Pfeifend zischte der Wind über die Kuhle und weit über uns funkelte das Sternbild Menelmacar hinunter auf die Weiten der Wildnis.
Wie saßen dicht gedrängt um das Feuer und berichteten abwechselnd von unseren Erlebnissen seit dem Überfall. Ja, wir hatten uns tatsächlich getraut, ein Feuer zu machen, wahrscheinlich, weil wir alle unendlich froh darüber waren, den Wald hinter uns zu haben.
Fili und Kili erzählten, dass sie nach dem Kampf stundenlang auf dem Elbenweg hin und her liefen und unsere Truppe suchten, doch alle schienen verschwunden zu sein. Nicht einmal Eldor und Ithilia fanden sie wieder, weshalb sie beschlossen, zum Tor zu wandern, in der Hoffnung, dort vielleicht jemanden anzutreffen. Das hatte ja geklappt.
Es war entschieden worden, den nächsten Tag noch hier zu verbringen, um unsere Vorräte zu sichten, meine Verletzung zu behandeln und unter Umständen noch auf die anderen zu warten, obwohl wir mittlerweile zweifelten, sie noch zu finden. Wir waren ziemlich lange im Wald herum geirrt. Der Rest von uns hatte sich bestimmt schon auf den Weg nach Bruchtal gemacht. Die Zwerge wollten auch so bald wie möglich weiter. Sie schienen ihre Lehren aus dem Orkangriff gezogen zu haben, niemals davon auszugehen, dass der Feind weit entfernt oder gar tot war.Wir legten uns bald schlafen, nachdem Fili sich bereiterklärt hatte, die erste Wachschicht zu übernehmen. Es war lausig kalt und ich fühlte das feuchte Gras sogar durch die Decke, auf der ich lag. Trotzdem glitt ich recht bald in einen unruhigen Schlaf hinüber.
Ich sitze vor einem Feuer. Alles um mich herum ist so dunkel, dass ich nicht erkennen kann, was sich außerhalb des Lichtscheins befindet. Wo bin ich hier? Warum bin ich allein? Die Dunkelheit gibt mir keine Antwort, aber ich spüre sie im Rücken. Ich fühle, wie sie von Minute zu Minute näher kommt. Ich warte. Nichts passiert. Nur das Feuer brennt immer weiter herunter. Ich sehe mich um. Da ist kein Holz, das ich nachlegen könnte. Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als es einfach ausgehen zu lassen. Denn das wird es bald. Ich merke schon, wie mir die Dunkelheit, die Kälte in den Nacken kriecht. Ich erschaudere. Was soll ich machen? Gibt es keinen Weg, sie aufzuhalten? Das Feuer wird kleiner. Vom Holz ist fast nichts mehr da, lediglich eine kleine Flamme hält sich noch flackernd über der Asche am Leben. Die Finsternis schnürt ihren Kreis um mich herum immer enger und ich spüre, wie die erbarmungslose Kälte durch meinen Umhang dringt.
Das letzte Bisschen Feuer, kaum größer als eine Kerze, glimmt vor sich hin. Ich zittere schon. Dann fegt der Wind über mein Lager und die Flamme erlischt. Im nächsten Moment bricht die Dunkelheit mit einer unvorstellbaren Brutalität über mich herein. Aber es ist nicht nur die Schwärze, nein, die grausame Kälte dringt in meinen Körper und beginnt, in eisigen Krämpfen durch meine Adern zu wüten. Ich kann nicht anders und fange an, laut zu schreien. Es ist, als wollte die Nacht mich zerfetzen, mich mit Kälte verbrennen und verschlingen. Alles tut weh, schrecklich weh. Unter mir fühle ich wieder das feuchte Gras, auf dem ich mich winde, es lindert den Schmerz in keiner Weise. Hilfe, warum hört mich niemand schreien? Wieso kommt niemand und erlöst mich? Oh Götter, Valar, oder wer auch immer dazu imstande ist, befreit mich von dieser unsäglichen Pein!„Lúthien, komm schon, wach auf!"
„Lucy, BITTE! Hör auf zu schreien, wach auf, wach auf!"
„Lúúúthien! Hörst du uns? Kehre zurück, wach auf, bitte!"
„Aaaahaaaaauu!" Keuchend, wimmernd, um Atem ringend, schreckte ich auf und starrte in die verzweifelten Gesichter von Kili und Manila, die sich über mich beugten. Ich schnaufte noch einmal, unendlich froh, wieder wach zu sein. Bis auf ein eisiges Brennen im rechten Unterarm war der Schmerz urplötzlich verschwunden.
„Alles in Ordnung, Lucy?", fragte Manila außer sich vor Sorge.
Ich nickte tapfer. „Ja, geht schon wieder. Was... was ist passiert?"
„Du hast unruhig geschlafen und ständig von wirren Dingen geredet.", berichtete Kili. „Und dann fingst du auf einmal an zu schreien und schlugst um dich. Es sah aus, als würdest du schreckliche Schmerzen haben. Wir hatten Mühe, dich zu wecken."
„Hast du geträumt?", wollte meine Freundin wissen. Ich erzählte ihr von der grausamen Szene in der namenlosen Dunkelheit. Alle hörten mir gespannt zu, schienen jedoch genauso verwirrt darüber zu sein, wie ich.
Mitten in ihrer Diskussion stockte Fili plötzlich und zeigte entsetzt auf meinen Arm. „Was ist DAS denn?"
Ich spürte die Übelkeit hochkommen, als mein Blick auf den Verband fiel. Er war so voller Blut, dass es an den Seiten schon rauslief.
„Oh nein. Es ist sicherlich wieder aufgescheuert. Hoffentlich entzündet es sich nicht.", bemerkte Kili besorgt.
Meine Gefährten machten sich daran, den Verband zu wechseln. Ich sog scharf die Luft ein, als Manila die Wunde freilegte. Sie sah aus, als hätte ich sie mir gerade erst zugelegt, in den letzten zwei Tagen war sie kein Stück verheilt. Die Zwerge schienen ziemlich ratlos darüber zu sein. Fili riet mir, Ithilia zu konsultieren, wenn (oder wohl besser falls) wir sie wiederfinden sollten.
Unsere Begleiter legten sich schlafen, während meine Freundin die Wache übernahm. Aber ich fand keine Ruhe mehr. Ich fröstelte unter dem wolkenlosen Nachthimmel und außerdem war da noch die Angst, vielleicht wieder zu träumen, die mich wach hielt. Es mussten bald Stunden sein, in denen ich mich unruhig hin und her warf, Kilis Runenstein fest umklammert. Er hatte so besorgt ausgesehen, während er und Manila sich abgemühten, mich zu wecken.
Im Film war mir Thorins jüngerer Neffe immer offen und unkompliziert vorgekommen, aber jetzt, da ich ihn in Echt kannte, konnte ich das nicht mehr behaupten. Es gab einige Züge an ihm, die ich absolut nicht durchschaute. Obwohl er mich kaum kannte, schien ich ihm wichtig zu sein. Immerhin hatte er mir den Stein geschenkt.
Stimmen ließen mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Ich sah mich um. Manila war eingeschlafen. Typisch. Aber ansonsten konnte ich niemanden in der Dunkelheit erkennen. Wer hatte da geredet? Instinktiv klaubte ich meinen Köcher und tastete nach dem Messer, das in meinem Gürtel steckte.
Ein Stück weit entfernt raschelte es. Wieder sprach jemand. Doch ich verstand nicht, was sie sagten, denn sie flüsterten nur. Geräuschlos zog ich einen Pfeil und stieß Kili mit dem Fuß an. Er erwachte und sah mich einen Moment lang erschrocken an, während ich den Finger an die Lippen legte und in Richtung Wald zeigte. Er sprang sofort auf und trat das glimmende Feuer aus. Erneute Stimmen. Ich weckte Manila und Fili, währenddessen der Bruder das Schwert zog. Noch einmal raschelte es. Dann ertönte plötzlich ein lautes, überraschtes Lachen.
„Haha! Das gibt's doch nicht! Das- ... Oh mein Gott, kommt schon, kommt schon! Ihr werdet es nicht glauben! Ich hab den Ausgang gefunden! Habt ihr gehört? Ich bin draußen!"
Angestrengt spähten wir in die Finsternis. Ungefähr zwanzig Meter von unserer Kuhle entfernt stand eine Person, die uns merkwürdig bekannt vorkam. Ich ließ den gespannten Bogen sinken.
„Ich glaub, ich sehe nicht richtig! Das ist Ethan!", zischte ich.
„Was? Nie im-... Verdammt, du hast Recht!", rief Manila aus. „ETHAN!!!", brüllte sie über den Rand unserer Mulde hinaus.
„Warte mal... Manila?", kam es zurück. Ich hörte schnelle Schritte und kurz darauf standen Ethan, Alex und Linnea vor uns.
„Oh, ich dreh durch!" Alex grinste wie ein Honigkuchenpferd und sein Freund schickte eine Kusshand gen Himmel.
Auch die Zwerge schienen erleichtert zu sein, wenigstens fünf unserer Gruppe wieder zusammen zu haben.
„Na ja, willkommen am Elbentor.", sagte ich schließlich lächelnd.
Ethan sah mich verwirrt an. „Elbentor? Wo?"
„Na da drüben!" Ich deutete mit einem fragenden Blick Richtung Wald. Erst jetzt fiel mir auf, dass die Truppe gar nicht über den Weg gekommen war.
„Oh Mann! Das ist... Leute, da ist der Weg! Und wir sind konsequent zweihundert Meter südlich davon gelaufen. Herrje!", rief Linnea aus und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
Alex bekam einen Lachanfall und Ethan sah plötzlich so aus, als würde er sich am liebsten selbst ohrfeigen.
„Wie habt ihr denn bitte hierher gefunden, wenn ihr nicht auf dem Weg gegangen seid?", wollte Manila wissen. Da grinste der große Amerikaner auf einmal und zog etwas Gold-glänzendes aus der Tasche.
„Ein Kompass?!", staunte ich. „So was funktioniert hier?"
Ethan lachte. „Oh ja. Hab das Ding extra mitgeschmuggelt, um das hier auszuprobieren."
Meine Freundin gluckste. „Noch ein Schmuggler! Na, so lange ihr bei solch harmlosen Sachen bleibt, ist dagegen ja nichts einzuwenden. Lucy hat ein Tagebuch mitgenommen.", fügte sie rasch hinzu, als alle anderen sie fragend anguckten. Die ganze Truppe grinste mich an.
Dann durchbrach ein lautes Grollen die Stille und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Linnea sich den Bauch hielt.
„Oh weh. Hat jemand etwas gegen ein verfrühtes Frühstück?" Daraufhin hallte eine freudige Zustimmung in den Wald.0
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Ardatravel - Die Reise nach Mittelerde
FanfictionLucy ist siebenundzwanzig, Individualistin und der leidenschaftlichste Tolkien-Fan der Gegend, doch sie findet ihr Leben sterbenslangweilig und sehnt sich nach einem echten Abenteuer. Bei ihrer erfolglosen Suche nach der perfekten Reise landet sie a...