61. Kapitel

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Süße Träume


Vor Kälte zitternd stapfe ich zurück zum Ausgang, dann zurück zum aufgeschnittenen Zaun. In der Hand halte ich den Stick. Ich umklammere ihn. Zwanghaft versuche ich die Tränen zu stoppen. Denn sie frieren auf meinen Wangen ein und das ... tut irgendwie weh.

Ich schlucke kräftig und hebe den Kopf. Zwei Polizeiwagen stehen da. Ich entdecke Clara, sie steht mit verschränkten Armen an einem der Autos und schüttelt nur tadelnd den Kopf. Schuldbewusst gehe ich an ihr vorbei und setze mich hinten rein.

"Weißt du, in was für eine Gefahr du dich begeben hast?!", fängt sie an und kurvt wie eine verrückte durch die Straßen. "A-aber ich habe etwas gefunden.", sage ich kleinlaut. "Das ist egal, was auch immer es ist, du hast-" "Es ist ein USB Stick." Sie sieht panisch in den Rückspiegel und stoppt beinahe den Wagen. Ihr Kollege neben ihr senkt den Blick und massiert seine Hände. "Einen Stick ...", wiederholt sie und holt tief Luft. "Das ist nicht gut ..."

Die restliche Fahrt verläuft schweigend. Erst im Polizeigebäude wendet sich die schwarzhaarige junge Frau an mich. "War es nur der Stick?" Kopfschüttelnd gebe ich ihr den Zettel mit der Notiz drauf. "Oh Gott...", murmelt sie. "Meine Kollegen werden es sich ansehen. Du solltest es nicht sehen. Egal was es ist. Aber ... es scheint eindeutig." Finster schüttle ich den Kopf. "Ich werde es sehen. Ich habe es gefunden. Harry gehört zu mir." Clara fährt sich durch die kurzen Haare. "Louis, das-" "Ihr habt einen Stick gefunden?!" Ihr Arbeitskollege kommt in den Flur und sieht uns mit großen Augen an. "Ja, wir wollten es uns gerade ansehen.", gebe ich bekannt und gehe an den beiden vorbei in das Büro. Ich höre Clara erneut seufzen, beachte es aber nicht.

Als sie den Stick auf dem Computer öffnen, beginnt mein Herz zu rasen.

Und dann geht es los. Ein Video.

Ich springe vom Stuhl auf und drehe mich weg, schlage die Hände vor's Gesicht und beginne zu schreien.
Sofort stoppt Clara das Video und vergräbt die Hände in den Haaren. Auch ihr Kollege holt tief Luft.

Es ist tatsächlich eine Aufnahme von Harry. Und in den ersten Sekunden habe ich schlimmeres gesehen, als bisher in meinem ganzen Leben.

"Sie haben ihn mit Nägeln an die Wand genagelt."

Meine Stimme bricht und ich drehe mich wieder um. Das pausierte Bild zeigt es deutlicher, als es mir lieb es. Durch die Handflächen sind Nägel durchgeschlagen. Sie halten ihn aufrecht. Ganz so ... wie Jesus am Kreuz.

Noch ist unklar, ob er überhaupt noch lebt.

Ich beiße die Kiefer aufeinander und setze mich wieder. "Weiter."

Die Kamera kommt näher zu ihm und filmt sein Gesicht, was nach unten zeigt. Seine Augen sind geschlossen. Plötzlich packt jemand seine Haare und zieht seinen Kopf zurück.

Johnny's Stimme erscheint. "Guten Morgen, Sonnenschein. Louis ist hier. Willst du nicht hallo sagen?" Harry öffnet die Augen und blinzelt. Sein Gesicht ist blass. Seine Lippen gespalten und blau. Blut läuft hinaus. Er ist total geschwächt und gar nicht richtig bei Bewusstsein.

Tränen steigen in meine Augen.

"Loueh ...", wispert er undeutlich. "Halt ... dich ... fern ..."

Johnny schleudert seinen Kopf gegen die Wand und er lässt ihn wieder hängen.
"Du sollst ihn nicht verscheuchen!", knurrt Johnny, bevor er die Kamera umdreht und sein Gesicht erscheint. "Sorry, dass ich sein wunderschönes Gesicht so verunstalte, aber er ist sehr hartnäckig, weißt du ..."

Vor lauter Tränen, kann ich den Bildschirm kaum noch erkennen.

"Er will einfach nicht kooperieren ... Menschen, die nicht hören, müssen bestraft werden." Er dreht die Kamera wieder um und zeigt Harry im Ganzen. Er sitzt, mehr oder weniger, die Arme aufgehängt. Überall Blut. Von oben fällt der Schnee auf ihn hinab, schmilzt dann sofort. Es muss ein Loch im Dach sein.

"Was ... ist das für ein Mensch ...", flüstert Clara.

"Wie auch immer, dieses Video ist dazu gedacht, um dich einzuladen! Komm doch zu unserer Party. Elijah würde sich freuen dich wiederzusehen. Und ... ich bin mir sicher, Harry auch. Nicht wahr, Baby?"

In den Sekunden der Stille, in der Johnny auf Harry's Antwort wartet, wird mir kotzübel. "Nicht wahr, Harry?!", brüllt er dann. "Nheihn... Lauf wehg, Loueh ... ", haucht Harry.

Im nächsten Moment kommt ein kantiger Mann ins Bild, stellt sich vor Harry, legt die Hände an seine schwachen Schultern und rammt ihm das Knie in den Magen. Harry kotzt nur noch mehr Blut aus und hustet, ehe er im Schmerz aufschreit.
Ich sehe weg und verzweifle.

"Ich blende dir unten die Adresse ein. Fahr vorsichtig. Ach ja und ..." sein Gesicht erscheint wieder. "Nur du. Ansonsten reißen wir deinem Engel beide Arme aus."

Dann wird der Bildschirm schwarz.

Captured ➸ Larry Stylinson {COMPLETED} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt