℘ཞơɩơɠ ~ ۷ıɬą

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Sie lässt sich neben ihn ins saftig grüne Gras fallen und sieht kurz zu ihm. Er registriert es kaum, sondern starrt einfach weiter in den blauen Himmel, an dem weiße Wolken vorüberziehen. Hier unten ist es fast windstill, aber dort oben scheint ein regelrechter Sturm zu wüten. Sie legt sich neben ihn. Jetzt sind ihre Gesichter auf gleicher Höhe. Im Augenwinkel kann er das Dunkelblond ihrer Haare erkennen. Die Farbe erinnert ihn an Honig.

"Woran denkst du?", fragt sie. Er zögert. Gerade denkt er an so Vieles, aber gleichzeitig ist sein Kopf so leer wie die Lichtung, auf der sie liegen.
"Das Leben", antwortet er schließlich.
"Das Leben?", wiederholt sie fragend. "In der Vergangenheit, der Zukunft oder dem Hier und Jetzt?"
"Ein vergangenes Leben", sagt er seufzend.
Sie durchschaut ihn. "Irgendein Leben? Nein, davon würdest du dich nicht Jahr für Jahr am gleichen Tag so ablenken lassen. Dein Leben, hab ich recht?", flüstert sie.
Er nickt. "Wie immer hast du mal wieder recht." Sie bleibt still. "Ich fühle mich, als hätte ich schon drei Leben gelebt."
"Was ist nur vorgefallen, dass du so denkst? Was ist heute passiert?" Sie meint die Fragen nicht wirklich ernst. In den vergangenen Monaten und Jahren hatte sie unzählige Male danach gefragt, aber nie eine wirkliche Antwort bekommen. Auch jetzt hat sie wieder keinen Erfolg.

"Das willst du nicht wissen", sagt er ausweichend.
Sie rollt sich auf die Seite und sieht ihn jetzt direkt an. "Doch, Vale, genau das will ich. Ich will dich endlich verstehen. Drängt es dich denn nicht auch, dich endlich jemand anderem als deinem Bruder anzuvertrauen? Du kannst nicht ewig still bleiben und diese Last alleine tragen. Du bist nicht mehr alleine", sagt sie vorwurfsvoll.
"Ich weiß", murmelt er kleinlaut.
"Was hält dich dann noch davon ab?", fragt sie nun wieder sanfter.
"Ich will nicht darüber reden. Nicht daran denken. Ich will meine Erinnerungen einfach im schwarzen Teer der Vergessenheit ertränken."

"So läuft es aber nicht. Vergessen ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Alles was uns bleibt ist Ignoranz."
"Es geht nicht. Sie... geht nicht", spricht er mit zittriger Stimme.
"Wer?", fragt sie. Er schweigt.

"Maggie. Meine Schwester. Sie ist..." Er bricht ab.
"Ich hörte davon", sagt sie mitfühlend. "Natürlich. Heute jährt sich ihr Tod zum neunten Mal."
"Ihr habt euch wirklich nahgestanden, nicht wahr?"
"Oh ja. Mehr als das. Sie ist-... war meine Zwillingsschwester. Die nächste Vertraute die ich je hatte. Sie kannte mich besser als ich selbst. Es war schon fast unheimlich. Sie wusste immer genau, was ich dachte. Und sie war so gut. In allem. Ein gutes Herz. Viel zu gut für diese Welt. Es ist wirklich eine Schande, dass ich überlebt habe, während sie sterben musste."
"Finde ich nicht", murmelt sie und sagt dann lauter: "Ich hätte sie gerne kennengelernt. Glaubst du, wir hätten uns gut verstanden?" Sie will keine alten Wunden aufreißen, aber er scheint heute gesprächiger als sonst, darum wagt sie sich weiter vor.

"Vielleicht. Ich weiß es nicht. Sie war so... ganz anders als du, eigentlich. So ruhig, sanftmütig und friedfertig. Vielleicht wärst du ihr zu laut und übermütig gewesen. Aber vielleicht wäre auch alles ganz anders, wenn sie heute hier wäre. Um sie war jeder irgendwie friedlicher. Sie hatte diese... Ausstrahlung", seufzt er.
"Wie du", flüstert sie.
"Noch viel, viel stärker. Ich war schon immer eher der Hitzkopf in der Familie. Und Gabe... Gabe war schon immer erwachsen. Oder er ist immer ein Kind geblieben, ich weiß es nicht. Aber er hat eine alte Seele und diese natürliche Autorität." Scheinbar spricht er lieber über Andere als sich selbst.

"Wirklich autoritär kam er mir bis jetzt nicht vor", murmelt sie.
"Du kennst ihn ja auch nicht so gut wie ich. Immerhin ist er fast nie zuhause, weil er deine Arbeit so gut macht", braust er auf. "Außerdem hat er seit dieser Sache mit Sheriff verdammt großen Respekt vor dir. Zurecht, würde ich sagen. Aber er ist sehr mutig. Wie unsere Mutter. Sie war die stärkste Frau, die ich je gekannt habe. Nach dir, selbstverständlich."
"Was ist mit ihr passiert?"
"Ich weiß es nicht genau. Sie ist einfach eines Tages gegangen und nicht mehr wiedergekommen."
"Warum?"
"Lange Geschichte", seufzt er.
"Ich will sie hören."
"Wie viel?"
"Alles. Erzähl mir alles von Anfang an."

Vita, die; Plur. Viten u. Vitae
[lat.] Leben, Lebensbeschreibung


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