22. Kapitel - Die Ruhe vor dem Sturm

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Als die Männer alle Sachen von Lydia aus dem Haus entfernt haben, ist es Nachmittag. Ich habe den ganzen Tag auf meinem Zimmer verbracht, weil ich mir unten überflüssig vorkam. Harry hat ihnen genau angewiesen, was sie mit nehmen sollen und was nicht. Er wirkte irgendwie anders. Viel erwachsener, wie als wenn er mit mir zusammen ist. Ich würde ihn gerne mal in seinem Job erleben.

Dann klopft es an meiner Tür und ich gehe schnell hinüber, um zu öffnen. Es ist Lydia. Ich sehe sie überrascht an. Sie blinzelt und legt den Kopf auf die Seite. "D-darf ich reinkommen?", fragt sie unsicher und sieht kurz an mir vorbei ins Zimmer. Ich stolpere bei Seite und nicke. "Natürlich, tut mir leid ... Was kann ich für dich tun?" Sie legt ihre Ledertasche auf mein Bett und holt allerhand Dosen heraus. Es sind Tabletten.
Neugierig setze ich mich daneben. "Diese Medikamente sind wichtig. Sie sorgen dafür, dass Harry funktioniert. Er muss sie jeden Morgen nehmen." Ich runzle die Stirn und erinnere mich, dass er sie an dem Morgen, wo er diesen Anfall hatte, nicht genommen hat, weil ich ihn so lange hab schlafen lassen. Ich Vollidiot ...
"Bitte hab ein Auge darauf. Harry nimmt sie normalerweise immer selbstständig, aber manchmal lässt er sich auch hängen und da ist es wichtig, dass du-" "Warte mal eben. Denkst du ich bin sein persönlicher Babysitter?", unterbreche ich sie. Lydia seufzt. "Natürlich nicht. Du ... bist nur der Einzige, den er noch hat." Dieser Satz ändert meine Sichtweise auf die Situation und ich nicke. "Und da wäre noch etwas ... Es ist sehr viel verlangt, aber ..." Sie nimmt meine Hände in ihre und sieht mich eindringlich an. Was kommt denn jetzt?
"Harry wird von seiner Therapeutin in eine Art Kur geschickt, die ihm bezahlt wird. Eine Woche Teneriffa. Ich sollte eigentlich mit. Es ist schon alles gebucht ..." Sie sieht weg und fährt sich durch die Haare. "Er kann nicht alleine fliegen.", beendet sie ihre Bitte und mir klappt die Kinnlade hinab. "Du willst mich mit ihm nach Teneriffa schicken?" "Bitte, Louis. Er braucht eine Auszeit. Er hat dort ein Erholungsprogramm, das du auch mitmachen kannst, wenn du möchtest. Wenn nicht, kannst du einfach etwas anderes machen. Nur bitte-" "Ist gut, ich mache es. Wann denn?" Vielleicht habe ich ja Glück und es fällt in meine Semesterferien.
Lydia beißt sich auf die Lippe. "Es geht Sonntagabend los." Ich ziehe beide Brauen hoch. "Diesen Sonntag?" Die Blondine nickt. Ich hole tief Luft. "Gib mir bitte deine Nummer, falls etwas passiert." Sofort kramt sie eine Visitenkarte raus und legt sie auf das Bett. Dann umarmt sie mich. "Danke, Louis.", flüstert sie und ich lege meinen Arm ebenfalls um sie.

Zusammen mit Lydia verschwinden auch die Umzugsmenschen und die Villa ist viel leerer als zuvor. Ich verstehe, dass er ausziehen möchte.
Ich gehe durch das untere Stockwerk und seufze. Was soll ich der Uni sagen? Was soll ich meiner Mutter sagen?
Manchmal wünschte ich, ich hätte einen Kumpel, mit dem ich darüber reden kann.

"Ich bestelle etwas beim Mexikaner, hast du Hunger?" Ich drehe mich um und erblicke Harry, der in dem weinroten Seidenmantel in der Tür aus dem Wohnzimmer lehnt und mich beäugt. "Sehr gerne, Danke.", antworte ich und lächle. Er kommt auf mich zu. "Hat ... Lydia mit dir geredet?" Er sieht mich hoffnungsvoll an. "Wegen dem kleinen Ausflug nach Teneriffa?" Er nickt kurz und bleibt vor mir stehen. "Ja, hat sie." Er atmet tief durch. "U-und?" Es ist schon unfair von mir ihn so auf die Folter zu spannen. Ich mache noch einen Schritt auf ihn zu und sehe in seine vor Hoffnung schimmernden Augen. "Ich hätte doch nicht nein sagen können, oder?"
Schlagartig ändert sich sein Gesichtsausdruck und ohne zu überlegen nimmt er mich in seine Arme und dreht mich einmal im Kreis. Ich lache, auch wenn es ziemlich kitschig ist, und halte mich an ihm fest. "Danke.", murmelt er und legt sein Kinn auf meinen Kopf. "Du hast keine Ahnung wie viel mir das bedeutet."

Nach dem Essen räume ich alles in die Spülmaschine und lehne mich an die Küchenzeile. Harry ist im Wohnzimmer und zündet den Kamin an. Ich höre, wie er Musik anmacht. Es ist etwas ruhiges. Dank des Surround Systems kann man es in jedem Zimmer hören.

Ich komme in das warme Wohnzimmer und sehe Harry zu. Genauso stelle ich mir einen gemütlichen Freitagabend vor. Es wirkt alles so friedlich.

Harry erhebt sich und dreht sich zu mir. "Gefällt es dir?", fragt er leise, kommt zu mir und streicht mir das Pony aus dem Gesicht. Ich nicke kurz. "Darf ich dich küssen?" Ich sehe ihn fragend an. "Natürlich, warum fragst du nach?" Ohne sich die Mühe zu machen, mir zu antworten, legt er seine weichen Lippen auf meine und ich versinke mal wieder voll und ganz in einem Meer aus unerklärlichen Gefühlen.

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt