Unruhig trat ich noch einen Schritt zurück, während sich vor mir die Männer unserer Gruppe beschimpften, anpöbelten und so versuchten, unser Problem zu klären. Fili und Kili hatten eine ganze Weile darüber gesprochen und uns viele Vor- und Nachteile dazu unterbreitet, direkt durch den Wald weiter zu ziehen. Die meisten waren dafür, doch natürlich gab es auch einige, die partout dagegen hielten. Ob es Feigheit oder Vernunft war, konnte man schwer sagen.
„Ruhe!", brüllte Kili in die Runde. Irgendwie sah er ziemlich fertig aus.
„Also, wie es aussieht, ist der Großteil der Truppe dafür, durch den Düsterwald zu gehen, auf die Gefahr hin, von Orks überfallen zu werden." Zurück kam ein Geräusch, das Ähnlichkeit mit einer Zustimmung hatte, aber gleichzeitig setzte auch wieder der Prostest ein.
„Gut.", seufzte Fili. „Dann wäre das ja auch geklärt."Am nächsten Tag hatten wir „frei" und konnten machen, was wir wollten. Manila schlug vor, dass wir das Waldlandreich auf eigene Faust erkundeten und so machten wir uns gleich frühmorgens auf den Weg.
Vergnügt wanderten wir durch die großen Hallen, besuchten den Thronsaal ein zweites Mal und genossen es, einmal für uns zu sein. Auf Dauer konnte unsere Truppe auch ziemlich anstrengend werden.
Gegen Mittag kehrten wir in eine Art Elbenkneipe ein, wo schon früh am Tag Wein (den Thranduils Volk anscheinend am liebsten trank) ausgeschenkt wurde. Die Stimmung war sehr gelöst, da sich hier anscheinend die einfacheren Leute wie Soldaten und andere trafen. Auch das Essen schmeckte wunderbar. Obwohl die Elben sich auf Sindarin unterhielten, bekamen wir bald mit, dass das Hauptthema das herannahende Fest der Sonne war. Ungeniert, wie immer, fragte Manila in ein Gespräch zweier Wachen hinein, worum es sich denn dabei genau handele. Die beiden, schon etwas angetrunken, luden uns fröhlich auf ein Glas Wein ein und erklärten, dass sie, dem Sternenlicht-Fest ähnlich, auch das lebensspendende Licht der Sonne feierten. Heute Abend sollte das Ganze wohl mit Tanz und Gelage beginnen und die Nacht und den morgigen Tag andauern.
Wenig später verließen wir die Absteige wieder, mittlerweile etwas lustig von den hochwirksamen Waldlandwein. Die Soldaten hatten uns empfohlen, einen kleinen Springbrunnen in den nördlichen Hallen zu besuchen, der einem, wenn man Glück hatte, eine Frage beantwortete. Wir wussten nicht so recht, ob man dem Glauben schenken konnte, aber wir liefen trotzdem Richtung Norden.
Nach einer Weile fragte Manila plötzlich: „Lucy? Weißt du noch, wo die Gästehallen liegen?"
Ich blieb abrupt stehen und blickte mich um. „Ähm... naja, ich denke, da lang." Wage deutete ich nach Süden.
„Gut." Meine Freundin schien erleichtert. „Ich konnte mich gerade überhaupt nicht erinnern."
Unser Weg führte uns durch ein großes Tor und im nächsten Moment hörten wir über uns den Wind durch die Bäume rauschen. Wir waren nach draußen gelangt. Staunend sah ich mich um. Hier wirkte der Wald nicht ganz so finster und das Sonnenlicht strahlte bis auf den Boden. Überall an den Bäumen hingen seltsame Apparaturen.
„Sind das Zielscheiben?", fragte ich verwirrt.
„Sieht ganz so aus. Ich glaube, das ist eine Art Schützenparcours.", bestätigte Manila. Ich kniff die Augen zusammen.
„Wie soll man die denn bitte treffen? Die sind ja entweder enorm weit oben angebracht oder winzig klein!"
„Es ist eben für Elben konstruiert. Die haben bessere Augen und ruhigere Hände als wir Menschen."
„Na wunderbar", lachte ich und zog Pfeil und Bogen aus dem Köcher, den ich aus Gewohnheit immer mit mir herumtrug. Den ersten Pfeil verschoss ich natürlich, der zweite landete immerhin schon mal in der Rinde, knapp unterhalb einer Scheibe und der dritte traf sie am Rand. Die Französin applaudierte und ich versuchte vergeblich, ihr den Bogen aufzudrängeln, aber sie wies ihn ab. Ein breites Schwert sei ihr lieber als so eine dünne Sehne, sagte sie. Nachdem ich auf den Baum geklettert und meine Geschosse wieder eingesammelt hatte, wanderten wir weiter und durchquerten einige kleinere Hallen.
Eine Stunde später hatten wir den geheimnisvollen Brunnen endlich gefunden und Manila setzte sich eine halbe Ewigkeit davor, doch das Wasserbecken schien nicht gewillt, ihr eine Antwort auf ihre Frage, die sie wie ein Mantra in Gedanken wiederholte, geben zu wollen. Wir machten ein bisschen Pause, füllten die Wasserschläuche und erkundeten das Waldlandreich später.
Irgendwann blieb ich wieder stehen.
„Mist. Wo sind wir eigentlich? Jetzt habe ich absolut keine Ahnung mehr, wo unsere Zimmer sind."
„Ich auch nicht.", gab meine Freundin zu. Ohne weiter auf die Schönheiten um uns herum zu achten, hasteten wir in die nächste Halle. Sie lag wie ausgestorben da. Noch drei Tore weiter waren wir vollends verwirrt. Wir wussten weder wirklich, von wo wir kamen, noch wohin wir mussten und fragen konnten wir niemanden.
„Wo sind die ganzen Elben hin?", rief ich verzweifelt aus.
„Bestimmt Festvorbereitungen treffen.", knurrte Manila. „Klasse. Ich schätze, wir haben uns gerade richtig schön verlaufen."
„Thranduils Reich ist riesig. Es kann dauern, bis wir wieder jemanden treffen!" Panik bahnte sich in mir an. Das konnte doch nicht wahr sein! Schon neulich hatte ich es befürchtet und jetzt war es eingetroffen.
„Wir können nur versuchen, in eine Richtung weiterzulaufen. Irgendwann werden wir schon auf einen bekannten Ort stoßen.", versuchte meine Begleiterin, mich aufzuheitern. Ich sah ein, dass uns wahrscheinlich überhaupt keine andere Möglichkeit blieb, also machten wir uns auf den Weg, diesmal schweigend und eilend. Saal um Saal kämpften wir uns weiter, über Brücken, Treppen, Steine und Waldboden. Nach der Sonne konnten wir uns nicht richten, weil sie nicht zu sehen war, aber wir hofften, ungefähr nach Süden zu gehen. Nichts kam uns bekannt vor. Mein Mut sank. Das Waldlandreich war wir eine fremde Großstadt, in der man verzweifelt nach einem einzigen Haus suchte, ohne die Adresse, sondern nur anhand eines Bildes vom Gebäude. Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Mist. Mist. Mist.
Wieso mussten wir auch nur immer alles auf eigene Faust erkunden und einfach drauf los rennen, ohne uns vorher einen Plan zu machen? Selbst schuld, Lucy!
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Ardatravel - Die Reise nach Mittelerde
FanfictionLucy ist siebenundzwanzig, Individualistin und der leidenschaftlichste Tolkien-Fan der Gegend, doch sie findet ihr Leben sterbenslangweilig und sehnt sich nach einem echten Abenteuer. Bei ihrer erfolglosen Suche nach der perfekten Reise landet sie a...