Chapter 35

2K 161 24
                                    

Yoongi P.o.V.

Ich bekam einen Teller vor mich auf den Tisch gestellt. "So, alles aufessen!", befahl mir Jin und wandt sich dann wieder dem Herd zu. Ich schaute kurz auf, nur um zu sehen, wie Namjoon von hinten seine Arme um ihn legte und Jin kichernd etwas aus dem Schrank über ihm holte, während sein Freund ihm etwas ins Ohr flüsterte.

Ich senkte meinen Blick wieder. So gerne ich mich auch für ihn freuen würde, ich hielt dieses Liebesgetue und die Fröhlichkeit einfach ncht aus. Am liebsten würde ich mich wieder in meinem Zimmer verkriechen.

Doch ich wusste, auf welche Gedanken ich dann wieder kommen würde, mein Bruder schien es auch zu ahnen. Zwar blockte ich seine Versuche, mit mir zu reden, ab und verhielt mich einfach ruhig, doch er war schließlich mein großer Bruder, kannte mich gut.

Ich stocherte mit der Gabel in dem Essen herum, wirklichen Appetit verspürte ich nicht, aber der Hunger war deutlich da. Ich hatte wieder abgenommen.

Meine Gedanken schweiften ab, ich legte den Kopf in die Handfläche.

Das Bild des etwas kleineren Jungen mit den braunen Haaren erschien vor mir, wie er schüchtern zu mir herauflächelte. Ja, ich hatte mich das erste mal irgendwie gemocht gefühlt. Von jemand anderem als aus meiner Familie.

Ich hatte das erste mal im Leben gedacht, einen richtigen Freund gefunden zu haben. Jemanden, mit dem man Reden konnte, Spaß haben und zusammen Strafen absitzen.

Seufzend legte ich die Gabel ab. Er   war nicht der Junge, welcher er vorgegeben hatte, zu sein. Er steckte in viel mehr Problemen und das wurde mir erst vor ein paar Tagen, seit seinen letzten Nachrichten wirklich bewusst.

Vielleicht lag nicht die ganze Schuld an mir, an meiner Art. Doch ich verstand einfach nicht. Ich sollte ihn vergessen, er hatte gemeint, es wäre besser so.

Trotzdem dachte ich in jeder freien Minute an ihn. An das, was er gesagt hatte, wie er geweint hatte, mich angesehen. So flehend.  Doch mir wollte es einfach nicht in den Kopf passen, dass er, der kleine Park Jimin mit Park Chanyeol zusammen war oder gewesen ist. Glücklich.

Jetzt lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück, starrte weiterhin auf den Teller.

Irgendetwas musste doch dahinter stecken. Klar war meine Wut, meine Enttäuschung groß, aber nicht so riesig, wie die Ungewissheit. Ich wollte einfach nur wissen, was in ihm vorging. Warum er das alles tat.

"Yoongi?" Ich sah verwirrt auf, in das leicht besorgte Gesicht von Jin. Auf seiner Schulter lag Namjoons Kinn, welcher mich auch ansah. Seufzend sah Jin kurz zur Seite zu Namjoon, dann wieder zu mir.

"Geh bitte einkaufen, dass du wenigstens raus kommst, okay?" Genervt verdrehte ich die Augen. "Was, wenn ich nicht will?" Ich wollte nicht wieder zu diesem Supermarkt. Nie wieder. Jedes Mal erinnerte ich mich an die Situation, als plötzlich Chanyeol vor mir stand. Und vor ihm Jimin.

Wie sie sich geküsst hatten.

In dem Moment war ich mir einfach nur verarscht vorgekommen, wollte so schnell wie möglich weg, doch auch damals hatte mich die Ungewissheit aufgefressen.

Warum wussten wir nur so wenig über einander, obwohl ich immer geglaubt hatte, alles über ihn zu wissen?

Selbst hatte ich ihm aber auch lange nicht alles erzählt. Niemals hatte ich Chanyeol erwähnt, vielleicht kannte er ihn anders als mich. Wenn sie sich doch wirklich liebten.

"Das ist mir egal, du kannst hier nicht ewig rumsitzen und alles in dich reinfressen", sprach Seokjin ruhig. "Außer das, das sollst du bitte in dich reinfressen", er zeigte auf meinen noch vollen Teller. Genervt schnalzte ich mit der Zunge. "Jin...", hörte ich Namjoon, doch Jin schüttelte nur seinen Kopf. "Ich habe hier das Erziehungsrecht!", er stemmte die Hände in die Hüften, Namjoon, welcher ihn noch immer von hinten umarmte, betrachtete ihn amüsiert von der Seite. "Hast du?"
"Naja... fast. Und bitte, Yoongi, ich will nicht die Friedhofkosten zahlen, falls du verhungerst."

Um ihn endlich zum Schweigen zu bringen, begann ich zu essen. "Geht doch", meinte Jin selbstsicher, "siehst du?", und grinste seinen Freund von der Seite an. "Das machst du super, Prinzessin", hörte ich Namjoon raunen und mein Kopf schoss in die Höhe, wobei ich mich verschluckte.

Ich hustete ein paar Mal und schaute mit weiten Augen zwischen den beiden hin und her. Jin's Kopf war rot angelaufen, Joonie grinste noch immer amüsiert. "Wir gehen dann mal", ergriff er unberührt das Wort, löste sich von Jin, um ihn an seiner Hand aus der Küche zu ziehen. "Mein Essen!", hörte ich Seokjin noch rufen, doch dann nur noch die Schritte auf der Treppe und das Zufallen einer Zimmertür.

Ich ließ meinen halbvollen Teller stehen und zog mir schnell Schuhe und Jacke an, nahm Jin's Geldbeutel und verließ das Haus.

Ich wusste, dass die beiden es nicht mit Absicht machten, aber eine leichte Eifersucht überkam mich wieder. Wie damals.

Immer lief alles perfekt bei meinem großen Bruder. Von Anfang an. Er war schon immer besser, gut aussehender, beliebter als ich gewesen.

Und jetzt hatte er auch noch einen Freund, ein perfektes Leben eben. Und ich? Warum durfte ich nicht einmal Glück haben?

Ich vergrub meine Hände tief in den Jackentaschen, die Temperatur war nicht wirklich kalt, aber kühl und der eisige Wind ließ meinen dünnen Körper leicht zittern.

Ich würde einfach schnell einkaufen gehen, wieder nach Hause kommen und mich endlich in meinem einsamen Bett verkriechen können.

Wie spät es war, wusste ich nicht genau, geschweige denn welchen Tag wir hatten. Die Schule hatte ich schon länger nicht mehr besucht, diese Woche hatten zusätzlich die Ferien angefangen, wodurch es auch nicht mehr als schwänzen galt.

Nach vielleicht 10 Minuten erkannte ich schon das große Gebäude und die vielen parkenden Fahrzeuge, welche sich davor auf dem großen Parkplatz befanden.

Und wieder musste ich an das Szenario von letztem mal denken, biss mir dabei auf die Lippe. Ich musste mich irgendwie ablenken, durfte nicht immer an geschehenen Dingen hängen. Ich musste in die Zukunft blicken, mich nicht immer von der Vergangenheit einholen lassen, sie schmerzte doch nur noch mehr.

Es war ein Abschied gewesen. Und diesmal ein richtiger. Ich sollte mich damit endlich zurechtfinden.

______
1012

______1012

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
I Know Your Brother  || Yoonmin ||  Jimin schreibt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt