Chapter 42

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Jimin P.o.V

Weder wie viel Zeit vergangen war, noch wie seine Reaktion war, konnte ich sagen. Ich hatte einfach nur dagelegen, meine Hände auf dem Bauch verschränkt und mein Blick auf die Zimmerdecke gerichtet, während ich Yoongi meine Geschichte, ja, alles was passiert war, von meiner früheren Beziehung, meiner Mutter über Taemin bis zu der neulichen Situation mit Chanyeol erzählt hatte.

"... ich dachte wirklich, er hätte sich vielleicht geändert. Aber das hat er nicht und deswegen habe ich es nicht mehr ausgehalten", mit einem tiefen Seufzer und einem einerseits befreiendem, andererseits bedrückendem Gefühl beendete ich mein Gerede und genoss für einen kurzen Augenblick die Stille, die ich damit erzeugt hatte, welche jedoch schnell für einen unangenehmen Knoten in meinem Bauch sorgte.

Niemand sagte etwas, im Zimmer war es schon etwas dunkler geworden. Yoongi hatte sich kein einziges mal zu meiner Erzählung geäußert, mir schweigend zugehört und sich wahrscheinlich abschätzende Dinge über mich gedacht.
Natürlich hatte ich meine Gefühle, meine wirklichen, ihm nicht erzählt, ihm nichts gestanden. Trotzdem würde ich mich damit abfinden, würde er mich jetzt hassen und nicht mehr sehen wollen. Ich könnte es nachvollziehen. Nach einer Weile versuchte er tatsächlich, die Stille zu brechen, hatte mir also komplett zugehört.

"Du hast Chanyeol also-"
"Ja, ich habe ihn belogen und verletzt wegen einer Wette, weil ich zu schwach war, oder noch immer bin, mein Leben auf die Reihe zu kriegen. Ich kann dir sagen, dass es mir leid tut, so oft du es willst, aber ich weiß, es wird nichts bringen. Ich bin einfach ein Idiot, der nichts wert ist, nichts verdient, ich frage mich sowieso, wie du mich überhaupt noch-"
"Jimin!"
Ich stockte abrupt, drehte meinen Kopf in Yoongi's Richtung, schaute in sein Gesicht, seine kleinen Augen, welche auf mir lagen, der leicht geöffnete Mund und seine Haare, welche leicht zerzaust in seine Stirn fielen.

Da überkam mich wieder ein Gedanke, die Erinnerung an gestern, als er mich zu sich geholt hatte. Mein Blick wanderte unbewusst zu seinen Lippen. Ich hatte sie schon einmal geküsst. Ich hatte Yoongi schon einmal geküsst! Mein Blick schoss zurück in seine Augen, plötzlich trieb mir seine Nähe und der Gedanke an den Kuss die Röte in mein Gesicht.

"Du bist nicht wertlos okay? Du... ich kann dich irgendwie verstehen. Das war eben ein bisschen viel auf einmal. Aber hassen tue ich dich deshalb nicht", seufzend drehte er sich wieder auf den Rücken, sein Blick galt wieder der Zimmerdecke, welche nurnoch schwach zu erkennen war.

Wieder überzeugten mich seine Worte davon, was für ein toller Mensch er war. Wie wenig ich ihn eigentlich verdient hatte, mich trotzdem in ihn verliebt hatte.

Kein einziges mal hatte er den Kuss noch erwähnt, ihn als einen Versuch, ihn abzuwimmeln gesehen, amüsiert darüber gelacht. Dies ließ den unangenehmen Knoten in meinem Bauch noch enger werden, mein Blut schneller und heißer fließen lassen.
Er hatte nie erwähnt, dass er ihn schlimm gefunden hat.
Er hatte sich nicht von mir abgewendet, sich niemals schlecht oder komisch über meine Sexualität geäußert.

Noch immer starrte ich ihn von der Seite an, wie seine Augen die Decke fixierten, sein Mund noch immer leicht offen stand, die perfekte Nase einen Schatten in sein Gesicht warf. Yoongi's Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig, ich konnte seine Atmung hören, sehen, dass er nachdachte, wahrscheinlich meine Geschichte verdaute.

Unbewusst rutschte ich ein wenig näher zu ihm, wollte mehr von seiner Nähe, seiner Wärme spüren, ihn am liebsten im Arm halten, den ganzen Tag und seine Lippen auf meinen spüren, sie schrien förmlich danach, geküsst zu werden.

Der schwarzhaarige löste sich wieder aus seiner Starre, schenkte mir ein schwaches Lächeln, worauf ich nur schluckend auf meine Unterlippe biss.

Er war so perfekt.

Gerade, als er zu einem Satz ansetzen wollte, ruckte mein Kopf nach vorne und ich drückte endlich gierig meine Lippen auf die seine. Das Verlangen, der Knoten in mir, schien sich nur dadurch lindern zu können, löste nun noch mehr Kribbeln, noch mehr schnell rauschendes Blut aus.

Völlig von meinem Verlangen geblendet legte ich eine Hand an seine Wange, begann, meine Lippen zu bewegen, sehnte mich so nach ihm, seinen Lippen, seinem Körper, einfach allem. Ich wollte, dass er mir gehörte, niemandem anderen, dass nur ich derjenige sein durfte, wessen Schmetterlinge durcheinander flogen, wenn seine Lippen auf meine trafen.

Erst eine Hand, welche Druck auf meinen Brustkorb ausübte und mich kräftig zurück schubste, ließ mich aus meiner Trance erwachen. Verwirrt blinzelte ich. Als mein Blick in seine erschrocken geweiteten Augen trafen, wie er sich nach hinten auf die Ellenbogen stützte und mich schnell atmend ansah, bemerkte ich, was ich gerade getan hatte, die Röte, die Angst, die Reue kam zurück, ich brachte nur verzweifelte, abgehackte Laute heraus, während Yoongi sich weiter von mir entfernte, noch immer geschockt in meine Augen schauend, als hätte er Angst, dass ich jeden Moment erneut auf ihn losgehen könnte.

"E-es tut mir Leid", krächzte ich, mir wurde beinahe schlecht, da der Knoten, welcher sich doch lösen wollte, das Kribbeln und die Wärme ausgelöst hatte, zurückkam, sich fester zuschnürte, je weiter der Junge sich von mir entfernte. Ängstlich und geschockt. Genauso wie ich gerade von mir selbst war.

"D-du musst jetzt nichts sagen, Jimin", gab er stumpf zurück, stand auf und taumelte verwirrt zur Tür, sein Kopf schien angestrengt zu arbeiten, sein Gesicht verzog sich jede Sekunde in einen anderen, undefinierbaren Ausdruck. Ich wollte aufspringen, die Zeit zurückspulen und am liebsten von Neuem beginnen, doch mir war bewusst, dass ich dies wieder einmal nicht konnte.

Wie so oft in meinem Leben.

Wieder einmal hatte ich nicht aus meinen Fehlern gelernt, wieder einmal nur an mich, an meine Gefühle gedacht, nicht auf meinen Verstand gehört, obwohl ich doch genau wusste, dass mich dies jedes mal an einen Absturz führen würde.

Die Tür fiel ins Schloss, wieder lag ich alleine im Dunkeln in seinem Bett. "Scheiße", fluchte ich leise und warf mich auf die Matratze, drückte mein Gesicht in ein Kissen. Es roch fiel zu sehr nach Yoongi, viel zu gut, mir kam es glatt vor, als würde er noch hier liegen, was mir Tränen in die Augen trieb. Ich ließ sie einfach raus, ließ das Kissen mit meinen Tränen volllaufen, bombardierte es mit Schimpfwörtern, mit dem Hass, der Enttäuschung auf mich selbst.

Wann ich dann tatsächlich, weinend, verzweifelt in den Schlaf gefunden hatte, konnte ich nicht mehr sagen.

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1060

:c

I Know Your Brother  || Yoonmin ||  Jimin schreibt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt