Coming back to life

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Lucy

"Natürlich, daran liegt es! Dies ist der Grund für all das Unglück!" Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sich die Elbin sicherlich die Hand gegen die Stirn geschlagen, doch dafür waren die Eldar natürlich viel zu würdevoll.
"Oh nein, wie konnten wir nur dem Irrglauben verfallen, dass ein Gegenmittel Fräulein Lucy genauso gut heilen würde wie jemanden unseres Volkes! Wie töricht wir waren! Geschwind! Ich brauche eine kleine Glasphiole! Meister Oín, würdet ihr Lucy bitte den Verband entfernen?"
Ich hörte, wie sich hastige Schritte entfernten. Dann berührten sanfte Hände meinen Arm und wickelten Lage für Lage den Stoff von der Wunde. Ich wusste vom letzten Mal wechseln noch, dass die Verletzung infolge der kurzen Wirkung des Gegenmittels begonnen hatte, zu heilen, aber jetzt spürte ich, dass das heiße Blut wieder hervorquoll. Die kalte Luft brannte auf meiner Haut.
Wieder wehte ein Luftzug durch den Raum, die Tür klappte und einige leise Worte wurden gewechselt.
„Was werdet Ihr jetzt tun?", fragte die Oín-Stimme.
„Die einzige Möglichkeit, Lucy von ihrem Leiden zu befreien, ist, das Gift aus ihrem Blut herauszufiltern.", erklärte die Elbin. „Wir hätten schon viel eher darauf kommen sollen... Meister Zwerg, bitte haltet die Phiole an die Wunde. Glücklicherweise ist mir der entsprechende Zauber dafür geläufig. Ich bin keine wirkliche Heilerin..."
Ich spürte das kühle Glas an meiner Haut und beruhigendes Streicheln am Arm. Mein Herz klopfte wie wild. Hoffentlich würden sie es dieses Mal schaffen, denn mir war klar, dass ich in diesem Zustand nicht mehr lange durchhielt. Das Gift zerfraß mich von Sekunde zu Sekunde mehr. Alles brannte in eisiger Kälte und Krämpfe wüteten durch meine Glieder.
Doch dann hörte ich ihre Stimme. Glasklar begann die Eldarfrau zu singen, wie die Heiler ihres Volkes es zu tun pflegten, wenn sie Magie wirkten. Sie sprach komplizierte Worte in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich war mir nicht einmal sicher, ob es sich dabei noch um Sindarin oder Quenya handeln konnte, denn die Laute erschienen mir in meinem Rausch so fremd und verschlungen, dass ich überhaupt nichts mehr deuten konnte. Die sich ständig wiederholende Melodie wirkte ungeheuer einschläfernd auf mich und obwohl ich keinerlei Kontrolle über meinen Körper hatte, fühlte ich, wie ich sank, tiefer und tiefer. Die Dunkelheit, die mir schon seit Stunden auf den Augen lag, nahm zu und schien mich verschlingen zu wollen.
Dann verlor ich das Bewusstsein.

Stille. Kein Gesang, keine Stimmen, keine Schritte, kein Luftzug.
Ich fühlte nichts mehr. Kein heißes Blut, kein kühles Glas, keine Krämpfe, keine Kälte, keine Dunkelheit. Gar nichts.
Alles, was ich noch spürte, war die weiche Matratze unter mir, wärmende Decken und der kalte Runenstein, der wie selbstverständlich in meiner Hand lag.
Mein Kopf dröhnte und ich hatte das Gefühl, dass sich alles drehte.
Langsam öffnete ich die Augen... und erblickte eine graue Zimmerdecke. Diffuses Kerzenlicht fiel durch die Fenster aus der großen Halle herein. Es musste mitten in der Nacht sein. Ich presste meine kalte Hand gegen die hämmernde Stirn und stöhnte.
In diesem angeschlagenen Zustand fiel es mir reichlich schwer, meine Umgebung einordnen zu können und so brauchte ich fast zwei Minuten, um zu begreifen, dass dies das Zimmer war, welches ich gemeinsam mit Manila bei unserem ersten Aufenthalt im Erebor bewohnt hatte.
Ich zuckte zusammen, als es in dem Bett neben mir leise säuselte. Doch ein Blick genügte, um herauszufinden, dass es sich dabei nicht um meine französische Freundin, sondern um einen gewissen Zwergenprinzen handelte. Er hatte die Stiefel ausgezogen und lag, alle Viere von sich gestreckt, auf der Tagesdecke, fast als wäre er im Stehen eingeschlafen und zufällig auf das Bett gefallen.
Der Arme. Er hat ganz schön was mitgemacht und alles nur wegen meiner gottverdammten Vergiftung! Ich hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen, obwohl ich tief drinnen wusste, dass ich es wahrscheinlich gar nicht hätte verhindern können.
Als ich einmal herzhaft gähnte, spürte ich, dass meine Kehle in etwa so trocken wie eine Wüste war.
Wasser!, schoss es mir durch den Kopf und ich fuhr nach oben, um nach einer Karaffe Ausschau zu halten. Oh, das war wirklich eine dumme Idee gewesen. Kaum, dass ich aufrecht im Bett saß, musste ich nach dem Laken krallen und für einen kurzen Moment die Augen zukneifen, denn eine Welle des Schwindels überrollte mich mit Gewalt. Eine geschlagene Minute saß ich nur bewegungslos da, bis er wieder abgeklungen war. Kili schlief so tief und fest, dass er davon überhaupt nichts mitbekam.
Als das Zimmer endlich aufgehört hatte, sich zu drehen, warf ich einen weiteren Blick durch den Raum und entdeckte einen bauchigen Glasbehälter auf dem Tisch, der Manilas Bett gegenüber stand.
Ui, das ist ganz schön weit bis da rüber. In dem Zustand schaffe ich es doch kaum, für zwei Sekunden stehen zu bleiben, dachte ich. Aber ich wollte Kili wegen dieser banalen Sache auch nicht unbedingt wecken, schließlich hatte ich ihn in letzter Zeit viel zu oft um seinen wohlverdienten Schlaf gebracht.
Tja, dann blieb mir wohl nichts anderes übrig...
Langsam schlug ich den Deckenhaufen beiseite und stellte die nackten Füße auf den Steinfußboden. Seine Kälte ließ mich erzittern. Dann stützte ich mich ab und verlagerte das Gewicht ganz vorsichtig so weit nach vorn, dass ich schließlich stand. Ich stöhnte auf, als ich registrierte, wie viel Kraft mir das abverlangte. Ich musste völlig geschwächt sein.
Was war nur passiert? Die Erinnerungen kamen nur vereinzelt und dunstig zurück, da war kaum ein klarer Gedanke. Wie viel Zeit wohl vergangen sein musste? Ich konnte mir keine Antwort darauf geben.
Quälend langsam richtete ich mich auf und fixierte die Glaskaraffe. Valar, ich fühlte mich, als wäre ich aus heiterem Himmel fünfzig Jahre gealtert.
Noch hielt ich den Bettpfosten fest umklammert, denn ich fand mein Gleichgewicht kaum. Tastend bewegte ich einen Fuß nach vorn, schwankte kurz, krallte mich am Bett fest und ruderte mit dem anderen Arm, bis es wieder ging. Dann ließ ich den Pfosten los und wagte den nächsten Schritt... was sich sofort als Fehler herausstellte. Es erschien mir, als ob mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, denn ich verlor auf der Stelle den Halt, kreischte auf und landete krachend mit dem Hinterkopf auf dem Bettkasten. Für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen.
„Lúthien!" Kili war aufgeschreckt. Er eilte zu mir herüber. „Bei Durins Bart, was machst du denn? Oín hat dir konsequente Bettruhe erteilt!"
„Ich hab Durst.", grummelte ich nur und rieb mir den Hinterkopf. Aua. Das würde sicher eine hübsche Beule werden.
„Ach so. Aber du hättest mich doch wecken können." Der junge Zwerg verdrehte die Augen, beförderte mich zurück ins Bett und schenkte mir schließlich etwas Wasser ein. Gierig stürzte ich den Kelch meine ausgetrocknete Kehle hinunter.
„Besser?", fragte er. Ich nickte und kroch wieder unter meine Decken. Erst jetzt bemerkte ich, wie kalt mir schon wieder war.
Ohne eine Aufforderung ließ Kili sich neben mir nieder und zog mich zu sich heran. Ich registrierte beunruhigt, wie mir das Blut ins Gesicht schoss und der Puls in die Höhe stieg. Oh nein, was war denn da jetzt schon wieder los?
„Bin... bin ich jetzt... Ich meine... bin ich wirklich geheilt? Also so richtig?", versuchte ich die peinliche Stimmung zu überspielen. Es klappte.
Der Königsneffe lächelte. „Ja, Lúthien, das bist du. Oín hat Ithilia auf die Idee gebracht, das Gift mit Magie aus deinem Blut zu entfernen und sie kannte glücklicherweise den richtigen Zauber. Das hat dich sehr geschwächt, aber jetzt ist es wirklich vorbei und du wirst nie wieder mit den Rückschlägen zu kämpfen haben. Es dauert aber bestimmt mindestens einen Monat, bis du deine volle Stärke zurückerlangt haben wirst. Die Elben sind sich einig, dass du auch jetzt vorläufig in Mittelerde bleibst."
Ich seufzte unendlich erleichtert.
„Und das Gift? Was ist damit passiert?"
„Schau, hier." Kili zog eine kleine Glasphiole aus seiner Tasche. Bei näherer Betrachtung erkannte ich schwarze Schlieren, die darin hin und her waberten, weder flüssig noch gasförmig. Es sah seltsam aus.
Das ist das Gift?", fragte ich erstaunt.
„Ja, genau. Oín und die Elben wollen es untersuchen und herausfinden, ob es noch andere Wege gibt, dagegen vorzugehen, beziehungsweise ob es auf alle Wesen so schrecklich wirkt wie auf dich."
Urrg. Hoffentlich testen sie das nicht an lebenden Kreaturen! So was wünsche ich ja nicht einmal einem Ork an den Hals.
„Ich bin jedenfalls sehr glücklich darüber, dass du endlich wieder gesund wirst.", sagte Kili leise und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr kitzeln. „Es wurde nämlich wirklich höchste Zeit. Noch ein Tag länger und du wärst gestorben, haben sie gesagt. Mahal sei Dank, dass es nicht so weit gekommen ist. Das hätte alles zerstört..."
„Du hast recht. Diese Reise hat sowie so schon viel zu viele Leben gefordert. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass es so schlimm werden würde..."
„So meinte ich das eigentlich nicht...", flüsterte der junge Zwerg und ich zuckte zusammen, weil seine Stimme so nah war. Es schien ihn nicht zu beeindrucken, denn im nächsten Moment fühlte ich eine raue, streichelnde Hand an meinem Hals.
„Was machst du da, Kili?", hauchte ich leicht panisch, doch weiter kam ich nicht, denn im nächsten Moment drückte er mir seine Lippen auf meine und brachte mich sanft zum Schweigen.
„...keine gute Idee...", keuchte ich, als er für einen Moment von mir abließ, aber dann konnte ich nicht anders, als ihn zurück zu küssen.
Nein, es war wirklich keine gute Idee, das spürte ich tief drin, obwohl ich mir eigentlich schon ewig gewünscht hatte, dass dies hier endlich passieren würde. Ich konnte es mir beim besten Willen nicht erklären, aber ich fühlte mich auf eine seltsame Weise mit Kili verbunden, einer Weise, die nicht unbedingt etwas mit der Liebe zu tun hatte, die ich natürlich irgendwo verspürte.
Eine tiefgreifende Wärme breitete sich überall in mir aus, mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb und ich erzitterte unter Kilis kitzelndem, flachem Atem, der mir über die Haut strich, während er mich wieder und wieder küsste.
Seine Leidenschaft ließen die warnenden Stimmen in meinem Kopf immer leiser werden und auch ich spürte, wie ich sie immer weiter wegschob.
Ich wollte sie nicht mehr hören, überhaupt nie wieder mit irgendwelchen Zweifeln konfrontiert werden.
Egal, was kommen würde, jetzt zählte nur der Moment und den würde ich nie wieder vergessen.
Begierig schlang ich die Arme um den jungen Zwerg. „Denk ja nicht, dass ich unter diesen Umständen jemals wieder in ein Flugzeug steigen werde.", flüsterte ich. Er lächelte zufrieden und gab mir noch einen Kuss.

Wir hatten stundenlang kein Wort mehr gesprochen, nur dagelegen.
Ich seufzte.
„Was hast du?", fragte Kili plötzlich, doch ehe ich ihm etwas Liebes ins Ohr flüstern konnte, saß ich auf einmal kerzengerade im Bett und sah mich um.
„Kili, welchen Tag haben wir heute?", fragte ich panisch.
„Genau zwei Monde nach dem Durinstag. Wir sind vor drei Tagen hier angekommen.", informierte er mich leicht verwirrt. „Warum?"
„Vor drei Tagen?" Ich ignorierte seine Frage. „Habe ich wirklich so lange geschlafen?" Der Zwerg nickte.
Hastig überdachte ich kurz die Situation ... und vergaß fast zu atmen. „Der...der Flieger geht heute, oder?" Kili nickte erneut... und schien endlich zu begreifen.
„Manila!", keuchten wir beide gleichzeitig.
„Ihr habt in meiner ... äh ... Abwesenheit nicht zufällig einen Rettungsplan ausgearbeitet, oder?", fragte ich. Es klang vielleicht humorvoll, doch mir war gerade jeder Witz abhandengekommen.
„Bei Mahal, nein.", gab der Königsneffe zu. „Fili meinte nur, dass wir sie vielleicht irgendwo verstecken könnten, solange die Leute von Ardatravel hierher kommen. Sie werden nämlich eine Truppe Menschen schicken, die dafür sorgen müssen, dass alle, die nicht gestorben sind oder, wie in deinem Fall, eine verlängerte Aufenthaltsgenehmigung haben, auch wieder zurück in eure Welt fliegen. Sie trauen uns Reiseleitern nicht mehr zu, dass wir euch vollständig am Außenpunkt abliefern."
„Oh nein...", hauchte ich.
„Doch. Und das größte Problem ist, dass Thorin ihnen seine Hilfe zugesichert hat, falls es Schwierigkeiten geben sollte, das heißt, wenn es hart auf hart kommt, sucht der ganze Erebor nach Manila..."
Ich schlug die Hände vor's Gesicht. Das durfte doch nicht wahr sein! Wie hatten wir Manila nur vergessen können...
„Gibt es... gibt es irgendwo im Erebor einen Ort, wo niemand hin darf? Einen Ort, wo Thorin auch nicht erlauben würde, dass dort jemand sucht?"
Kili dachte eine Weile angestrengt nach. Und dann hellte sich seine Miene plötzlich auf.
„Das ist es! Die Kerker! Oh Lúthien, du bist unbeschreiblich! Ich habe eine Idee!" Wie vom Blitz getroffen stob er aus dem Bett, sprang in seine Stiefel und flitzte zur Tür hinaus.
Verdutzt sah ich ihm hinterher.

Ardatravel - Die Reise nach MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt