Kaltes Erwachen

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Schnaufend wuchtete ich meinen übervollen Seesack ein Stückchen höher. Eins musste man den Elben lassen, wenn es um Reiseverpflegung ging, waren sie äußerst spendabel. 

Das, was von unserer Gruppe noch übrig blieb, hatte sich soeben auf dem runden Vorplatz von Bruchtal versammelt, um die Wanderung gen Westen fortzusetzen (War nicht irgendwann einmal die Rede von Reiten gewesen?).
Elrond stand mit den Zwergenbrüdern auf der Treppe und diskutierte. Mit halbem Ohr hörte ich ihnen zu.
„...am Ende der Schlucht werdet Ihr ein Seil vorfinden, an dem ihr hinaus in die Ebenen klettern könnt. Es ist der direkteste Weg, wenn Ihr zur großen Oststraße wollt." Die Zwerge bedankten sich bei ihm.
Ithilia hatte die Wahrheit gesprochen, als ich zuletzt bei ihr war – sie und Eldor verschwanden noch in derselben Nacht.
Von unserer Truppe hatte sich seitdem niemand mehr getraut, seinen Unmut darüber auszusprechen, vermutlich aber mehr aus Höflichkeit gegenüber den Zwergen, als aus Angst, dass ich wieder einen Wutanfall bekommen würde.
Fili und Kili wandten sich schließlich zum Gehen und Elrond sprach ein paar verabschiedende Worte. Für lange würde es wahrscheinlich nicht sein, da wir planten, auf der Rückreise wieder eine Pause hier in Imladris einzulegen.
Dann verließen wir die Elbensiedlung über die schmale Brücke und folgten dem Weg hinauf in die Berge bis zu dem Punkt, wo sich die Schlucht zu den Ebenen auftat. Die engen Felswände lösten ein wahrhaft beklemmendes Gefühl in mir aus, während wir uns hindurch kämpften.
Am Ende kletterten wir das versprochene Elbenseil hinauf und fanden uns plötzlich mitten in einer hügligen Graslandschaft wieder.
„Wo sind denn die Orks?" witzelte jemand und Fili verdrehte die Augen.
„Seid bloß froh, dass sie nicht hier sind.", knurrte er. „Wir können es uns nicht leisten, schon wieder getrennt zu werden." Der Witzereißer nahm das mehr oder weniger schweigend zur Kenntnis und machte sich schließlich mit uns auf den Weg Richtung Trollhöhen.

Lúthiens Tagebuch

Hm. Um ganz ehrlich zu sein, so richtig weiß ich nicht, wovon ich berichten soll. Es ist nicht wirklich viel passiert in den letzten Tagen, wir sind nur ein ganzes Ende Richtung Westen gewandert.
Von Bruchtal ging es über die Ebenen, wo Radagast im Film die Orks abgelenkt hat, bis wir die Trollhöhen erreichten. Fili und Kili waren ja nicht so begeistert von der Idee, aber wir haben es geschafft, sie zu überreden, nach den Steinfiguren von den drei netten Trollherren zu suchen. Wir kampierten sogar eine Nacht dort. Einige der Jungs haben an diesem Abend den Dialog zwischen Tom, William und Bert zum Besten gegeben. Damit überraschten sie die Zwerge ganz schön, denn die konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, woher wir Menschen so genau wussten, was die Trolle gesagt hatten. Es war richtig schön, mal wieder einen so unbeschwerten Abend mit unserer Truppe zu verbringen. Seit Alex gestorben ist, erlebt die allgemeine Stimmung nämlich einen absoluten Tiefpunkt. Naja, wen wundert das auch? Seine Abwesenheit ist irgendwie ständig präsent. Die vielen Blödeleien mit Ethan fehlen und jetzt gibt es auch niemanden mehr, der die allabendlichen Übungs-Schaukämpfe austrägt.
Ethan selbst ist ein anderer Mensch geworden. Er sitzt immer allein herum, redet mit niemandem und isst nur sehr wenig. Ich habe den Zwergen und Manila wie aufgetragen von dem Zauber erzählt und wir versuchen, so gut wie möglich auf ihn aufzupassen. Bis jetzt konnten wir aber noch keine wirklichen Veränderungen feststellen. Klar, er spricht niemals über das Thema Tod und wir vermeiden es in seiner Gegenwart auch tunlichst.
Eine Sache habe ich aufgrund der ganzen Aufregung in Bruchtal ganz vergessen: Ich bin nicht zu einem Heiler gegangen. Vor ein paar Tagen hatte ich ja gedacht, dass die ganze Sache langsam besser wird, weil die Träume nicht mehr so schlimm waren und die Wunde weniger blutete, aber dabei handelte es sich wohl um ein Irrtum. Es ist wieder schlimmer geworden. Ich schreie jede Nacht und schlage um mich. Manchmal kann ich gar nicht einschlafen, aus Angst vor den Schmerzen. Es ist furchtbar. Wo hatte ich nur meinen Kopf in Bruchtal?
Nachdem wir die Trollhöhen hinter uns gelassen haben, hat das Wetter umgeschlagen. In den letzten Tagen regnete es ständig und seit gestern ist es furchtbar neblig. Diese Nacht verbringen wir fast direkt an der großen Oststraße, um sie morgen früh in dem Dunst schnell wieder zu finden. Wenn wir Glück haben, schaffen wir es, in zwei, drei Tagen, Bree zu erreichen...

Ardatravel - Die Reise nach MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt