir beweist, dass er einfach nur zutiefst verzweifelt und verletzt ist. Er ist nicht wütend auf mich, er ist wütend auf sich und die Welt. Auf Johnny. Auf Lydia. Auf alle, die Teil daran haben, warum er gerade so ausflippt und mich zum Weinen bringt. "Bitte, es tut mir leid ...", sage ich leise und mache einen Schritt auf ihn zu, doch er weicht zurück. "Nicht! Ich brauche dein Mitleid nicht!", brüllt er erneut mit solch einer Kraft, dass ich mich langsam frage, wie er die noch aufbringen kann. Aber vermutlich liegt das alles  am Alkohol.

Ohne ein weiteres Wort haste ich zur Tür und flüchte die Treppen hinauf zu meinem Zimmer. Von dort aus höre ich eine Glasflasche zerspringen und sein lautes Fluchen. Ich will zurück und ihn runter bringen. Wer weiß, was er noch tut, wenn er heute Nacht alleine ist. Wer weiß, was er sich antut.

Ich falle auf mein Bett und starre an die dunkle Decke, bis seine Stimme verstummt. Das lauteste ist meine Atmung. Dann höre ich Lydia's Stimme. Leise. Gedämpft. Sie wird etwas lauter. Dann höre ich sie wieder nicht.

Klammheimlich schleiche ich durch's Haus und versuche herauszufinden, was gerade vor sich geht. Das Arbeitszimmer ist leer. Dort ist niemand mehr. Die Glassplitter muss ich unbedingt beseitigen.

Ich durchquere den Flur, hole mir eine Kehrschaufel aus dem Schrank und beginne die Scherben in einen Eimer zu tun. Gerade, als ich ein größeres Stück in die Hand nehme und ebenfalls hineinwerfen will, vernehme ich seltsame Geräusche. Es wird lauter. Es ist Lydia.
Ich erhebe mich vom Boden und gehe in den Flur. Die Schlafzimmertür steht einen Spalt offen und in dem schwachen Licht der Kerzen erkenne ich die beiden. In einem Bett.

Ich umklammere die Scherbe viel zu sehr und merke den Schmerz erst nach dem in meinem Herzen.

Warum tut er das? Warum schläft er schon wieder mit dieser Frau? Warum ... tut er mir das an?

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt