Kapitel 47

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In dem Moment, in dem man erkennt,
dass den Menschen, den man liebt,
die Kraft zum Leben verlässt,
...wird alles still.

Es wurde still. Ich wusste nicht ob ich schreie, ob ich weine oder sonst etwas mache. Ich sah nur das Wasser, das ewige Blau, das meinem Bruder das Leben ausgesaugt hatte. Plötzlich drang alles mit einem Mal in mich ein. Trauer, Wut, Schmerz. Ich begann zu schreien, doch war das wirklich ich, die da schrie? Ich fühlte mich nicht wie ich selbst. Ich war nicht mehr ich selbst. Finn war Teil von mir, ein Teil der jetzt tot ist und nicht mehr zurück kommt. Und ohne diesen Teil bin ich nicht mehr ich selbst. Wieder begann ich gegen die Scheibe zu schlagen, doch diesmal nicht um Finn retten zu wollen, sondern aus Verzweiflung. Meine Fingerknöchel waren aufgeplatzt, weswegen auch an einigen Stellen an der Scheibe nun Blut klebte. Tränen benebelten meine Sicht und flossen in kleinen Rinnsalen auf den Boden. Ich wollte, dass diese Scheibe zersprang, genauso wie meine Seele und zerbrochen war. Das Wasser auf Finns Seite wurde abgelassen und sein völlig durchnässter Körper lag reglos auf dem Boden. Seine Augen starrten ohne ein Ziel an die Decke und das Haar klebte ihm stränig in seinem Gesicht. Die Tür hinter ihm wurde geöffnet und zwei Männer trugen Finns Leiche weg. Ich schrie wüste Beschimpfungen umher, die diese Monster mehr als nur verdient hatten. Ich begann stärker gegen die Scheibe zu schlagen, ich wollte zu meinem Bruder! Im nächsten Moment wurde ich plötzlich von hinten gepackt und von der Glasscheibe weggezogen. Ich trat um mich, schrie und versuchte mich irgendwie zu befreien, doch der Griff verstärkte sich nur. Ich wurde mit verblüffender Leichtigkeit aus dem Raum gezogen. Ich sah noch, sie die beiden Männer auf der anderen Seite Finns Körper hochoben, bevor die Tür mit einem lauten Knall zufiel. Ich schrie nur noch lauter und wollte zur Tür stürmen, doch wer auch immer mich festhielt, zog mich konsequent nach hinten. Verdammt ich wollte endlich losgelassen werden! An einer Wand ließ man mich dann endlich los, sofort rannte ich zu der Tür und rüttelte an der Klinke. Nichts tat sich. Verschlossen. Verdammt. Verdammte scheiße. Mit nassen Wangen ließ ich mich kopfschüttelnd auf die Knie fallen, unfähig zu begreifen was gerade eben passiert war. Finn war nicht tot. Das konnte er einfach nicht sein. Ich musste doch auf ihn aufpassen, als seine Schwester. Hinter mir ertönte ein genervtes Schnauben. "Auch mal fertig mit dem Heulen? Oder soll ich dir vielleicht noch die Hand halten?" Sofort erkannte ich diese Stimme, doch trotzdem drehte ich mich in dessen Richtung um, nur um in anzusehen. David stand, die Arme lässig vor der Brust verschränkt, an der Wand gelehnt und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sein Blick war kühl, voller Langeweile. Nicht die kleinste Spur von Mitleid erkannte ich darin. Ich sprang rasend vor Wut auf und stampfte auf ihn zu. "Ihr scheiß Schweine!" Brüllte ich so laut es mit möglich war. "MACHT EUCH DAS SPAß? MHM? KINDER, VERDAMMT NOCHMAL KINDER, ZU QUÄLEN UND ZU TÖTEN? ICH SCHEIßE AUF EURE FORSCHUNGSZWECKE, WAS IHR HIER MACHT HAT NICHTS MIT FORSCHUNG ZU TUN! VEROTTET IN DER HÖL-" Mein Kopf flog nach links und kurz darauf breitete sich ein schmerzhaftes Prickeln auf meiner rechten Wange aus. Langsam wanderte meine Hand zu der prickelnden Wange. Er hatte mich geschlagen. "Tja, jetzt bist du sprachlos, was ? Aber weißt du was? Es fühlt sich verdammt gut an dich zu schlagen, es fühlt sich verdammt gut an dich leiden zu sehen. Und ich werde es genießen dich sterben zu sehen!" Seine Worte überraschten mich nicht, doch trotzdem waren sie fast wie ein Schlag ins Gesicht. Ich war mir all dem klar, aber sobald man etwas gesagt bekommt, das man schon wusste aber einfach nicht wahrhaben wollte, war es um ein vielfaches schlimmer. "Komm schon, sag mir, dass du mich hasst. Sag es mir ins Gesicht. Ich werde es genießen." Ohne David nochmal anzusehen, stürmte ich blindlings aus dem Raum. Ich rannte durch die endlosen weißen Gänge, die immernoch alle gleich aussahen. Tränen rannen mir über mein Gesicht, nicht wegen David, sondern wegen Finn. Ich rannte schneller, wollte so meiner Qual entfliehen. Doch etwas hielt mich auf. Ich stolperte zurück, als ich gegen etwas lief. Ich hob langsam den Kopf, um zu sehen gegen was ich gelaufen war.
"Bryan." Flüsterte ich völlig aufgelöst und stürzte mich in seine Arme.

Testobjekt 31Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt