Kapitel 49

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Wir rannten durch die Gänge, rannten immer schneller an den Türen vorbei, die alle scheinbar gleich aussahen. Bryans Hand umschloss mein Handgelenk, damit ich in diesem Labyrinth nicht verloren ging. Aber in diesem Labyrinth des Todes kann man nur verloren gehen, in diesem Labyrinth steigt man mit der Zeit. Jeder stirbt mit der Zeit. Bryan beschleunigte noch mehr und ich konnte kaum noch mit ihm mithalten. "Bryan..." Schwer atmend zog ich an seinem Arm, doch er reagierte nicht darauf. Wieso rannte er so schnell? Niemand war hier, der uns hätte erwischen können. Ich stolperte, doch Bryans Arm hinderte mich am Fallen. Ich wäre lieber gefallen, doch so vieles wäre ich gerne. Plötzlich blieb Bryan stehen und ich rannte direkt in ihn hinein. Meine Nase knallte gegen seine Schulter und begann leicht zu schmerzen, doch es war nicht sonderlich schlimm. Innere Wunden - nicht die am Magen oder der Niere - innere Wunden an der Seele waren schlimmer und meine Seele dürfte mittlerweile kaum noch existieren, so sehr wurde sie schon geschädigt und sie wird weiterhin geschädigt werden. Dagegen kann man eben nichts tun. Ich rieb mir über die Nase, während Bryan sich hektisch umblickte, schließlich leise die Tür aufmachte und, immernoch mit mir an der Hand, in den Raum ging. Hinter uns fiel die Tür zu. In dieser unheilvollen Stille hallte dieses Geräusch in meinem Kopf wider.
Erst langsam begriff ich überhaupt wo wir hier waren. Geschockt betrachtete ich das Zimmer, dann Bryan, der mittlerweile durch das Zimmer lief und scheinbar etwas suchte. "Bryan..." Meine Stimme war so leise, dass ich sie selbst kaum verstand. Ich wollte mich in diesem Raum nicht bewegen, nicht mal etwas anfassen und schon gar nicht darin sein. Nie wollte ich in dem Büro dieses Schweines sein, der alle dies leitete. "Bryan..." Meine Stimme war nun schon etwas lauter. "Was willst du in Mister Crewsten Büro? Wenn er kommt..." Doch Bryan beachtete mich nicht, sah mich nicht mal an. Er zeigte nicht im geringsten, dass er mich gehört hatte. Schließlich blieb er triumphierend vor der Wand stehen. "Da ist es." Sagte er und ich sah im seinen Augen Freude, unbeschreibliche Freude. Was war so toll, dass er dafür extra in dieses Büro gegangen war? "Was ist da?" Ich trat näher an ihn, doch an der Wand sah ich nichts, rein gar nichts. "Ich... ich kann es kaum fassen." Mit blitzenden Augen drehte er sich zu mir um. "Wir kommen hier raus Larissa, wir kommen hier raus!" Ich glaubte, dass ich mich verhört hatte. Wir kamen hier raus? Wie will er das anstellen? Einfach durch die Wand laufen oder wie? "Bryan... Wie... Wie meinst du das?" Er deutete auf den Boden und dann auf die Wand. "Das ist unser Weg in die Freiheit, verstehst du nicht?" Nein, ich verstand rein gar nichts. "Verdammt Bryan..." Er kniete sich hin und klopfte auf dem Boden herum, immer in der Nähe der Wand. Es sah fast so aus als würde er etwas suchen, das ihm heruntergefallen war. Leise murmelte er Sätze vor sich her, die ich nicht verstand. Plötzlich zog er an etwas und eine Luke im Boden schwang auf. Fassungslos starrte ich darauf. Dann fiel es mir wieder ein. Jennifer hatte von einem Ausgang in Muster Crewsten Büro gesprochen. Doch wenn sie wirklich von hier versuchte zu fliehen, wieso wurde dieser Ausgang nicht überwacht? Hatte sie vielleicht doch einen anderen Weg aus der Hölle gefunden? Bryan sah mich an. "Kommst du endlich? Wir haben nicht ewig Zeit." Ich nickte und ging zu ihm, setzte mich so über die Luke, dass meine Beine über der Kante baumelten. Eine Leiter gab es nicht, unter mir war es einfach nur schwarz. Du kannst entkommen, redete ich mir ein, das ist deine einzige Chance. Jetzt oder nie. Ich atmete tief durch. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann sprang ich. Für kurze Zeit fühlte ich mich schwerelos, bevor ich mit einem lauten Knall auf dem Boden aufkam und wegen des Aufpralls nach vorne taumelte. Bryan sprang direkt nach mir, wir waren in völliger Dunkelheit. Die Luke hatte er zugemacht, als er sprang. Eine Taschenlampe hatten wir nicht und auch sonst nichts mit dem wir Licht machen konnten. "Geht's dir gut?" Hörte ich ihn flüstern. Ich wollte nicken, doch das würde er nicht sehen. "Ja, alles in Ordnung."
"Gut dann lass uns gehen. Da vorne dürfte eine Tür sein, den Schlüssel habe ich." Etwas klimperte, wahrscheinlich war es der Schlüssel. Er drängte sich in dem engen Gang an mit vorbei und ging langsam vorwärts, ich folgte ihm.

Ich wusste nicht wie lange wir schon liefen, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, doch am Ende dieses Ganges lag vielleicht die Freiheit. Das sagte ich mir immer wieder um mich anzutreiben. "Ich glaube wir sind da." Bryan blieb stehen, genauso wie ich. Wieder klimperte etwas. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. War hinter dieser Tür wirklich die Freiheit? Konnte das sein? "Woher hast du überhaupt den Schlüssel?" Fragte ich ihn. "Tracy ist ziemlich unaufmerksam, weißt du?" Ich konnte mir auch ohne etwas zu sehen vorstellen, dass er im Moment ziemlich blöd grinste. Er steckte einen Schlüssel in das Schlüsselloch, doch er passte nicht. Ich hatte das Gefühl, dass sogar Bryan meinen Herzschlag hätte hören müssen. Wieder probierte er einen Schlüssel, der wieder nicht passte. Doch der dritte Schlüssel schloss die Tür auf. "Bereit für die Freiheit?" Ich konnte nichts sagen, mein Mund war wie ausgetrocknet. Er zog die Tür auf und mir stockte der Atem. Ich kniff die Augen zusammen. Sonne. Da draußen schien die Sonne. Wire lange hatte ich diese schon nicht mehr gesehen? Jahre, so kam mir es vor. Ich sah Bryan, der ein breites Lächeln auf dem Gesicht hatte und nach draußen trat, ich folgte ihm. Wir waren mitten in einem Wald, doch ein Feldweg führte zwischen den Bäumen hindurch. Ich sah Bryan an und fiel ihm direkt um den Hals. Tränen bahnten sich den Weg über meine Gesicht. Ich musste träumen, das konnte alles einfach nicht echt sein. Bryan legte mir eine Hand auf den Rücken. "Ich kann es einfach nicht glauben." Schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in seinem Shirt. "Ich auch nicht." Hauchte er. "Ich auch nicht..."

Ich wusste nicht, wie lange wir so da standen, doch ich wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen. Das konnte alles nicht real sein. Plötzlich ertönte ein genervtes Schnauben. Ich riss mich von Bryan los und sah mich um.

Und mir blieb fast das Herz stehen.

Da stand David mit einer Pistole in der Hand, die direkt auf uns gerichtet war. "Fertig mit dem Freuen? Genießt diesen kurzen Augenblick."
Er schwieg. Mein Atem ging schnell und ich zitterte. "Augenblick vorbei." Sagte er mit einem teuflischen Grinsen und drückte ab.

Ich schrie.

Testobjekt 31Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt