Lucy
Manila nahm die Sache mit meiner „Aufenthaltsgenehmigung" für Mittelerde erstaunlich gelassen hin. Sie gab sogar zu, dass sie schon fast damit gerechnet hatte.
Ich wusste nicht recht, ob ich mich darüber freuen sollte, dass sie sich so stark gab. Tief in ihrem Inneren war sie getroffen, das spürte ich. Sie ließ es nur nicht heraus, weil sie mich nicht verletzen wollte, schließlich hatte ich nicht frei entscheiden können, hier zu bleiben. Manchmal, wenn sie glaubte, ich sei beschäftigt, sah ich, dass sie mit einem grübelnden, ausdruckslosen Blick ins Leere starrte und gegen Neid und Trauer kämpfte.
Bloß, was sollte ich tun? Die Zwergenbrüder und ich ackerten schon Tag und Nacht an einer Lösung, wie wir sie hierbehalten konnten, doch uns wollte einfach nichts einfallen.
Erstaunlicherweise ging es mir mit jedem Tag besser. Das Gegenmittel schien prächtig zu wirken. Zwar wohnte ich noch immer in den Hallen der Heiler, aber ich durfte den größten Teil meiner Zeit anstellen, was immer mir beliebte. Also gingen wir spazieren, trafen uns mit dem Rest der Reisetruppe und besichtigten das Waldlandreich gemeinsam mit Eldárwen.
Die Gruppe wusste übrigens noch nichts davon, dass ich hierblieb. Fili, Kili Ithilia und auch Eldor, der wieder aufgetaucht war, hatten sich darauf geeinigt, ihnen diese Nachricht erst kurz vor dem Rückflug zu übermitteln, um mich vor, wie sie selbst sagten, „unschönen Vorfällen" zu schützen.Nach einer weiteren Woche rückte schließlich unser Aufbruch aus dem Waldlandreich näher. Man fühlte förmlich, wie die allgemeine Laune immer weiter in den Keller sank. Allen fiel der näher rückende Abschied von Mittelerde schwer und uns war klar, dass die Reise zum Erebor unsere letzte gemeinsame Etappe sein würde.
Trotzdem führte kein Weg an der Heimreise vorbei. Viel zu schnell kam der Tag, an dem wir unsere Sachen packten und ein paar letzte Andenken in Thranduils Hallen erstanden. Die Zwerge hatten sich darum bemüht, dass wir Pferde für den Weg bekamen (Ich hegte den Verdacht, dass sie es vor allem für mich taten. Sie trauten meiner scheinbaren Gesundheit noch nicht so recht über den Weg).
Als ich abends in meinem Gemach saß und mal wieder einen Tagebucheintrag verfasste, knarrte die Tür auf einmal und ein gewisser schwarzhaariger Zwergenprinz betrat etwas zögerlich den Raum.
„Lúthien?", fragte er.
„Jawohl, anwesend." Ich grinste. „Was gibt's denn?"
Kili biss sich auf die Lippe. „Ähm... Du wirst es vielleicht für eine dumme Idee halten, nach dem, was ich dir erzählt habe, aber ... würdest du noch einmal mit mir hinunter in die Kerker gehen?"
Verwirrt legte ich den Kopf schief. „Was willst du denn da unten machen? Du erzähltest mir neulich, dass es dich schon bedrückt hat, den verzauberten Stein bei dir zu haben. Und als wir das erste Mal dort waren, sagtest du, dieser Ort stimme dich traurig. Wieso willst du dann dorthin zurückkehren?"
Der junge Königsneffe setzte sich nachdenklich auf meine Bettkante.
„Ich weiß es nicht wirklich, aber ich habe das Gefühl, dass ... dass ich sie endlich gehen und vielleicht die Sache auf diese Weise in Frieden hinter mir lassen kann."
Ich musste lächeln. „Das ist gut. Ich glaube, es ist wichtig, dass du damit abschließt. Sie ist weg und wird auch nicht zurückkommen. Wenn du ihr hinterhertrauerst, schadest du dir nur selbst."
Er sah mich ernst an. „Weißt du eigentlich, dass du ganz schön klug bist?"
„Äh... ja?", gab ich ziemlich dumm zurück. „Naja... Überdurchschnittlich bin ich zu Hause auf jeden Fall nicht..."
„Wie alt bist du überhaupt?", fragte er plötzlich.
Ich schluckte und sah ihn an. „Siebenundzwanzig. Ziemlich jung für eure Verhältnisse, ich weiß..."
„Siebenundzw-..." Der Zwerg sah mich richtig erschrocken an und der Rest blieb ihm im Hals stecken. „Ich weiß ja, dass ihr Menschen viel schneller... naja, altert, als wir, aber dass du noch so jung bist, hätte ich nicht gedacht..."
Ich musste grinsen. „Dafür könntest du in unserer Welt fast als mein Großvater durchgehen." Jetzt lachten wir beide.
„Daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen.", gluckste Kili leise und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.
So richtig realisiert hatte ich noch nicht, dass meine nahe Zukunft bei den Zwergen im Erebor lag und nicht in Deutschland. Na, das konnte was werden...
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Ardatravel - Die Reise nach Mittelerde
FanfictionLucy ist siebenundzwanzig, Individualistin und der leidenschaftlichste Tolkien-Fan der Gegend, doch sie findet ihr Leben sterbenslangweilig und sehnt sich nach einem echten Abenteuer. Bei ihrer erfolglosen Suche nach der perfekten Reise landet sie a...