Stumm wie ein Leichenzug schob sich unser Trupp durch Wiesen und Felder von Cardolan in Richtung Westen.
Die Ausgestoßenen, wie ich sie mittlerweile nannte, (sie hatten selbst zugegeben, eine Gruppe von Abtrünnigen und Räubern zu sein), waren leider klug genug, abseits der großen Oststraße zu gehen, um nicht aufzufallen. Ihre Gemeinschaft bestand aus circa vierzig Männern, alle dunkel gekleidet und dummerweise auch recht gut bewaffnet.
Nachdem sie so freundlich klargestellt hatten, dass wir ihre Gefangenen waren, mussten wir unsere Lager abbrechen und uns mit ihnen auf den Weg machen. Eins musste man ihrem buckeligen Anführer schon zugestehen: Wie man einen Haufen entführter Menschen, inklusiv zweier Zwerge, unter Kontrolle behielt, dass wusste er. Wir durften nicht mit einander reden und er drohte immer noch, mich zu ermorden, wenn jemand gegen die Regeln verstieß. Tja, insofern ging meine fixe Idee gerade ziemlich nach hinten los. Ich war zum Erpressungsmittel Nummer Eins geworden.
Unter all diesen Umständen wurde der Weg nach Bree natürlich eine Tortur. Den gesamten ersten Tag trotteten wir mutlos hinter dem Wagen, auf dem sie unsere Waffen unter Verschluss hielten, her, eingekesselt vom Großteil der Ausgestoßenen, die stets ihre Bögen bereithielten.
Ich bereute es furchtbar, einem von ihnen den Dolch in die Eingeweide getrieben zu haben. Wir hatten ihn zurücklassen müssen, wahrscheinlich war er inzwischen verblutet. Nicht, dass die Truppe ihren Toten großartig betrauerte – aber ich litt unter den üblichen Gewissensbissen. Jetzt ermordete ich sogar schon Menschen. Valar, steht mir bei, wo sollte das noch hinführen? Die ganze Sache war zwar von Anfang an nicht als Urlaubsreise geplant, aber wer stellte sich bitte schon vor, dass es so endete?Noch schlimmer als das stundenlange, schweigsame Dahinwandern wurde der Abend. Die Räuber saßen um ein großes Feuer herum, grillten Fleisch darüber und kokelten, erheitert von einem Fass gutem Bier, mit dem Brot herum.
Und wir, ihre Gefangenen, saßen etwas abseits, ohne ein Wort zu sagen, und wussten nicht recht, was wir machen sollten.
Es musste doch irgendeinen Weg geben, diesen Strauchdieben zu entkommen. Ich war mir sicher, dass die Zwergenbrüder bestimmt nicht vorhatten, mit den Gaunern bis zum Erebor zu marschieren.
Ach, verdammt, gab es denn wirklich keine Möglichkeit, sie zu fragen oder einen Fluchtplan zu schmieden? Das dauerhafte Redeverbot stand immer im Weg.
Etwas nervös spielte ich mit meinem Tagebuch herum. Ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich die ganze Sache notieren sollte.
Hey, liebes Tagebuch, stell dir vor, heute sind wir gefangen genommen worden, das traf es ja nun nicht gerade. Aber gleichzeitig wollte ich alles aufschreiben, was passierte, um sowohl die Höhen als auch die Tiefen der Reise in Erinnerung zu behalten. Denn wer konnte schon behaupten, einmal nach Mittelerde gereist zu sein?
Moment mal... Plötzlich kam mir eine Idee. Die Ausgestoßenen hatten uns verboten, miteinander zu reden und passten auf wie die Schießhunde, dass wir nicht flüchteten, aber ansonsten durften wir ja – rein theoretisch – tun und lassen, was wir wollten.
Ich schlug das Notizbuch auf und überlegte kurz. Unsere lateinischen Buchstaben konnten die Zwerge garantiert nicht lesen. Nur war ich, was Erebor-Runen betraf, leider nicht so bewandert, die konnte ich nur mit Mühe und einem großen Maß an Fantasie entziffern. Ob sie wussten, wie man Elbenrunen deutete? Mit ein bisschen Glück vielleicht schon...
In etwas ungelenken Tengwar* schrieb ich schließlich:Kili,
hast du irgendeine Idee, wie wir aus unserer Misere hier wieder rauskommen?
LDann schob ich den Bleistift in die entsprechende Seite und schielte vorsichtig zu den Ganoven hinüber. Die interessierten sich gerade mehr für ihren zur Neige gehenden Biervorrat, als für uns. Perfekt!
Verstohlen sah ich mich noch einmal um und warf Kili das Büchlein auf den Schoß. Erstaunt hob er den Kopf und ich bedeutete ihm gestenreich, es zu lesen. Ich musste nicht lange warten und die Antwort flog postwendend zurück. Nervös schlug ich es auf – und musste grinsen. Seine Elbenrunen sahen noch schlimmer aus, als meine. Ich hatte wirklich meine liebe Not, diese Hieroglyphen zu entziffern!
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Ardatravel - Die Reise nach Mittelerde
FanfictionLucy ist siebenundzwanzig, Individualistin und der leidenschaftlichste Tolkien-Fan der Gegend, doch sie findet ihr Leben sterbenslangweilig und sehnt sich nach einem echten Abenteuer. Bei ihrer erfolglosen Suche nach der perfekten Reise landet sie a...