Wir wurden von Fili und Kili über einige Brücken zu einer großen Halle geführt, wo eine lange Tafel aufgebaut war. Drum herum saßen schon ein paar Leute von unserer Reisegruppe und eine Menge Zwerge. Als ich in die Runde schaute, erkannte ich sie plötzlich. Es handelte sich um niemand geringeres als die Gemeinschaft von Thorin Eichenschild. Sie erhoben fröhlich die Stimmen, als die Neffen des Königs nach uns eintraten.
Der Herrscher des Erebors selbst saß am Ende des Tisches und redete leise mit Balin, der zu seiner Rechten saß. Fili und Kili nahmen links von ihm Platz und Manila und ich gesellten uns zu den unsrigen. Einige der Zwerge hatten sie schon in angeregte Gespräche über Gold- und Silbervorkommen in unserer Welt verwickelt. Bofur, der uns gegenüber saß, begrüßte uns herzlich und wollte sofort wissen, wie wir den Einsamen Berg fanden. Ich überließ meiner Freundin das Reden (was sie sowie so am allerbesten konnte) und blickte mich um. Drei der Reisegruppe fehlten noch. Wo blieben sie denn? Schon wir hatten befürchtet, zu spät zu sein.
Nach einer Weile wurden die Zwerge ungeduldig. Kein Wunder, vor unseren Nasen war auch ein wunderbares Festessen aufgetischt worden, das uns im Moment nicht mehr als einen köstlichen Geruch bescherte.
Thorin guckte schon etwas griesgrämig, als endlich das schwere Eichenportal aufflog und die Norwegerin, Linnea hieß sie, glaub ich, samt der beiden Amerikaner hereinstürzte. Mit einem Mal war es ganz still im Saal und alle drehten sich zu den Neuankömmlingen um.
„Verzeiht...", nuschelte Linnea zerknirscht. „Wir haben uns... verlaufen." Thorin nickte nur gleichgültig und fragte leise an seine Neffen gewandt:
„Solltet ihr zwei nicht dafür sorgen, dass alle Gäste wohlbehalten hierher finden?" Die beiden zogen die Köpfe ein und murmelten ein paar entschuldigende Worte zurück.
Manila und ich grinsten uns an. Die beiden hatten uns als erstes abgeholt und sich erkundigt, ob es meiner Freundin schon besser ginge. Danach waren noch ein paar andere unserer Gruppe zu uns gestoßen und auf dem Weg zur Halle hatten die beiden Zwerge stolz über diesen und jenen Teil des Berges berichtet und verkündet, dass sie morgen früh persönlich die Tour durch den Erebor leiten würden. Die Amerikaner schienen sie im Eifer spontan vergessen zu haben.Als schließlich alle am Tisch saßen, erhob sich der König unter dem Berge. Seine Kleidung war allerdings nicht so herrschaftlich, wie vielleicht erwartet; er trug eine dunkle, silberdurchwirkte Tunika und einen ähnlichen breiten Gürtel wie im Film.
„Meine Freunde und Gäste...", begann er und seine tiefe Stimme hallte so sehr in den Steinwänden wider, dass ich eine Gänsehaut bekam.
„Wir sind heute hier, um eine ganz besondere Gruppe Reisende in unserem Königreich willkommen zu heißen und gleichzeitig meine wunderbaren Neffen in ihr zweites großes Abenteuer zu verabschieden. Es fiel mir schwer, ihnen diese Reise zuzugestehen, aber ich verstehe durchaus, wenn es sie nach draußen in die Wildnis zieht, um sich zu beweisen und Erfahrung zu sammeln. Und außerdem brauchen unsere Gäste jemanden, der sie führt und verteidigt und ich kenne kaum jemanden, der dafür besser geeignet wäre. Seid willkommen, Menschen der Erde! Willkommen im Reich von Durins Volk!"
Ein peinliches Schweigen trat ein. Was jetzt? Sollten wir klatschen oder so etwas? Zum Glück rief plötzlich jemand „Prost!" und die Zwerge griffen beherzt zu den Metkrügen. Wir taten es ihnen gleich und begannen, uns an den wunderbaren Speisen, die wir so lange nur hatten ansehen dürfen, zu bedienen. Es schmeckte ausgezeichnet.
Da dies ein eher förmliches Essen war, benahmen sich die Zwerge auch viel besser als bei dem armen Bilbo Beutlin. Man konnte ihre Essgewohnheiten zwar immer noch nicht als besonders fein bezeichnen, aber wenigstens bewarfen sie sich nicht mit Essen oder rülpsten um die Wette.
Die meisten Mitglieder der Gemeinschaft waren uns gegenüber erstaunlich aufgeschlossen. Schon bald redeten wir losgelöst von der Etikette quer über den Tisch, lachten, tranken und vergaßen, dass wir eigentlich an der Tafel eines Königs saßen. Thorin sagte nicht viel, schaute aber auch nicht mehr ganz so griesgrämig drein wie am Anfang. Nach ein paar Stunden, als tatsächlich sämtliche Platten leergegessen waren, erklärte er das Gelage für beendet und alle zogen sich zurück.
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Ardatravel - Die Reise nach Mittelerde
FanfictionLucy ist siebenundzwanzig, Individualistin und der leidenschaftlichste Tolkien-Fan der Gegend, doch sie findet ihr Leben sterbenslangweilig und sehnt sich nach einem echten Abenteuer. Bei ihrer erfolglosen Suche nach der perfekten Reise landet sie a...